Freistad a.d.Waag/Hlohovec (Slowakei)
Im Jahre 1365 kam es - neben der schon bestehenden slowakischen Siedlung - zur Gründung der deutschen Stadt Freistad(t), die um einen trapezförmigen Marktplatz als Zentralanlage aufgebaut wurde (auch die Bezeichnung Freystadt wurde benutzt). Seit 1920 heißt die in der Westlowakei liegende Stadt Hlohovec, zuvor Frašták (ung. Galcoc); derzeit leben hier etwa 22.000 Bewohner (aktuelle Karte aus: wikiwand.com).
Eine jüdische Gemeinde in Freistad(t) bildete sich im Laufe des 16.Jahrhunderts; sie setzte sich zunächst aus zugewanderten Familien aus Mähren zusammen. Gegen Ende des 16.Jahrhunderts lebten bereits mehr als 30 jüdische Familien hier (in der ‘Judengasse’); sie bestritten ihren Lebenserwerb vor allem durch Getreide- und Weinhandel, aber auch durch Geldverleih.
Angesichts der Bedrohung durch die Türken verließen im 17.Jahrhundert zahlreiche jüdische Familien ihre Wohnsitze und brachten sich in Sicherheit.
Ab dem 18.Jahrhundert - die Gemeinde hatte sich inzwischen wieder vergrößert, auch auf Grund der Unterstützung durch die die Stadt beherrschende Adelsfamilie Erdödy - bestimmten Handwerke (vor allem Schneider) und Fernhandel die wirtschaftliche Situation der Freistad(t)er Juden; sogar auf den Leipziger Messen waren Kaufleute aus Freistad(t) vertreten.
Zu den Mitte des 18.Jahrhunderts in der Stadt lebenden geistlichen Autoritäten gehörte Rabbi Mordechai Deutsch, der eine Talmud-Thora Schule gründete und bis zu seinem Tode (1772) dieser vorstand.
Eine um 1750 erbaute Synagoge wurde im Jahre 1832 durch einen Neubau ersetzt; veranlasst durch die wachsende jüdische Bevölkerung ließ die Gemeinde um die Jahrhundertwende einen größeren Synagogenbau erstellen, der vom Wiener Architekten Jacub Gartner konzipiert worden war und im Jahre 1900 eingeweiht werden konnte.
Synagoge in Freistad(t) - hist. Postkarten (Abb. aus: geni.com)
Seit Mitte der 1850er Jahre hatte eine jüdische Elementarschule ihre Pforten geöffnet; Deutsch war hier Unterrichtssprache. Doch bestand diese Schule nur einige Jahre; danach übernahmen Privatschulen die Ausbildung jüdischer Kinder.
Etwa 20 Jahre später spaltete sich die Gemeinde in zwei religiöse Lager.
Nachweise für die Existenz eines jüdischen Friedhofs reichen bis ins ausgehende 18.Jahrhundert zurück.
Juden in Freistad(t)/Frašták:
--- um 1600 ..................... 32 jüdische Familien,
--- um 1735 ................. ca. 130 Juden,
--- 1828 ........................ 467 “ ,
--- um 1835 ................. ca. 560 “ ,
--- 1869 ........................ 1.160 “ ,
--- 1880 ........................ 1.079 “ ,
--- 1938 ........................ 840 “ ,
--- 1940 ........................ 727 “ ,
--- 1944 (Febr.) ................ 483 “ ,
--- 1947 ........................ 27 “ ,
--- 1949 ........................ 125 “ .
Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), S. 516
und Hlolovec/Slovakia, in: geni.com/projects/Jewish-Families-of-Hlohovec-Slovakia/17129
hist. Aufn. (aus: , aus: commons.wikimedia.org, CC BY 3.0)
Nach den Emanzipationsgesetzen in Ungarn (1867) wuchs der Einfluss jüdischer Gewerbetreibender in der Stadt deutlich; davon waren fast alle Wirtschaftsbereiche betroffen.
Die vor dem Ersten Weltkrieg zu Ungarn gehörige Kleinstadt (Galcoc) gehörte nach 1918 zum tschechoslowakischen Staatsgebiet; unmittelbar bei Kriegsende gab es hier erneut antijüdische Ausschreitungen, die u.a. zu Plünderungen geführt hatten.*
* Bereits im Revolutionsjahr von 1848 war es in Freistadt zu Gewalttaten gegen die jüdische Minderheit gekommen, bei denen Geschäfte und Wohnungen Anschlagsziele des randalierenden Pöbelns geworden waren.
In den 1920/1930er Jahren bestimmten die jüdischen Familien weitestgehend das Wirtschaftsleben in der Kleinstadt: die meisten der ca. 100 Geschäfte befanden sich in den Händen jüdischer Eigentümer, auch Handwerkerbetriebe und Fabriken wurden von Juden betrieben.
In der Zeit zwischen den Weltkriegen erhielten zionistische Organisationen seitens junger Gemeindeangehöriger Zulauf.
Nach Errichtung des slowakischen Staates wurde die antijüdische Gesetzgebung eingeführt, die zunächst zur Vertreibung der jüdischen Familien ungarischer Nationalität führte. Danach folgte der Einsatz jüdischer Männer zur Zwangsarbeit und 1941 begann die „Arisierung“ aller jüdischer Geschäfte/Betriebe.
Im Frühjahr 1942 waren die Juden von Frašták mit den einsetzenden Deportationen konfrontiert, die etwa die Hälfte der Gemeindeangehörigen betraf.
Die zu Beginn des Jahres noch hier lebenden Juden - zwischenzeitlich hielten sich nun auch jüdische Flüchtlinge hier auf - wurden alsbald aus der Stadt „umgesiedelt“.
Nach Kriegsende gab es in der Stadt wieder eine kleine jüdische Gemeinschaft (etwa 120 Personen), deren Angehörige aber bis 1950 zumeist in den neugegründeten Staat Israel bzw. nach Nordamerika emigrierten.
Anfang der 1960er Jahre wurde das ehemalige Synagogengebäude von den Kommunalbehörden zum Abriss freigegeben.
An die jüdische Geschichte der Stadt erinnert heute ein noch bestehender Friedhof, der von einer Steinmauer umgeben ist. Auf dem älteren Teil findet man heute noch Grabsteine aus dem späten 18.Jahrhundert; darunter auch die Grabstätte des bekannten Rabbiners Mordechai Deutsch (gest. 1773).
Jüdischer Friedhof in Hlolovec (Aufn. regionhlohovc.sk)
Weitere Informationen:
E. Bàrkàny-L. Dojč, Židovské náboženské obce na Slovensku, (1991), S. 194 - 199
The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol.1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 516
Maros Borský, Synagogue Architecture in Slovakia towards creating a memorial landscape of lost community, Dissertation (Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg), 2005, S. 183/184
The Jewish Community of Hlolovec, Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the jewish people, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/hlohovec
Jewish Families of Hlohovec/Slovakia, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-Families-of-Hlohovec-Slovakia/17129
The Jewish cemetery (beth olam) – Hlohovec, online abrufbar unter: regionhlohovec.sk/clanok