Dreißigacker (Thüringen)

Schmalkalden-Meiningen Karte Dreißigacker mit derzeit ca. 1.300 Einwohnern ist seit 1990 der südthüringischen Stadt Meiningen eingemeindet – ca. 25 Kilometer westlich von Suhl gelegen (Kartenskizzen 'Thüringen', aus: kussler.net  und  'Landkreis Schmalkalden-Meiningen', aus: ortsdienst.de/thueringen/schmalkalden-meiningen).

 

Im unmittelbar vor den Toren Meiningens liegenden Dörfchen Dreißigacker sollen sich gegen Ende des 17.Jahrhunderts die ersten jüdischen Familien angesiedelt haben; diese bildeten bald eine Gemeinde. Ihre Angehörigen übten zumeist händlerische Berufe aus; dabei richteten sich ihre wirtschaftlichen Interessen vor allem auf die nahe Residenzstadt Meiningen, in der Juden bis weit ins 19.Jahrhundert hinein nicht wohnen durften; aber auch weiter entfernte Handelsplätze, so z.B. die Leipziger Messe, wurden von jüdischen Händlern aus Dreißigacker aufgesucht.

[vgl. Meiningen (Thüringen)]

In einem um 1820 angekauften Gebäude richtete die kleine jüdische Gemeinschaft ihren Bet- und Schulraum sowie die Lehrerwohnung ein; doch schon zuvor gab es im Ort eine ‚Schul’, die sich im Herrenhaus der herzoglichen Domänengutes in der Straße „Am Schlossberg“ befunden hatte. Um 1735 ist von einem Schulmeister Mattäi Levi die Rede, der zugleich Vorbeter, Schächter und Lehrer war. In einem der in jüdischem Besitz befindlichen Häuser war eine Mikwe untergebracht.

Vermutlich bereits zur der Zeit der ersten Ansiedlung wurde am östlichen Dorfrand ein kleiner Friedhof angelegt, dessen ältester Grabstein aus dem Jahre 1665 stammt; die letzte Beerdigung fand hier 1880 statt.

Juden in Dreißigacker:

         --- 1809 ........................... 17 jüdische Familien (ca. 70 Pers.),

    --- 1833 ...........................  9     “       “     (ca. 60 Pers.),

    --- 1844 ........................... 56 Juden,

    --- 1867 ...........................  4 jüdische Familien,

    --- 1875 ...........................  keine.

Angaben aus: Gabriele Olbrisch, Landrabbinate in Thüringen 1811 - 1871, S. 38/39

 

Seit ca. 1715 war die Familie Strupp in Dreißigacker beheimatet. Sie war zunächst im Getreide- und Textilhandel, dann im Bank- und Kreditgeschäft tätig und prägte mit ihren Aktivitäten den gesamten südthüringischen Raum während des 19.Jahrhunderts.

Der älteste der Gebr. Strupp, der Geheime Kommerzienrat Dr. Gustav Strupp (geb. 1851 in Dreißigacker), galt vor dem Ersten Weltkrieg als reichster Mann Thüringens; neben seinen zahlreichen, auch kommunalen Aktivitäten rief er in Meiningen vielbeachtete Stiftungen ins Leben. Der 1918 verstorbene Gustav Strupp, der im Laufe seines Lebens zahlreiche Ehrungen/Auszeichnungen erfahren hatte,  fand seine letzte Ruhestätte auf dem Parkfriedhof in Meiningen.

    Familiengrabstätte Strupp (Aufn. K., 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

Mit der Einführung bürgerlichen Gleichstellung und der damit verbundenen Freizügigkeit im Herzogtum Sachsen-Meiningen (1856) verzogen dann in allerkürzester Zeit die meisten jüdischen Familien nach Meiningen und bildeten hier den Grundstock der neuen Gemeinde; damit reduzierte sich die Zahl der Juden in Dreißigacker sehr stark, sodass kaum mehr Gottesdienste abgehalten werden konnten.- Etliche jüdische Familien wanderten nach Nordamerika aus.

Als der Großbrand vom 13.Mai 1867 nur wenige Häuser der Ortschaft verschonte und auch das Synagogengebäude zerstörte, entschlossen sich die vier noch im Dorfe wohnenden jüdischen Familien, sich auch der neuen Meininger Kultusgemeinde anzuschließen.

Von den gemeindlichen Einrichtungen verblieb nur der kleine Friedhof, den die Familien aus Dreißigacker zunächst weiterhin als Begräbnisstätte nutzten. Auf dem Friedhofsareal findet man heute noch ca. 70 Grabstellen; auf dem älteren Teil mit seinen 44 Gräbern sind die Mehrzahl der aus dem 18.Jahrhundert stammenden Steine in Hebräisch beschriftet.


Teilansichten des jüdischen Friedhofs in Dreißigacker (Aufn. J. Hahn, 2005 und S., 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

Armin Human, Geschichte der Juden im Herzogtum Sachsen-Meiningen, Hildburghausen 1898

Günter Mudring, Dreißigacker und die Juden 1735 - 1880. Zulassungsarbeit (Manuskript), Dreißigacker 1990 (Stadtarchiv Meiningen)

M.Brocke/E.Ruthenberg/K.U.Schulenburg, Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), in: "Veröffentlichungen aus dem Institut Kirche und Judentum", Hrg. Peter v.d.Osten-Sacken, Band 22, Berlin 1994, S. 303

Hans Nothnagel (Hrg.), Juden in Südthüringen geschützt und gejagt, Band 3: Juden in der ehem. Residenzstadt Meiningen und deren Umfeld, Verlag Buchhaus, Suhl 1999, S. 11 ff.

Gabriele Olbrisch, Landrabbinate in Thüringen 1811 - 1871. Jüdische Schul- und Kulturreform unter staatlicher Regie, in: "Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Thüringen - Kleine Reihe", Band 9, Böhlau Verlag Köln - Weimar - Wien 2003, S. 38/39

Dreißigacker (Stadt Meiningen), in: alemannia-judaica.de

Israel Schwierz, Zeugnisse jüdischer Vergangenheit in Thüringen. Eine Dokumentation, hrg. von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Sömmerda 2007, S. 92 - 94

Meininger Mediengesellschaft (Hrg.), Der Kunstfreund und großzügige Mäzen, in: „Meininger Heimatklänge“, Ausg. 6/Dez. 2008

Gerhild Elisabeth Birmann-Dähne, Dreißigacker (Thüringen), in: Jüdische Friedhöfe in der Rhön. Haus des ewigen Lebens, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2019, S. 46 - 51