Eberswalde (Brandenburg)

  Landkreis Oberbarnim – WikipediaBarnim Karte Eberswalde ist heute mit seinen derzeit ca. 41.000 Einwohnern Kreisstadt des Landkreises Barnim im Nordosten des Landes Brandenburg – etwa 50 Kilometer nordöstlich von Berlin (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Landkreis Barnim', aus: ortsdienst.de/brandenburg/Barnim).

 

Jüdisches Leben soll es in Eberswalde bereits im ausgehenden 14.Jahrhundert gegeben haben. 1407 wird eine „Jodenstraße“ erwähnt und 1439 erhielt ein Jude das Bürgerrecht in Eberswalde. 1510 wurde der Diebstahl einer Monstranz und geweihter Hostien aus der Kirche des havelländischen Ortes Knobloch den Juden in die Schuhe geschoben, worauf 40 von ihnen hingerichtet wurden. Es folgte die Vertreibung aller Juden aus der Mark Brandenburg, sicher auch der Juden aus Eberswalde.

 Eberswalde – Stich M. Merian, um 1630 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Erst Jahrzehnte nach dem Dreißigjährigen Kriege erlaubte ein kurfürstliches Edikt Juden, sich wieder in allen Orten Brandenburgs anzusiedeln. Um 1695 erhielt die erste jüdische Familie die Erlaubnis, sich in Eberswalde niederzulassen. Die kleine jüdische Gemeinde Neustadt-Eberswalde musste zunächst ihre Verstorbenen auf dem Biesenthaler jüdischen Friedhof bringen. Ihren eigenen Friedhof an der heutigen Oderberger Straße erhielt die jüdische Gemeinde gegen Mitte des 18.Jahrhunderts von der Stadt Eberswalde - mit der Auflage, den erworbenen Begräbnisplatz mit einem Zaun abzugrenzen; im Volksmund wurde der Friedhof deshalb auch „Judengehäge“ genannt. Das 1851 erweiterte Begräbnisgelände, das dann alsbald mit einer Ziegelsteinmauer umgeben wurde, besaß nun eine Gesamtfläche von ca. 1.000 m².

Ein neuer Begräbnisplatz in Eberswalde wurde in den 1920er Jahren neben dem kommunalen Waldfriedhof in der Freienwalder Straße eröffnet; Ende der 1920er Jahre entstand hier eine große Friedhofshalle. In der Lokalpresse wurde wie folgt darüber berichtet:

„ ... Dieser wunderschöne sarazenische Kuppelbau ist um so bemerkenswerter, weil er imposante Wuchtigkeit mit einer stark wirkenden Feierlichkeit vereint. ... Die braunrot-violetten Niederlausitzer Klinker der Außenseite ergeben mit den kupfergedeckten Kuppeln einen eindrucksvollen Kontrast, der sich noch verstärkt, wenn man das Innere des Hallenraumes betritt. ... Die farbig gehaltenen Rundbogenfenster lassen ein gedämpftes Licht über den sehr wirkungsvoll ausgestalteten Raum durch, dessen Feierlichkeit sich aber unbedingt noch erhöht, wenn die versteckt am Fuße des Kuppelgewölbes angebrachte Lichtanlage das Ganze mit indirekten Lichtstrom übergießt. ...“

(aus: "Märkischer Stadt- und Landbote", 89/1929 vom 12.11.1929)

Da es in Brandenburg den Juden zunächst verboten war, eigene Synagogen zu errichten, hielten die Eberswalder Juden ihren Gottesdienst in ihren Wohnhäusern ab. Seit 1776 oder 1720 befand sich ihre Betstube in einem Hintergebäude der damaligen Rosenstraße 3, der heutigen Kreuzstraße 28; sie wurde bis 1819 genutzt. Anschließend kaufte die jüdische Gemeinde das Grundstück, ließ das alte Gebäude abreißen und errichtete dort eine Synagoge im Fachwerkstil, die 1820 eingeweiht wurde.

