Durbach (Baden-Württemberg)
Durbach mit derzeit ca. 4.000 Einwohnern ist eine kleine Kommune an der badischen Weinstraße im Ortenaukreis - etwa sieben Kilometer östlich von Offenburg gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1725, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Ortenaukreis', Hagar 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
Jüdische Ansiedlung im badischen Dorf Durbach reicht bis zu Beginn des 18.Jahrhunderts zurück; eine autonome Kultusgemeinde gründete sich um 1800. Gottesdienstliche Zusammenkünfte in einem Raum im Obergeschoss eines privaten Wohnhauses wurden erstmals 1810 erwähnt.
Über den Schulbesuch der jüdischen Kinder hieß es in einem Bericht aus dem Jahre 1825: „ ... Die dahier befindlichen Judenkinder besuchen gleich den hiesigen Kristenkindern die Schule, besonders aber jene Stunden, wo der Unterricht vom Lesen, Schreiben, Rechnen, Sittenlehre, Geschichte gegeben wird. Was der Religions-Unterricht der Jüdischen Kinder betr. haben solche hiezu auf ihre Religion ein besonderer Lehrer, der ihnen diselbe während denen die Kristenkinder Religionsunterricht haben, an einem abgesonderten Ort beibringt. Überhaupt wird von den Jüdischen Eltern den obigen Gesetzen und Vorschriften streng Folge geleistet. Auch werden die der Schule entlassenen Jünglinge wegen Unterdrückung des Nothhandels - wo immer möglich - zu bürgerlichem Gewerbe angehalten, ...”
aus: "Großherzoglich Badisches Anzeige-Blatt für den See-Kreis" vom 28. Nov. 1846
Verstorbene Durbacher Juden wurden bis 1813 auf dem alten jüdischen Friedhof in Offenburg beigesetzt; für dessen Nutzung musste eine Gebühr an die Stadt gezahlt werden. Danach stand ein Begräbnisareal am Ort zur Verfügung; die letzte Beerdigung fand hier 1917 statt.
Die Durbacher Gemeinde gehörte ab 1827 zum Rabbinatsbezirk Schmieheim.
Juden in Durbach:
--- um 1775 ....................... 4 jüdische Familien,
--- 1801 .......................... 106 Juden,
--- 1814 .......................... 3 jüdische Familien,
--- 1827 .......................... 16 erwachsene männliche Juden,
--- 1852 .......................... 46 Juden,
--- 1875 .......................... 21 “ ,
--- 1900 .......................... 10 “ ,
--- 1925 .......................... 8 “ (in 2 Familien),
--- 1939 .......................... eine Familie,
--- 1940 (Nov.) ................... keine.
Angaben aus: Josef Werner, Der jüdische Friedhof in Durbach und die Geschichte der jüdischen Gemeinde
Die Durbacher Juden lebten zu Beginn des 19.Jahrhunderts zumeist vom wenig einbringenden "Nothandel", später arbeiteten sie als Metzger, Bäcker und Kaufleute.
In einem Schreiben der Vogtei Durbach von 1814 wird die ökonomische Situation der jüdischen Familien deutlich:
„ ...die hiesigen Juden sind viel zu arm, als daß sie ihre Kinder zum Studieren anhalten können, nicht einmal Handwerken lassen sie dieselben lernen; von Jugend auf bis in ihr graues Alter müßen sie sich mit dem Sackhandel und etwas Viehhandlerei abgeben. ... die hiesige Judenschaft machet 3 Familien aus, nämlich die Bodenheimers, Neuburger und Wertheimer ... Die Judenschaft hat hier keine anderen Abgabe, als das von gdster Herrschaft ihr jährlich bestimmte Schuzgeld, und die jährlich. Von ihren Häusern gnster Herrschaft zu entrichtender Schazung ...
Die christlichen Bewohner des Ortes wandten sich 1862 in einer Petition gegen die bürgerliche Gleichstellung der jüdischen Bewohner Durbachs. In dem Schreiben hieß es:
„ In der Gemeinde Durbach sind gegenwärtig 51 Juden, welche aus 10 Familien bestehen, der weitaus größere Theil derselben ist notorisch arm. Durch die Gleichstellung der Juden würden dieselben sich nicht nur, über kurz oder lang, in das Eigenthum der Gemeinde theilen, sondern die Gemeindebürger erhielten mit denselben eine bedeutende Last, nämlich diese armen Juden aus Gemeindemitteln unterstützen zu müssen.
