Dinkelsbühl (Mittelfranken/Bayern)

Zusammensetzung des Landkreises Ansbach.png Bildergebnis für landkreis würzburg karte ortsdienst Dinkelsbühl ist eine Kleinstadt mit derzeit knapp 12.000 Einwohnern im mittelfränkischen Landkreis Ansbach – ca. 30 Kilometer südwestlich von Ansbach gelegen (aktuelle Kartenskizze 'Mittelfranken', Moros 2012, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0  und  Kartenskizze 'Landkreis Ansbach', aus: ortsdienst.de/bayern/landkreis-ansbach).

 

In Dinkelsbühl hat es nur jeweils kurzzeitig eine jüdische Gemeinde gegeben. Für wenige Jahrzehnte des ausgehenden 14.Jahrhunderts und in den Jahren des Dreißigjährigen Krieges lassen sich in der Reichsstadt jüdische Familien nachweisen. Mit Privileg Kaiser Karl IV. (von 1372) war es der Stadt wieder möglich, nach den Pestverfolgungen (1348/49) erneut Juden in ihren Mauern aufzunehmen; diese lebten vornehmlich vom Pfänderhandel und Geldverleih. Nach Streitigkeiten zwischen Stadt und Kaiser – es ging dabei um die Judenbesteuerung bzw. Tilgung von Juden zustehenden Schuldverschreibungen durch das Stadtpatriziat– verließen die hier lebenden, inzwischen finanziell ruinierten Juden vermutlich zu Beginn des 15.Jahrhunderts die Stadt. Danach betrieben nur noch auswärtige Juden Handelsgeschäfte in Dinkelsbühl.

Nach 1618 hatten sich nachweislich sechs jüdische Familien - vermutlich aus den besonders vom Krieg bedrohten Landgemeinden - hierher geflüchtet; für ihren Aufenthalt mussten sie eine hohe Geldzahlung leisten. 1648 wurden sie – bis auf eine Familie - zwar wieder aus der Stadt verwiesen; trotzdem blieben drei/vier Familien als „Schutzverwandte“ hier leben. Allein die jüdische Familie Frommele besaß für Nördlingen ein „lebenslanges“ Aufenthaltsrecht.

In den folgenden Jahrhunderten lebten keine bzw. nur sehr vereinzelt Juden in Dinkelsbühl.

Ledermarkt i Dinkelsbühl - TEK - TEKA0117521.tifRådhusbrunnen vid Wörnitztor i Dinkelsbüh - TEK - TEKA0117518.tifWörnitz Tor i Dinkelsbühl - TEK - TEKA0117364.tif

Hist. Aufnahmen aus Dinkelsbühl um 1910 (J.S.Curmann, aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)

Als erste jüdische Familie ließ sich Anfang der 1850er Jahre der Arzt Moritz Mannheimer mit seiner Frau und seinen neun Kindern hier nieder; etwa ein Jahrzehnt später folgten weitere Familien. Erst im ausgehenden 19.Jahrhundert nahm die Zahl der hier ansässigen Juden sichtbar zu. In den 1920er Jahren bildeten Schopfloch und Dinkelsbühl kurzzeitig eine gemeinsame Gemeinde, ehe dann 1930/1931 die Judenschaft Dinkelsbühls - ebenfalls nur kurzzeitig – sogar eine selbstständige Gemeinde (mit ca. 60 Angehörigen) stellte.

Über die Gemeindegründung berichtete die Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. Mai 1931: Dinkelsbühl, 24. Mai. Seit ca. 50 Jahren ist Dinkelsbühl Filiale der Kultusgemeinde Schopfloch gewesen. Rund 20 jüdische Familien wohnen in Dinkelsbühl, und der Wunsch, eine selbständige Kehilla zu sein, führte zu der am Sonntag, den 24. Mai erfolgten Gründung einer jüdischen Kultusgemeinde. In einer gut besuchten Gründungsversammlung wurden in Einmütigkeit alle Punkte beschlossen, so auch die Anstellung eines Lehrers ab 1. Juli 1931. Die ministerielle Genehmigung wird durch den Verband bayrischer jüdischer Gemeinden, dem auch an dieser Stelle für seine Mitarbeit gedankt sei, beantragt. ...“

Seit den 1860er Jahren kam man im Hause von Seligmann Hamburger in der Klostergasse (bzw. Brüdergasse) zu Gottesdiensten zusammen; diese Tradition führte auch in den 1920er Jahren der damalige Gemeindevorsitzende Adolf Hamburger weiter.

 

aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 22.Juni 1885 und Bayrische Israelitische Gemeindezeitung" vom 1.Aug. 1930

Einen eigenen Friedhof gab es hier nicht; Verstorbene wurden in Schopfloch beerdigt.

Juden in Dinkelsbühl:

--- 1865/67 ..................... 11 Juden,

--- 1880 ........................ 49   “  ,

--- 1900 ........................ 49   “  (ca. 1% d. Bevölk.),

--- 1910 ........................ 56   “  ,

--- 1925 ........................ 54   “  ,

--- 1933 ........................ 64   “  ,

--- 1934 ........................ 54   "  ,

--- 1938 (Okt.) ................. 18   “  ,

         (Dez.) ................. keine.

Angaben aus: Barbara Eberhardt, Dinkelsbühl, in: Mehr als Steine ... Synagogengedenkband Bayern, Band 2, S. 175 f.

 

                         Gewerbliche Anzeige von 1907

Bis Ende des Jahres 1937 verließen etwa zwei Drittel der jüdischen Einwohner Dinkelsbühl.