Mit dem Wachstum der jüdischen Gemeinde stellte sich bald die Frage eines Synagogenneubaus; nach Ankauf eines Baugeländes am Schleifmühlenberg in der Bismarckstraße, der heutigen Goethestraße, begann 1890 der Neubau – entworfen vom Berliner Architekten Ferdinand Hermann Arnold Münzberger. Nach einjähriger Bauzeit wurde die neue Synagoge - ein dreikuppliger Bau im maurischen Stil mit blau-weiß gekachelter Fassade - am 1.September 1891 feierlich eingeweiht. Die Finanzierung des Baues geschah ausschließlich durch Spenden der Gemeindemitglieder.

                    

Neue Synagoge in der Bismarckstraße (Ölgemälde Paul Stutterheim, 1892 und hist. Postkarte 1910, aus: geschichte-eberswalde.de)

In der „Eberswalder Zeitung” wurde am 1.1.1892 darüber berichtet:

„ Um 1/2 4 Uhr nachmittags versammelten sich die Mitglieder der hiesigen jüdischen Gemeinde, eine größere Zahl auswärtiger Glaubensgenossen, sowie die übrigen geladenen Gäste: Vertreter der städtischen Behörden, der evangelischen und katholischen Geistlichkeit, der Schulen, der Presse, usw. ... Vielen der nichtjüdischen Gäste mag es ungewohnt erschienen sein, daß der israelitischen Sitte gemäß während der ganzen Feier jedermann den Hut aufbehielt. ... Der Vorstand Herr Kaufmann Zippert begrüßte in kurzer Ansprache die Anwesenden. ... Dann folgte das Anzünden der ewigen Lampe, ein längeres vom Vorbeter Herrn Rawitscher gesprochenes Gebet in hebräischer Sprache, ... Unter wechselndem hebräischen Gesange des Vorbeters und des Chors wurden nunmehr die Thora-Rollen und heiligen Gefäße ... herbeigetragen und in die heilige Lade gestellt. Die Predigt und das Weihegebet sprach der Herr Rabbiner Dr. Rosenzweig aus Berlin. ... Auf die Predigt folgte eine kurze Schlußliturgie, damit hatte die Feier in der Synagoge ihr Ende erreicht.“

Blick auf die Stadt Eberswalde mit Synagoge im Mittelgrund (hist. Postkarte)

Zur Synagogengemeinde Eberswalde gehörten um 1900 insgesamt 28 Ortschaften, u.a. Biesenthal, Grünthal, Heckelberg, Heegermühle, Hohenfinow, Lichterfelde, Schöpfurth und Tuchen.

Juden in Eberswalde:

         --- 1694 ............................   eine jüdische Familie,

    --- 1743 ............................   9       “       “   n,

    --- um 1800 .........................  76 Juden,              

    --- 1829 ............................  67   “  ,

    --- 1890 ............................ 175   “  ,*     * Gemeinde Eberswalde

    --- um 1900 ..................... ca. 200   “  ,

    --- 1907 ............................ 212   “  ,

    --- 1910 ............................ 178   “  ,

    --- 1928 ............................ 270   “  ,

    --- 1933 ............................ 192   “  ,*    * die Gemeinde 254 Personen

    --- 1939 ............................  13   “  .

Angaben aus: Ludwig Arendt, Zur Geschichte der Eberswalder Synagogengemeinde

und                 Helmut Eschwege, Geschichte der Juden im Territorium der ehemaligen DDR, Band I, S. 446 f.

Alsenplatz - hist. Postkarte vor 1910 (aus: wikipedia.org, PD-alt-100)

 

Zu ersten antisemitischen Friedhofsschändungen kam es in Eberswalde 1920/1921; doch insgesamt herrschte zwischen jüdischen und christlichen Einwohnern ein eher harmonisches Miteinander; so waren Eheschließungen zwischen Angehörigen beider Religionsbekenntnisse nicht selten. Im Wirtschaftsleben spielten jüdische Kaufleute weiterhin eine bedeutende Rolle.

