Crivitz (Mecklenburg-Vorpommern)

Ludwigslust-Parchim Karte Firmen in Crivitz, Landkreis Ludwigslust-Parchim Das Amt Crivitz (ca. 15 Gemeinden zugehörig) - ist eine von derzeit ca. 4.800 Menschen bewohnte Landstadt im Landkreis Ludwigslust-Parchim – ca. 15 Kilometer südöstlich der Landeshauptstadt Schwerin gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Ludwigslust-Parchim', aus: ortsdienst.de/mecklenburg-vorpommern/ludwigslust-parchim).

 

In Crivitz gab es eine jüdische Gemeinde, die mit knapp 90 Angehörigen um 1850/1870 ihren numerischen Höchststand erreichte.

Crivitz Postkarte 1913.jpgAnsicht auf Crivitz - Postkarte um 1910 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Ab spätestens 1770 lebte in Crivitz nachweislich ein offiziell als Schutzjude anerkannter Einwohner namens Marcus Joseph Hirsch mit seiner Familie. Aufgrund überlieferter Daten dürften die ersten Juden jedoch hier bereits Jahrzehnte früher - spätestens um 1740 – hier ansässig gewesen sein. Im Laufe des 18. Jahrhunderts zogen noch weitere jüdische Familien hinzu.

Erste gesicherte Hinweise auf ein bestehendes Bethaus in Crivitz stammen aus dem Jahre 1791, als der dortige Magistrat - nach Genehmigung des Herzogs - der jüdischen Gemeinde gestattete, ein Haus zur Abhaltung von Gottesdiensten anzukaufen. 1795 wurde der Kaufvertrag über den Ankauf zweier Gebäude Mauerstraße/Ecke Wilhelmstraße abgeschlossen und die Beträume eingerichtet. In einem späteren Anbau war die Schule untergebracht.

Auf Grund der wachsenden Zahl der Gemeindeangehörigen – um 1850/1870 hatte die Zahl der Gemeindeangehörigen ihren Zenit erreicht - begann man Anfang der 1860er Jahre mit den Planungen für einen Synagogenneubau; realisiert wurde der Bau unweit des Marktes (Wilhelmstraße) bereits wenig später; dessen Einweihung erfolgte Mitte September 1864 im Beisein des Landesrabbiners.

Schule u. Synagoge in der Wilhelmstraße (hist. Postkarte, aus: wikipedia.org)*

*Anm.: Die Nutzung des Synagogengebäude endete kurz vor der Jahrhundertwende.

Der erste jüdische Begräbnisplatz wurde 1763 auf dem Windmühlenberg, einem sandigen Hügel, angelegt. Da dieser von den Einheimischen zum Abbau von Kies/Sand genutzt wurde, drohte ein Abrutschen der Gräber bzw. eine Freilegung der hier Bestatteten. Deshalb wurde auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen dem Magistrat und der Crivitzer Judenschaft vom Mai 1787 „[...] Miethsweise [auf] den vorm Mühlenthore am Trammer Wege belegenen Platz“ verlegt; mit den Umbettungen hatte man bereits kurz zuvor begonnen. Das neue Begräbnisgelände in der Trammerstraße wurde später mit einer Mauer umgeben.

Juden in Crivitz:

--- um 1765 .........................  wenige Familien,

--- 1816 ............................  60 Juden,

--- 1823 ............................  72   “  ,

--- 1826 ............................  75   “  ,

--- um 1860 ..................... ca.  85   "  ,

--- 1935 ............................  ein  "  (),

--- 1938 ............................  keine.

Angaben aus: Jürgen Gramenz/Sylvia Ulmer, Ehemaliges jüdisches Leben in Crivitz

 

Die jüdische Gemeinde von Crivitz war gegen Ende des 19. Jahrhunderts durch Wegzug der Gemeindemitglieder so weit geschrumpft, dass kein Minjan mehr erreicht wurde. 1913 schrieb Otto Ladewig, der Vertreter der Crivitzer Gemeinde, an das Großherzogliche Justizministerium: „Wegen der geringen Mitgliederzahl, nämlich vier erwachsene männliche und sechs weibliche Personen, sowie drei Knaben von 4, 6 und 8 Jahren kann öffentlicher Gottesdienst nicht stattfinden.“

1918 stellten die beiden letzten Gemeindemitglieder, Otto Ladewig und Eduard Jacobson, einen Antrag an das zuständige Großherzogliche Ministerium, sich der israelitischen Gemeinde Schwerin anschließen zu dürfen, was auch genehmigt wurde. Doch erst 1922 löste sich die kleine Gemeinschaft offiziell auf.