Unmittelbar nach den Ereignissen des Novemberpogroms vermeldete die Tageszeitung "Der Wörnitzbote" am 11. Nov. 1938: "Auch Dinkelsbühl ist judenfrei! Die berechtigte Empörung über den jüdischen Meuchelmord in Paris, die sich spontan im ganzen Reiche Luft machte, hat sich gestern auch auf unsere Stadt übertragen, so dass es zu Demonstrationen gegen die wenigen noch hier ansässigen Juden kam. Daraufhin haben sich bis zum Abend auch die letzten Juden beim Einwohneramt abgemeldet und sind von hier fortgezogen, so daß nunmehr auch Dinkelsbühl zu den judenfreien Städten zählt".

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 30 gebürtige bzw. längere Zeit in Dinkelsbühl ansässig gewesene Juden  Opfer der Shoa geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/dinkelsbuehl_synagoge.htm).

Seit 2007 erinnert eine Tafel an dem Hause in der Klostergasse 5, dem Standort des ehemaligen Betraums, an die jüdischen Einwohner Dinkelsbühls (Aufn. J. Hahn, 2007). Zwei Jahre später wurden hier auch vier sog. „Stolpersteine“ verlegt.

in der Klostergasse (aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

In der Segringer Straße erinnern sechs Steinquader an Angehörige der Familie Schloßberger; einzelne Steine liegen auch im Gehwegpflaster in der Langen Gasse und am Altrathausplatz.

(Aufn. K. Zirkel, 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0) Dinkelsbühl Stolpersteins

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20374/Dinkelsbuehl%20Ansbacher%200151.jpg Anmerkung: Der gebürtige Dinkelsbühler Manfred Ansbacher (1922-2012), der sich in den USA Anson nannte, stellte einen Chanukka-Leuchter besonderer Art her (Aufn. Gerhard Gronauer); dieser besitzt aufgesetzte Freiheitsstatuen (!). Seine Schöpfung soll als Zeichen von Dankbarkeit für seine neue Heimat USA verstanden werden. 2013 wurde dieser Leuchter bei der „White House Hanukka Reception“ in Anwesenheit von Präsident Obama verwendet.

 

 

 

Weitere Informationen:

Siegfried Haenle, Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstenthum Ansbach, Ansbach 1867

Ludwig Müller, Aus fünf Jahrhunderten. Beiträge zur Geschichte der jüdischen Gemeinden im Ries, in: "Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben und Neuburg", No.26/1899, S. 81 - 183

Ludwig Schnurrer, Zur Geschichte der Juden in der Reichsstadt Dinkelsbühl, in: "Jahrbuch des Historischen Vereins für Mittelfranken", Band 84/1967, S. 170 – 184

August Gabler, Die letzte Judengemeinde in Dinkelsbühl (bis 1938), in: "Genealogie" 1973/Heft 11, S. 731 - 738

Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 168 /169

Germania Judaica, Band III/1, Tübingen 1987, S. 234/235

Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 157

August Gabler, Die letzten Dinkelsbühler Juden in meiner Erinnerung, in: „Alt-Dinkelsbühl“, Heft 76/2000, S. 22 - 30

Jürgen Binder (Red.), Auch in Dinkelsbühl soll künftig eine Gedenktafel an die jüdische Tradition erinnern – Zu klein für eigene Synagoge, in: „Fränkische Landeszeitung“ vom 11.4.2007

mk/pm (Red.), Das Heimatgefühl überdauerte alle Schrecken – Manfred Anson und dessen Schwester Sigrid sind heute die letzten Überlebenden der jüdischen Gemeinde Dinkelsbühl, in: „Fränkische Landeszeitung“ vom 8.11.2007

N.N. (Red.), Stolpersteine' für die Dinkelsbühler Nazi-Opfer geplant. Wider das Vergessen. Stadtrat geschlossen dafür - Bürger will Kosten übernehmen, in: "Fränkische Landeszeitung" vom 31.10.2008

Barbara Eberhardt, Dinkelsbühl, in: Mehr als Steine ... Synagogengedenkband Bayern, Band 2, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2010, S. 175 – 179

Gerfrid Arnold, Juden in Dinkelsbühl, hrg. vom Historischen Verein Alt-Dinkelsbühl e.V., 2010

Die Geschichte der Juden in Dinkelsbühl, online abrufbar unter: jhva.wordpress.com/?s=Dinkelsbühl

Gunther Reese (Hrg.), Spuren jüdischen Lebens rund um den Hesselberg, in: "Kleine Schriftenreihe Region Hesselberg", Band 6, Unterschwaningen 2011 

Dieter Reinhardt (Red.), Über „Stolpersteine“ gegen das Vergessen, in: „Fränkische Landeszeitung" vom 11.11. 2014 

Kirchenkreis Ansbach-Würzburg (Hrg.), Obama gedenkt Dinkelsbühler Juden, in: „Sonntagsblatt. Evangelische Wochenzeitung für Bayern“ vom 23.11. 2014

Jüdisch-Historischer Verein Augsburg e.V., Die Geschichte der Juden in Dinkelsbühl, online abrufbar unter: jhva.wordpress.com

Dinkelsbühl, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Dokumenten zur jüdischen Geschichte Dinkelsbühls und dem Umgang mit dieser in der Gegenwart)

Große Kreisstadt Dinkelsbühl (Hrg.), Jüdische Gemeinden in Dinkelsbühl, online abrufbar unter: dinkelsbuehl.de/deutsch/alle/stadt-dinkelsbuehl/stadtgeschichte/juedisches-dinkelsbuehl/  (Anm. sehr informative Seite)

Auflistung der in Dinkelsbühl verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Dinkelsbühl