1931 setzte ein Blitzschlag die Eberswalder Synagoge in Brand, die dadurch erheblich zerstört wurde. Mit dem Wiederaufbau wurde sofort danach begonnen, so konnte sie im Frühjahr 1932 erneut eingeweiht werden.

                       Brand der Synagoge (hist. Aufn., 16.8.1931)

Der „Märkische Stadt- und Landbote” berichtete in seiner Ausgabe vom 7.März 1932:

“ ... Am 16.August 1931 schlug der Blitz in die Kuppel der 1891 errichteten Synagoge, ... das Innere des Gotteshauses wurde total verwüstet. Die Wiederherstellung hat Monate gedauert und an die Opferwilligkeit der kleinen Gemeinde besondere Anforderungen gestellt. Was aber nunmehr dem Auge sich bietet, ist Ausgezeichnetes und tief Befriedigendes. ... Eine ansehnliche Festveranstaltung vereinigte sich am gestrigen Sonntag zur Weihe des wiederhergestellten Gotteshauses. Und es ist ein schönes Zeichen der religiösen Duldsamkeit, daß alle Landeskonfessionen an diesem Jubeltag teilnahmen. ... Mit dem Minchah-Gebet, der Segenserflehung für die Gemeinde, Stadt und Vaterland und Gemeindegesang fand die erhebende und eindrucksvolle Weihestunde ihr Ende. ”

Als knapp zwei Jahre später die Nationalsozialisten die Regierung übernahmen, begann auch in Eberswalde ihre antisemitische Propaganda Wirkung zu zeigen.

... Im Verfolge der überall einsetzenden Boykottmaßnahmen wurden gestern abend auch in Eberswalde die jüdischen Geschäfte geschlossen. Im Laufe der Nacht wurden die Läden durch Teerfarbe mit Boykottaufschriften versehen und zum Teil Schaufenster zugepinselt. ...”

(aus: „Märkischer Stadt- und Landbote” vom 29.3.1933)

Auf einer Protestveranstaltung des „Aktionskomitees“ am 1. April 1933 auf dem Marktplatz schloss der Hauptredner, der damalige NSDAP-Kreisleiter Friedrich, mit den Worten: „ ... daß man den Juden bei legalem Verhalten weiterhin Gastrecht gewähren würde. Es ist aber ein Unding, daß das Wirtsvolk sich von einer Minderzahl fremdrassiger Elemente beherrschen lasse, ...” In den Folgemonaten häuften sich antijüdische Kampagnen, die sich vor allem im Wirtschaftsektor niederschlugen; so schrieb der „Märkische Stadt- und Landbote” in seiner Ausgabe am 18.8.1933:

... Es gibt noch Volksgenossen, die trotz des durch den Nationalsozialismus hervorgerufenen Umbruchs im Denken und Handeln noch nicht zu der Überzeugung gekommen sind, daß der Einkauf bei einem Juden im nationalsozialistischen Deutschland volksschädigend und unsittlich ist. ... Diejenigen deutschen Volksgenossen, die noch heute beim Juden kaufen, sind kein Teil des deutschen Volkes, der die öffentliche Meinung darstellt. Die öffentliche Meinung vertritt die Auffassung von dem Unwert des Einkaufens bei einem Juden.

Im April 1938 gab es in Eberswalde noch 25 von Juden geführte Geschäfte. Den vorläufigen Zenit der Verfolgung bildete auch in Eberswalde der Novemberpogrom von 1938. Dabei erhielten die Eberswalder NSDAP- bzw. SA-Führer die Anweisungen, „Aktionen“ gegen die hier ansässige Judenschaft zu unternehmen.

