Grevesmühlen (Mecklenburg-Vorpommern)

Bezirk des LG Schwerin.PNGNordwestmecklenburg Karte Grevesmühlen – eine der ältesten Städte Mecklenburgs – ist eine Kommune im Landkreis Nordwestmecklenburg mit derzeit ca. 10.500 Einwohnern und Sitz einer Verwaltungsgemeinschaft von 13 Ortschaften - ca. 25 Kilometer westlich von Wismar bzw. ca. 30 Kilometer nördlich von Schwerin gelegen (Kartenskizzen 'Westmecklenburg', Spisazer 2007, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0 und 'Landkreis Nordwestmecklenburg', aus: ortsdienst.de/mecklenburg-vorpommern/nordwestmecklenburg).

 

Nach dem Sternberger Judenpogrom von 1492 verließen alle Juden das Land, auch die in Grevesmühlen. Die Anfänge (neuzeitlicher) jüdischer Ansässigkeit in Grevesmühlen reichen bis in die erste Hälfte des 18.Jahrhundert zurück. Der erste Jude, der bereits hier ein Bleiberecht erlangte, war Samuel Riccius im Jahre 1608. Ein weiterer Schutzjude in Grevesmühlen soll Kalckan Jochim gewesen sein (um 1755), dem wenig später ein gewisser Samuel Levien nachfolgte. Für ihre Schutzbriefe musste jährlich eine Summe von zwölf Reichstalern entrichtet werden.

In den Jahrzehnten danach ließen sich weitere jüdische Familie in Grevesmühlen nieder: so vergrößerte sich deren Anzahl von sieben (um 1815) auf bis zu 19 Familien, die allerdings zumeist keine Schutzbriefe, d.h. auch kein dauerhaftes Bleiberecht besaßen.

Ihren Lebensunterhalt bestritten die jüdischen Familien vom Hausier- und Landhandel, aber auch im Geldgeschäft.

Seit ca. 1765 gab es eine Kultusgemeinde im Ort.

1873 ließ diese ein neues Synagogengebäude am Kleinen Vogelsang errichten; wahrscheinlich gab es in den Zeiten zuvor einen Betraum in einem Privathaus.

Wenige Jahre später wurde am Vielbecker See ein eigener Friedhof angelegt (das Gelände war aber bereits um 1855 erworben worden); in den Zeiten zuvor waren Begräbnisse im weit entfernten Schwerin bzw. in Rehna erfolgt.

Juden in Grevesmühlen:

--- 1810 ......................... 37 Juden,

--- 1825 ......................... 49   “  (in 9 Familien),

--- 1830 ......................... 60   “  ,

--- 1836 ......................... 31   “  ,

--- 1846 ......................... 97   “  ,

--- 1856 ......................... 58   “  ,

--- 1866 ......................... 64   “  ,

--- 1876 ......................... 42   “  ,

--- 1887 ......................... 10   “  .

Angaben aus: Heinz Bernert, Zur Geschichte der Juden in Grevesmühlen, in: Informationen des Heimatvereins Grevesmühlen e.V., 1994, No.1

und                 Jürgen Gramenz/Sylvia Ulmer, Ehemaliges jüdisches Leben in Grevesmühlen

 

Ihren personellen Höchststand erreichte die Grevesmühlener Kultusgemeinde um die Mitte des 19.Jahrhunderts; danach nahm die Zahl ihrer Angehörigen in relativ kurzer Zeit deutlich ab. Mt der Ab- und Auswanderung der allermeisten jüdischen Familien löste sich schließlich die Gemeinde auf (1887); die wenigen verbliebenen schlossen sich der Rhenaer Gemeinde an. Das Synagogengebäude musste nach nur kurzzeitiger Nutzung aufgegeben werden und wurde im Jahr der Gemeindeauflösung verkauft. Auch der Friedhof wurde nach 1900 kaum (nicht) mehr genutzt, so dass im Zeitraum seines Bestehens nur wenige verstorbene Juden Grevesmühlens hier ihre letzte Ruhe gefunden haben.

1933 lebten nur noch vier Einwohner mosaischen Glaubens in Grevesmühlen – darunter die Familie des Textilkaufmanns Max Salomon.