Darin erblicken die Bürger der Gemeinde Durbachs eine Ungerechtigkeit und eine Verletzung an ihrem Eigenthum und darum haben sich die Gemüther der hiesigen Bewohner in große Bewegung gesetzt. Unsere Voreltern haben die Juden nur als Fremdlinge aufgenommen, denselben Schutz und Eigenthum gestattet, niemals aber ging die Humanität auch so weit, das Eigenthum mit ihnen zu teilen, auch ist nirgends im Lande ein praktisches Bedürfnis vorhanden, welches die Emanzipation als nöthig erscheinen läßt, viel mehr war man mit den bisherigen Zuständen zufrieden. Wenn nun nicht aus Gründen der Rechts oder praktischen Bedürfnis, sondern blos nach theoretischen Consequenzen, nach der Lehre der Humanität und des modernen Staats die Gleichstellung der Juden verlangt wird, so möge denjenigen Gemeinden, welche diese Gleichstellung der Juden verlangen, gestattet werden, Juden bürgerlich aufzunehmen, ... Aus diesen Gründen ergeht daher die Bitte ..., die Emanzipation der Juden nicht genehmigen zu wollen.”
Diese Petion hatte aber nicht den erhofften Erfolg. Doch die ablehnende Haltung gegenüber den jüdischen Bewohnern schien sich in den folgenden Jahrzehnten geändert zu haben; die zunehmende Integration der Juden in die dörfliche Gesellschaft führte dazu, dass sie allgemein respektiert und anerkannt wurden. Anfang der 1930er Jahre sollen nur noch zwei jüdische Familien in Durbach gewohnt haben, eine Gemeinde bestand schon längst nicht mehr; sie war bereits 1898 offiziell aufgelöst worden.
Während der Novembertage 1938 soll es am Ort zu keinerlei antijüdischen Ausschreitungen gekommen sein, da angeblich der Bürgermeister Durbacher Nazis besänftigt haben soll. Die letzte jüdische Familie (der Bäcker Bodenheimer) wurde im Oktober 1940 nach Gurs deportiert.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden sieben aus Durbach stammende Juden Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/durbach_synagoge.htm).
Nur der kleine israelitische Friedhof (Klingelbergstraße) erinnert noch heute daran, dass in Durbach früher Juden gelebt haben. Die Anfang der 1940er Jahre abgeräumten Grabsteine wurden – soweit noch auffindbar – nach Kriegsende wieder auf dem Friedhofsgelände aufgestellt. Auf dem ca. 400 m² großen Gelände befinden sich heute noch 17 Grabsteine.
Aufn. GFreihalter, 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0
Eingangspforte zum Friedhof in Durbach (Aufn. J. Hahn, 2003) - einzelne Grabsteine (Aufn. Jörgens, 2018, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Ein mit farbigen Schieferplatten belegter Memorialstein, der den jüdischen Deportationsopfern aus Durbach gewidmet ist, wurde 2006 von Jugendlichen aus dem Umfeld der Offenburger Kunstschule geschaffen und ist Teil der zentralen Gedenkstätte in Neckarzimmern.
Memorialstein von Durbach (Aufn. aus: mahnmal-neckarzimmern.de)
Weitere Informationen:
Franz Hundsnurscher/Gerhard Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1968, S. 228
Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 398
Karol Sidon (Bearb.), Der jüdische Friedhof in Durbach - Unveröffentlichte Dokumentation des Zentralarchivs zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland, Heidelberg 1989
Josef Werner, Der jüdische Friedhof in Durbach und die Geschichte der jüdischen Gemeinde, Maschinenmanuskript, 2002
Durbach (Ortenaukreis), in: alemannia-judaica.de (mit diversen genealogischen Daten zur jüdischen Gemeindehistorie und Informationen zum jüdischen Friedhof)
Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 94 – 96
Doris Werner, "Viele wissen nichts von Vergangenheit des Orts. Jüdischer Friedhof in Durbach liegt versteckt ..., in: "Lahrer Zeitung" vom 8. 11. 2008
Der jüdische Friedhof in Durbach, in: juedische-friedhoefe.info