        Eberswalder Synagoge in Flammen

Eberswalde, 1o.November. - Heute früh gegen 6.30 Uhr meldeten die Sirenen Großfeueralarm. Die in der Bismarckstraße gelegene Synagoge der jüdischen Gemeinde war in Brand geraten. Bald schlugen die Flammen durch das Dach des Gebäudes. Die drei großen mit Zink gedeckten Kuppeln schmolzen und das Gebälk stürzte funkenstiebend zu Boden. Die gesamte Eberswalder Feuerlöschpolizei ging mit fünf Zügen und zahlreichen Rohrleitungen an die Bekämpfung des Brandes heran. Der Dachstuhl der Synagoge und die gesamte Inneneinrichtung fielen den Flammen zum Opfer.

(aus: „Märkischer Stadt- und Landbote” vom 10.11.1938)

Was die Zeitung zunächst verschwieg, waren zerstörte jüdische Geschäfte vor allem in der Neuen Kreuzstraße und demolierte Wohnungen; auch über Verhaftungen schwieg sich die lokale Presse aus; ein Eberswalder Jude starb an seinen Verletzungen. 1939 wurde auch den Eberswalder Juden ihre Lebensgrundlage entzogen. Wenige Wochen später vermeldete die Lokalpresse:

Keine jüdischen Unternehmen mehr in Eberswalde

Besuchten noch im Jahre 1936 50 Juden die hiesigen Jahrmärkte, so war ihre Zahl im Frühjahr auf drei herabgesunken, und im Herbst ging der Eberswalder Jahrmarkt ohne Juden vonstatten.

 

Mit der Einrichtung von „Judenhäusern“ in der Kirchstraße 17/18 und in der Schneiderstraße 14 wurden die Deportationen vorbereitet. Die Liquidierung der Restgemeinde Eberswaldes erfolgte im Herbst 1942. In Gebäuden der ehemaligen Ziegelei Polenzwerder wurden die noch in Eberswalde lebenden Juden gesammelt und warteten hier auf ihren Abtransport „in den Osten“. Fast 50 Eberswalder Juden haben die Zeit der NS-Verfolgung nicht überlebt.             

Nelly Hörr hatte bis 1933 in Eberswalde gelebt, zog anschließend nach Frankfurt/Main und wurde von dort nach Theresienstadt deportiert; von ihr stammt das Gedicht „Das Liedchen von Theresienstadt”.

 

Der älteste jüdische Friedhof in Eberswalde an der Oderberger Straße (angelegt um 1750) hat beinahe unversehrt die NS-Zeit überstanden; nach 1990 wurde er restauriert; auf dem mit einer Ziegelsteinmauer umfriedeten ca. 1.000 m² großen Areal sind noch etwa 100 Grabsteine erhalten; der älteste stammt aus dem Jahre 1784.

2010-06-15-juedischer-friedhof-ebw-by-RalfR-02.jpg 2010-06-15-juedischer-friedhof-ebw-by-RalfR-11.jpg 

alter jüdischer Friedhof (Aufn. Ralf Roletschek, 2005 bzw. 2010, aus: wikipedia.org, GFDL 1.2)

Auf dem bereits seit den 1890er Jahren geplanten, aber erst in den 1920er Jahren eingeweihten neuen Friedhof an der Freienwalder Straße stehen ca. 50 Grabsteine.

neuer jüdischer Friedhof (Aufn. aus: juedische-friedhoefe.info, 2012)

In der Goethestraße, der früheren Bismarckstraße, erinnert seit 1966 eine Gedenktafel an die ehemalige jüdische Gemeinde von Eberswalde und an die Zerstörung ihrer Synagoge während des Novemberpogroms. Die Inschrift unter der Abbildung der stilisierten Synagoge lautet:

Hier stand die im Jahre 1890/91 gebaute Synagoge der jüdischen Bürger von Eberswalde.

Sie wurde in der Kristallnacht am 9.November 1938 vom faschistischen Mob geschändet und durch Brand zerstört.