Das Kaufhaus „Karseboom“ wurde von dem aus Zempelburg stammenden Max Salomon geführt. 1912 war sein Niederlassungsgesuch gewährt worden; er leitete sein Kaufhaus „Karseboom“ 21 Jahre lang – bis es nach dem Boykott von 1933 zunächst treuhänderisch verwaltet, ab 1936/1937 dann in „arische" Hände überging.

 

 

 

Der letzte jüdische Einwohner in Grevesmühlen war der Kaufmann Max Salomon gewesen; er verließ 1933 seinen Heimatort, ging nach Hamburg und emigrierte von dort mit seiner Familie - kurz vor dem Novemberpogrom 1938 - in die Niederlande. Während Max Salomon in Großbritannien überlebte, wurden seine Frau und Tocher von den Niederlanden aus deportiert und kamen ums Leben.

 

"Kaufhaus Karseboom" (Ansicht 1920er Jahre)

 

Während der NS-Zeit – und auch danach - war der jüdische Friedhof am Vielbecker Weg von „Unbekannten“ geschändet worden. In der Folgezeit verfiel das Areal. Einziger Hinweis auf die Begräbnisstätte der Grevesmühlener Juden ist heute ein Gedenkstein, der drei Jahre nach Kriegsende hier aufgestellt wurde. Das von der Stadt unterhaltene Gelände gilt heute als Gedenkstätte.

In Grevesmühlen gibt es schon seit 2010 Überlegungen, sog. „Stolpersteine“ zu installieren; eine Entscheidung darüber steht allerdings bis heute immer noch aus (Stand 2023).

An die mehr als 400 Opfer des „Cap Arcona“-Untergangs (3.Mai 1945) erinnert in Grevesmühlen ein Denkmal.

 Grevesmühlen-cap-arcona-friedhof-umfriedung.JPGCap Arcona-Mahnmal (Aufn. Roland Bueb, 2014, aus: commons.wikimedia.org, CC BY 3.0)

Anmerkung: Am 3. Mai 1945 starben beim Untergang der KZ-Häftlingsschiffe "Cap Arcona" und "Thielbek" in der Lübecker Bucht etwa 7.000 KZ-Häftlinge aus allen Teilen Europas. Entlang der Lübecker Bucht fanden die angespülten sterblichen Überreste der Häftlinge ihre Ruhestätten in Schleswig-Holstein und in Mecklenburg-Vorpommern. Nahe dem mecklenburgischen Gutsdorf Groß Schwansee wurden zunächst ein Massengrab und eine Gedenkstätte für 407 Opfer geschaffen. Mitte der 1950er Jahre wurde dieses Massengrab in die Kreisstadt Grevesmühlen verlegt und dort 1957 am Tannenberg die zentrale Gedenkstätte eingeweiht.

 

 

 

Weitere Informationen:

Karl Heinz Jahnke, Die Vernichtung der Juden in Mecklenburg, in: A.Herzig/I.Lorenz (Hrg.), Verdrängung und Vernichtung der Juden unter dem Nationalsozialismus, Verlag Christians, Hamburg, 1992, S. 291 - 307

Zeugnisse jüdischer Kultur - Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Tourist Verlag GmbH, Berlin 1992

Heinz Bernert, Zur Geschichte der Juden in Grevesmühlen, in: "Informationen des Heimatvereins Grevesmühlen e.V.", 2. Jg. 1994, No. 1 und No. 2

Jürgen Borchert/Detlef Klose, Was blieb. Jüdische Spuren in Mecklenburg, Berlin 1994

Irene Dieckmann (Hrg.), Wegweiser durch das jüdische Mecklenburg-Vorpommern, Verlag für Berlin Brandenburg, Potsdam 1998, S. 195 – 223

Archiv und ständige Ausstellung "Cap Arcona – Luxusliner, Katastrophe, Gedenken"  (im Städtischen Museum Grevermühlen)

Städtisches Museum Grevesmühlen, Die jüdische Geschichte in Grevesmühlen vom Mittelalter bis zur Gegenwart – Ausstellung im Städtischen Museum Grevesmühlen, 2014

Jürgen Gramenz/Sylvia Ulmer, Ehemaliges jüdisches Leben in Grevesmühlen, Aufsatz vom 6.5.2017, online abrufbar unter: juden-in-mecklenburg.de/Orte/Grevesmuehlen

Auf den Spuren jüdischer Geschichte in Grevesmühlen, online abrufbar unter: spurensuche-grevesmuehlen.jimdo.com (Projekt-Seiten im Aufbau begriffen)