Dreieichenhain (Hessen)
Dreieichenhain ist mit derzeit ca. 8.000 Einwohnern der zweitgrößte Stadtteil von Dreieich im südhessischen Landkreis Offenbach – knapp 20 Kilometer südlich von Offenbach/Main (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Dreieich, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Offenbach', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Die Existenz von Juden in Dreieichenhain ist bereits seit Mitte des 15.Jahrhunderts nachweisbar; allerdings waren es stets nur sehr wenige Familien, die hier als "Schutzjuden" lebten und zeitweilig mit anderen jüdischen Kleinstgemeinden in der Region verbunden waren - so z.B. mit der Gemeinde Langen. In den 1850er Jahren gehörten zur Dreieichenhainer Gemeinde auch die wenigen Familien aus Dietzenbach, Götzenhain und Offenthal. In einem jüdischen Privathaus in der Fahrgasse, dem "Judenhaus", gab es einen Betraum, ein Schulzimmer und das Frauenbad (Mikwe); diese kultisch-religiösen Einrichtungen wurden bis um 1930 genutzt.
„Judenhaus“ in Dreieichenhain (hist. Aufn., um 1925, aus: Altaras)
Seit 1875 gab es am Ort einen eigenen Friedhof, auf dem auch Glaubensgenossen aus Götzenhain und Offenthal ihre letzte Ruhe fanden; zuvor waren Verstorbene in Offenbach bzw. in Sprendlingen beerdigt worden.
Nach der Zugehörigkeit zum Rabbinat Darmstadt wurde die Kleinstgemeinde dem Rabbinat Offenbach unterstellt.
Juden in Dreieichenhain:
--- 1861 ......................... 32 Juden,
--- 1890 ......................... 40 “ ,
--- 1924 ......................... 19 “ ,
--- 1933 ......................... 18 “ (in 5 Familien),
--- 1938 (Dez.) .................. keine.
Angaben aus: Paul Arnsberg, Die Jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 143
Ihren Lebensunterhalt bestritten die hiesigen jüdischen Familien vom Viehhandel/Metzgerei und Kleinhandel.
Da die Zahl der jüdischen Gemeindemitglieder bereits in den 1920er Jahren so weit zurückgegangen war, dass kein Minjan mehr erreicht wurde, wurden die in Dreieichenhain lebenden jüdischen Personen um 1930 der Gemeinde in Offenbach/M. zugewiesen.
Die zu Beginn der 1930er Jahre noch am Ort lebenden jüdischen Familien sind bis 1939 von hier verzogen bzw. sind ausgewandert.
Der im „Judenhaus“ (Fahrgasse) untergebrachte Betsaal wurde in den Novembertagen 1938 demoliert, das Inventar auf die Straße geworfen und in Brand gesetzt.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden 15 aus Dreieichenhain stammende Juden Opfer der „Endlösung“ (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/dreieichenhain_synagoge.htm).
Am ehemaligen jüdischen Gemeindehaus ist eine Hinweistafel mit dem ff. Text angebracht:
Ritualbad.
Juden sind im Hain schon seit 1428 ansässig. Ein Betsaal und eine Schule entstanden in diesem Gebäude im Jahre 1714. Im Kellergeschoss befand sich ein Ritualbad. Von 1909 bis 1911 war im Hinterhaus das erste Heimatmuseum untergebracht.
Jüdischer Friedhof in Dreieichenhain (Aufn. Otmar Frühauf, 2009)
Am Zugang zum jüdischen Friedhof (Wacholderweg) - er besitzt ca. 25 Grabsteine - ist eine Gedenktafel mit der Inschrift angebracht: "Zum Gedenken und zur Mahnung. Hinter diesem Tor befindet sich der alte Jüdische Friedhof Dreieichenhain als stummer Zeuge dafür, dass hier jüdische Bürger über viele Jahrhunderte hinweg gelebt und gewirkt haben. Die NS-Gewaltherrschaft 1933 bis 1945 hat diesem Leben ein Ende gemacht. Die Stadt Dreieich wahrt ihr Andenken in Ehren."
2006 wurden in Dreieichenhain sog. „Stolpersteine“ verlegt; insgesamt sind es 17 Steine, die die Erinnerung an die letzten Hainer Juden wachhalten sollen (Stand 2023).
verlegt für Familie Grünebaum in der Fahrgasse (Aufn. G., 2022, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
"Stolpersteine" für Fam. Strauss (Aufn. Christoph Bernhard, hr-presseservice)
Sechs weitere Steine sind seit 2008 in Götzenhain zu finden.
Ein lang verlorengeglaubter Kultgegenstand der ehemaligen Sprendlinger Synagoge – ein Thoraschrein-Vorhang - ist seit 2021 als Dauerleihgabe in der Stadtbücherei Dreieich ausgestellt.
vgl. dazu auch: Sprendlingen (Hessen)
Weitere Informationen:
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang – Untergang – Neubeginn, Societäts-Verlag, Band 1, Frankfurt/M. 1971, S.143
Waldemar Frank, Der jüdische Friedhof von Dreieichenhain, in: Hrg. Geschichts- und Heimatverein Dreieichenhain - Jubiläumsschrift 1881-1981 (Stadt und Landschaft Dreieich 5), S. 208 - 217
Thea Altaras, Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? Königstein/Taunus 1988, S. 171/172
Studienkreis Deutscher Widerstand (Hrg.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945, Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt, 1995, S. 271 - 273
Dreieichenhain mit Götzenheim und Offenthal (Hessen), in: alemannia-judaica.de
Manuela Schneider, Die letzten Juden im Hayn, in: Dreieichenhain im Wandel: 750 Jahre Stadt im Zentrum Europas, hrg. vom Geschichts- und Heimatverein e.V. Dreieichenhain, 2005, S. 273 - 286
Peter Hörr, Der jüdische Friedhof in Dreieichenhain, in: Dreieichenhain im Wandel: 750 Jahre Stadt im Zentrum Europas, hrg. vom Geschichts- und Heimatverein e.V. Dreieichenhain, 2005, S. 287 - 309
N.N. (Red.), Dreieich. Der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt sechs Stolpersteine in Götzenhain, in "Offenbach-Post" vom 25.1.2009
Geschichts- u. Heimatverein e.V. Dreieichenhain (Hrg.), Zur Erinnerung an die letzten Juden im Hayn. Ein kleiner Wegweiser entlang der Stolpersteine in Dreieichenhain – Broschüre (als PDF-Datei abrufbar)
Nicole Jost (Red.), Stolpersteine in Dreieich – Diese Stolpersteine sind noch lange keine Routine, in: „FNP – Frankfurter Neue Presse“ vom 11.2.2015
N.N. (Red.), „Glücksfall für die Lokalgeschichte“: Neuer Platz für verschollenen Thoraschrein-Vorhang, in: op-online.de vom 20.11.2021