Fast alle Mitglieder der Jüdischen Gemeinde kamen in den faschistischen Vernichtungslagern um.

Ihr Tod ist uns Mahnung und Verpflichtung.

Auf dem ehemaligen Synagogengrundstück wurde ein „Ort der Erinnerung“ an die jüdischen Einwohner Eberswaldes geschaffen.

   

Entwurfsmodell der sog. "Baum-Synagoge"  -  baulicher Zustand nach der Einweihung (Abb. aus: knitz.det)

Der 2012 realisierte Entwurf der beiden Künstler Horst Hoheisel und Andreas Knitz sieht dabei eine von einer zwei Meter hohen Mauer umgebene Fläche vor, die den Umriss der Synagoge nachzeichnet und in deren Mitte eine Hain angelegt ist; diese Baumskulptur „Wachsen mit Erinnerung“ wurde am 74.Jahrestag des Novemberpogroms im Beisein von Bundespräsident Joachim Gauck der Öffentlichkeit übergeben. An der umlaufenden Mauer befindet sich ein längerer Text, der über die jüdische Geschichte Eberswaldes informiert; der Innenraum hingegen ist unzugänglich.

Die Schaffung dieses Denkmals ging auf die Initiative Eberswalder Bürger zurück und wurde von "AMCHA Deutschland" mitentwickelt, dem deutschen Teil des gleichnamigen Israelischen Zentrums für psychosoziale Hilfe für Holocaustüberlebende.

Zwei Straßen Eberswaldes sind nach ehemaligen jüdischen Bewohnern benannt, so nach Salomon Goldschmidt (geb. 1874) und Ludwig Sandberg, ehem. Justizrat und Ehrenbürger der Stadt.

Beginnend im Jahre 2015 wurden bis 2020 im Stadtgebiet von Eberswalde nahezu 50 sog. „Stolpersteine“ verlegt; ein Teil der Steine erinnert an Opfer der NS-"Euthanasie".

 Stolperstein für Benno Gutkind (Eberswalde).jpgStolperstein für Selma Jacob (Eberswalde).jpgStolperstein für Gertrud Kohn (Eberswalde).jpgStolperstein für Charlotte Kohn (Eberswalde).jpg Stolperstein für Josef Lagro (Eberswalde).jpgStolperstein für Jenny Lagro (Eberswalde).jpg

 alle Abb. Chr. Michelides, 2020, aus: commons.wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

 

 

In Oderberg - wenige Kilometer nordöstlich von Eberswalde gelegen - ließen sich im letzten Viertel des 17.Jahrhunderts Juden nieder und bildeten Jahrzehnte später eine kleine jüdische Gemeinde, die um 1785 sechs Familien (knapp 50 Angehörige) zählte. Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörten ein kleines Bethaus in der Rittergasse und ein spätestens um 1700 unweit der Stadt angelegter Friedhof auf dem „Mönkefeld“, am Südhang der zur Oder abfallenden Höhen. Nach dem Erwerb eines Grundstücks ließ die Gemeinde anstelle der Betstube ein Fachwerkgebäude errichten, in dem die Synagoge untergebracht war.

Um 1850 lebten im Ort 58 jüdische Bewohner; sechs Jahrzehnte später waren es nur noch 13 Personen. Nach der Auflösung der Gemeinde wurde das baufällige Synagogengebäude Mitte der 1920er Jahre abgerissen; die wenigen verbliebenen Juden suchten danach die Synagoge in Angermünde auf. Bis 1939/1940 hatten alle jüdischen Bewohner Oderberg verlassen. Das während der NS-Zeit geschändete Beerdigungsgelände wurde nach 1945 wiederhergerichtet; ca. 40 Grabsteine bzw. -relikte sind noch vorhanden; die älteste Grabstelle ist die von Israel Gutherz aus dem Jahre 1848; das letzte Begräbnis soll hier 1933 erfolgt sein.