Die Stadt Crivitz erklärte sich dann am 15. September 1935 - als erste Stadt des Landes Mecklenburg - für „judenfrei“. Doch lebte zum damaligen Zeitpunkt noch der ehemalige Kaufmann Otto Ladewig im Ort, der vormals hier ein Kurzwarengeschäft betrieben hatte. Mit seinem Selbstmord 1937 endete dann die jüdische Geschichte von Crivitz.

In der NS-Zeit wurde der mit einer Mauer umgebene Friedhof restlos zerstört und eingeebnet. Auf dem Gelände befand sich während des Zweiten Weltkrieges ein Lager für sowjetische Kriegsgefangene.

Eine am Standort des jüdischen Friedhofs angebrachte Informationstafel trägt unter der Überschrift „Historisches Crivitz“ den folgenden Text: „Im Jahre 1776 wurde an dieser Stelle der jüdische Friedhof eingerichtet. Die vorher auf dem Windmühlenberg beigesetzten jüdischen Bürger wurden auf diesen neuen jüdischen Friedhof umgebettet, da dieser durch Witterungseinflüsse und Sandentnahme so ins Rutschen gekommen war, dass dadurch Gräber freigelegt wurden. Bis zum Jahre 1922 sind hier jüdische Bürger bestattet worden. Die Crivitzer Jüdische Gemeinde wurde gleichzeitig wegen zu wenig Mitgliedern nach Schwerin eingemeindet. Der Friedhof mit seinen Grabstellen für die Ewigkeit bestimmt, blieb bestehen. Dieses wurde auch von der Stadt bestätigt. - In den Jahren 1939/40 haben die Nationalsozialisten die Grabstellen beseitigt und ab 1941/42 bis Kriegsende befand sich hier ein russisches Kriegsgefangenenlager.“

 

Das Anfang des 20.Jahrhunderts aufgegebene Synagogengebäude ist baulich erhalten geblieben und steht in der Fritz-Reuter-Straße (ehemals Wilhelmstraße); es wird seitdem als Wohnhaus genutzt.

Seit 2011 erinnern auch in Crivitz einige sog. „Stolpersteine“ an ehemalige jüdische Einwohner.

 

 

 

Weitere Informationen:

Leopold Donath, Geschichte der Juden in Mecklenburg von den ältesten Zeiten (1266) bis auf die Gegenwart (1874), Leipzig 1874

Stadt Crivitz (Hrg.), Chronik der Stadt Crivitz, 2. verbesserte Aufl., Crivitz 2001

Kulturausschuss der Stadt Crivitz (Hrg.), Die Crivitzer Synagoge: mehr als die Geschichte eines Gebäudes eine Rückblende, eine Vorschau, ein Standpunkt, Crivitz 2005

Werner Mett (Red.), Stolpersteine in Crivitz zum Gedenken, in: „Schweriner Volkszeitung“ vom 25.8.2011

Jürgen Gramenz, Ladewig – Dokumentation eines jüdischen Familienverbandes aus Mecklenburg, Plaidt 2013

Werner Mett (Red.), Diebe stehlen Gedenktafel am jüdischen Friedhof, in: „Zeitung für die Landeshauptstadt“ vom 11.4.2013

Jürgen Gramenz/Sylvia Ulmer, Ehemaliges jüdisches Leben in Crivitz, in: Geschichte der Juden in Mecklenburg, Aufsatz vom 22.9.2015, online abrufbar unter: juden-in-mecklenburg.de/Orte/Crivitz

Michael Buddrus/Sigrid Fritzlar (Bearb.), Juden in Mecklenburg 1845-1945. Lebenswege und Schicksale. Ein Gedenkbuch, hrg. vom Institut für Zeitgeschichte/Landeszentrale für politische Bildung Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 2019, Band 1, S. 191/192