Zuweg zum jüdischen Friedhof Oderberg (Aufn. Anke Geißler-Grünberg, aus: uni-potsdam.de/juedische-friedhoefe/friedhof-oderberg.html)

Vor dem Haus der Oderberger Jüdin Frieda Lesser, die 1943 deportiert und ermordet wurde, erinnert seit 2012 ein sog. „Stolperstein“

    Stolperstein für Frieda Lesser (Oderberg).jpg verlegt in der Hermann-Seidel-Straße (Aufn. Chr. Michelides, 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

In Oderberg wurden 2023 zwei weitere sog. „Stolpersteine“ verlegt; die beiden Steine in der Angermünder Straße erinnern an zwei ehemalige jüdische Bewohner, die 1942 deportiert und in Auschwitz bzw. Chelmno ermordet wurden.

 

 

 

 In der wenige Kilometer östlich von Oderberg gelegenen Ortschaft Zehden (poln. Cedynia) ist jüdische Ansässigkeit seit ca. 1800 bekannt; allerdings waren es stets nur eine begrenzte Zahl von im Ort lebenden Familien, die ihren Lebensunterhalt mit Kleinhandel und im Handwerk verdiente. Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts zählte die gesamte jüdische Gemeinde – zu ihr gehörten auch die Familien umliegender Ortschaften wie Alt-Cuestrinchen, Groß-Mantel, Paetzig u.a. - etwa 70 Angehörige, von denen etwa die Hälfte in Zehden selbst wohnte. Gottesdienstliche Zusammenkünfte fanden zunächst - in Ermangelung einer eigenen Synagoge - in privaten Räumlichkeiten statt. Erst durch finanzielle Zuwendungen eines ehemaligen Gemeindeangehörigen konnte ein Synagogengebäude errichtet werden.

Eine kleine Begräbnisstätte - südlich des Schützenberges gelegen - wurde von der Zehdener Gemeinde unterhalten.

Zum Zeitpunkt der Reichsgründung lebten in Zehden noch 16 jüdische Bewohner; um 1905 sollen es dann nur noch neun gewesen sein; ein Minjan war nun nicht mehr gegeben.

            Zehden a. Oder, Ostbrandenburg - Stadtansicht (Zeno Ansichtskarten).jpg hist. Postkarte, um 1900 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Bis Anfang der 1930er Jahre hatten alle jüdischen Bewohner die Kleinstadt verlassen.

einzelne Gräber (Aufn. Frank Wasmuth, 2012, aus: neumark.pl) 

Auf dem kleinen Friedhofsgelände – südlich des Schützenberges – befinden sich derzeit noch sieben in einer Reihe aufgestellte Grabsteine.

 

 

 

In Mohrin (poln. Moryn) – ca. 15 Kilometer östlich von Zehden (poln. Cedynia) – hat es im 19.Jahrhundert eine kleine israelitische Gemeinde gegeben, die sich nur aus einer begrenzten Zahl von Familien zusammensetzte; um 1850 soll die Zahl der jüdischen Dorfbewohner ca. 65 Personen betragen haben. Bis Anfang der 1930er Jahre war diese kontinuierlich abgesunken und betrug 1932 nur noch neun Personen

Sichtbares Relikt der ehem. Gemeinde ist heute das Begräbnisgelände (seit 2018 als ‚Bodendenkmal‘ ausgewiesen), das zu Beginn des 19.Jahrhunderts angelegt und neben verstorbenen Juden aus Mohrin auch Glaubensgenossen aus dem nahen Umland aufnahm. Während der NS-Zeit wurde das Areal verwüstet und im Laufe der Jahre „verschwanden“ die meisten Grabsteine. Erst in jüngster Vergangenheit wurde das Friedhofsgelände wieder in einen ansehbaren Zustand versetzt. Seit 2006 weist ein Gedenkstein mit einer dreisprachig abgefassten Inschrift auf den „Guten Ort“ hin.

Moryń – Jewish cemetery 03.jpg Zustand des Friedhofs in Moryń 2020

Jüdischer Friedhof in Moryn (Aufn. Julian Nyca, 2017, aus: commons.wikimedia. org CC BY-SA 4.0 und Anke Geißler-Grünberg, aus: uni-potsdam.de

 

 

Weitere Informationen:

Rudolf Schmidt, Zur Geschichte unserer heimischen jüdischen Gemeinden, Eberswalde 1929

Weil sie Juden waren” - Ausstellung anläßlich des 50.Jahrestages der Pogromnacht in der St. Georgs-Kapelle, 1988

Helmut Eschwege, Geschichte der Juden im Territorium der ehemaligen DDR, Dresden 1990, Band I, S. 446 - 450

Zeugnisse jüdischer Kultur - Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Tourist Verlag GmbH, Berlin 1992, S. 87 - 89

Ludwig Arendt, Zur Geschichte der Eberswalder Synagogengemeinde. Begleitheft zur Sonderausstellung “Schicksale jüdischer Bürger aus Eberswalde” im Stadt- und Kreismuseum, in: "Heimatkundliche Beiträge", Heft 2, Hrg. vom Stadt- und Kreismuseum Eberswalde, Berlin 1993

Salka Trieloff, Jüdische Bürger in Eberswalde, Eberswalde 1993

M.Brocke/E.Ruthenberg/K.U.Schulenburg, Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), in: "Veröffentlichungen aus dem Institut Kirche und Judentum", Hrg. Peter v.d.Osten-Sacken, Band 22, Berlin 1994, S. 315 – 318 und S. 531 - 533

Irene Diekmann/Julius H.Schoeps, Wegweiser durch das jüdische Brandenburg, Ed. Hentrich, Berlin 1996, S. 83 - 100

Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus - Eine Dokumentation II, Hrg. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1999, S. 258 f.

Arnold Kuchenbecker, Das Judentum in Messingwerk, in: "Eberswalder Jahrbuch für Heimat-, Kultur- und Naturgeschichte des Vereins für Heimatkunde zu Eberswalde e.V.", 2001/2002, S. 190 - 196

Wolfgang Weißleder, Der Gute Ort - Jüdische Friedhöfe im Land Brandenburg, hrg. vom Verein zur Förderung antimilitaristischer Traditionen in der Stadt Potsdam e.V., Potsdam 2002, S. 56/57

Horst Fleischer, Chronik von Oderberg, Druckhaus Eberswalde 2005, S. 62 – 64

Ulrich Knufinke, Bauwerke jüdischer Friedhöfe in Deutschland, in: "Schriftenreihe der Bet Tfila– Forschungsstelle für jüdische Architektur in Europa", Band 3, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2007, S. 271 – 273

Reinhard Schmook, Zum Umgang mit jüdischen Spuren im Oderbruch (Barnim – Lebus), in: "Transodra Online" (2007)

Judith Kessler (Red.), Jüdische Spuren in … Eberswalde, in: Beiträge jüdisches Berlin vom 1.11.2007, online abrufbar unter: jg-berlin.org

Ingrid Fischer, Eberswalde, in: Irene A. Diekmann (Hrg.), Jüdisches Brandenburg. Geschichte und Gegenwart, Beiträge zur Geschichte und Kultur der Juden in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Band 5, Berlin 2008, S. 52 - 84

Ellen Behring, Eberswalder Gedenkbuch für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus: 1938 – 2008. 70 Jahre nach der Pogromnacht, Angermünde 2008

Ellen Werner (Red.), Baum-Synagoge, Doppelhelix oder Pocket-Park, in: „MOZ - Märkische Oder-Zeitung“ vom 7.5.2010

Gerlinde Strohmaier-Wiederanders, Darstellungen von Juden an und in der St. Maria-Magdalenenkirche in Eberswalde, in: "Studien zur Kirche und Israel", NF 1, Festschrift anlässlich des 50.Geburtstages des Instituts Kirche und Judentum, Leipzig 2012, S. 401 – 420

Horst Hoheisel/Andreas Knitz (Bearb.), Denkmal an die ehemalige Synagoge in Eberswalde, online abrufbar unter: knitz.net

Sven Klamann (Red.), Festlicher Schlussakt für Baumsynagoge, in: „MOZ - Märkische Oder-Zeitung“ vom 9.11.2012

Christoph Villinger, Ein kleiner Wald als Mahnmal. Wo einst die Eberswalder Synagoge stand, erinnert eine neue Gedenkstätte an die Pogrome vom 9. November 1938, in: taz.de vom 7.11.2013

Stadt Eberswalde (Hrg.), Wachsen mit Erinnerung, in: "report - Magazin für das Stadtrzentrum Eberswalde", Jg. 20/No. 4 (Dez. 2013)

Wachsen mit Erinnerung“ - Baumsynagoge Eberswalde eingeweiht, bearb. vom Ministerium für Infrasstruktur und Landesplanung, in: brandenburg.de vom 5.2.2014

Ellen Werner (Red.), 13 neue Stolpersteine verlegt, in: „MOZ - Märkische Oder-Zeitung“ vom 28.4.2014

Stolpersteinverlegung in Eberswalde, online unter: eberswalde.de vom 17.11.2015

Matthias Wagner (Red.), Ein fast vergessener Ort, in: „MOZ – Märkische Oder-Zeitung“ vom 14.6.2016

Anke Geißler (Red.), Geschichte der jüdischen Gemeinde in Oderberg und der jüdische Friedhof, in: Universität Potsdam – Institut für jüdische Studien und Religionswissenschaft (Hrg.), Jüdische Friedhöfe in Brandenburg, online abrufbar unter: uni-potsdam.de/

Viola Petersson (Red.), Geschichtsforschung: Dem Vergessen entreißen, in: „MOZ - Märkische Oder-Zeitung" vom 18.7.2018

N.N. (Red.), Geschichte sichtbar machen, in: odf-tv.de/mediathek/31411/Geschichte_sichtbar_machen.html vom 13.11.2018 (betr. Verlegung von drei Stolpersteinen)

Viola Petersson (Red.), Spätes Gedenken. Geschichte sichtbar machen, in: „MOZ – Märkische Oder-Zeitung“ vom 5.3.2019

Anke Geißler-Grünberg (Bearb.), Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Zehden (Cedynia) in: Universität Potsdam – Institut für jüdische Studien und Religionswissenschaft (Hrg.), Jüdische Friedhöfe in Polen auf den Gebieten der ehemaligen Provinz Brandenburg, online abrufbar unter: uni-potsdam.de/ (2021)

Marieke Grenzebach (Bearb.), Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Mohrin (Moryn) und des Friedhofs, in: Universität Potsdam – Institut für jüdische Studien und Religionswissenschaft (Hrg.), Jüdische Friedhöfe in Polen auf den Gebieten der ehemaligen Provinz Brandenburg, online abrufbar unter: uni-potsdam.de/ (2021)

Michel Nowak – Antenne Brandenburg (Red.), Freiwillige Helfer erinnern mit Friedhof-Pflege an jüdisches Leben, in: rbb24.de vom 31.5.2021

Stephan Backert (Red.), Geschichte in Eberswalde. Ehrenamtlich auf den Spuren jüdischen Lebens – dafür gab es eine Auszeichnung, in: „MOZ – Märkische Oder-Zeitung“ vom 13.4.2023

Kathrin Hiller (Red.), Engagement der Bürgerschaft: Stolpersteine in Oderberg verlegt, in: Pressemitteilung Amt Britz-Chrorin-Oderberg vom 10.10.2023