Flatow (Westpreußen)

Mapa Złotów - plan miasta. Zobacz gdzie leży Złotów na mapie PolskiFlatow - nordöstlich von Schneidemühl gelegen - hatte um 1370 seine Stadtrechte erhalten. Landesherren waren zunächst polnische, später deutsche Adelsfamilien. Im Zuge der 1.Teilung Polens (1772) kam die Kleinstadt unter preußische Herrschaft. Mit Inkrafttreten des Versailler Vertrages (Jan. 1920) wurde der östliche Teil des Kreises Flatow mit den Städten Vandsburg, Zempelburg und Cammin i. Westpreußen - ohne Abstimmung - dem polnischen Staat zugeschlagen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Städtchen wieder polnisch, heißt seitdem Zlotów und besitzt derzeit ca. 18.000 Einwohner (Ausschnitte aus hist. Karten von 1890 bzw. 1914, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  bzw.  PD-alt-100 und Kartenskizze 'Polen' mit Zlotów markiert, aus: mapa.livecity.pl).

 

Erstmalig urkundlich erwähnt wurden Juden in Flatow im Jahre 1564; eine dauerhafte Niederlassung soll aber erst im 17.Jahrhundert erfolgt sein. Eine der Erwerbsquellen war der Handel mit dem nahen Kurfürstentum Brandenburg, dessen Herrscher einigen Flatower Juden sogar Pässe ausstellen ließ, damit sie ungestört Handel treiben konnten.

Während des Nordischen Krieges wurden einige Juden von polnischer Seite getötet; ihnen war vorgeworfen worden, mit dem schwedischen Feinde kooperiert zu haben. Ein Großfeuer zerstörte 1674 viele Behausungen, die aber in den Folgejahren wieder aufgebaut wurden; gleichzeitig errichtete man eine neue Synagoge und einen Friedhof. In der Stadt Flatow machte der jüdische Bevölkerungsanteil gegen Ende des 18.Jahrhunderts mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung aus; in den ersten Jahrzehnten des Folgejahrhunderts lag dieser immer noch bei ca. 25 - 30%. Die Wohnhäuser der Juden, die sog. „Judenplätze“, gehörten zum Schloss; die hier lebenden jüdischen Familien waren der hiesigen Grundherrschaft abgabenpflichtig. Die berufliche Struktur der in Flatow lebenden Juden zeigte gegen Ende des 18.Jahrhunderts folgendes Bild: Von insgesamt 227 Gewerbetreibenden waren mehr als zwei Drittel im Handelsgewerbe tätig, etwa jeder fünfte übte ein Handwerk aus, meist waren sie Schneider und Kürschner; es gab 23 (!) Schulmeister, darunter einen Rabbiner, u.a.

Zu Beginn des 19.Jahrhunderts wanderten vermehrt jüdische Familien aus Flatow ab. Lebten im Jahre 1806 noch ca. 220 jüdische Familien in der Kleinstadt, so waren es zu Beginn der 1830er Jahre nur noch knapp 100 Familien. Das lag zum einen an den Stadtbränden, die zu Beginn des 19.Jahrhunderts mehrfach in der Stadt wüteten und große Zerstörungen anrichteten. Vor allem die wohlhabenen jüdischen Familien siedelten in größere deutsche Städte über. Später verließen dann auch ärmere, im Hausierhandel tätige Familien die Region und wanderten zumeist in Städte des Ruhrreviers ab.

Obwohl die Zahl der Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Flatow in den 1860er Jahren bereits stark rückläufig war, errichtete man – als Ersatz für die baufällig gewordene alte Synagoge - noch Ende der 1870er Jahre am gleichen Standort einen Synagogenneubau, der allerdings für die Gemeinde viel zu groß war; das Gebäude auf dem Friedrichsplatz (= Krautmarkt) hob sich durch seine Farbgebung - verschiedenfarbige Ziegel - und durch romanisch-maurische Zierelemente deutlich von seiner Umgebung ab.

 

Synagoge im westpreußischen Flatow (hist. Postkarte bzw. hist. Aufnahme, aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Ab den 1820er Jahren besuchten die jüdischen Kinder die kommunalen Schulen.

Die Anlage eines Friedhofs auf einem Hügel nahe des Babbensee erfolgte im Laufe des 17.Jahrhunderts.

Juden in Flatow:

--- um 1675 ..................... ca. 100 jüdische Haushalte,

--- 1772 ............................ 915 Juden (ca. 52% d. Bevölk.),

--- 1783 ............................ 714   “  ,

--- 1788 ............................ 653   “  ,

--- 1806 ........................ ca. 220 jüdische Familien,

--- 1816 ............................ 412 Juden,

--- 1822 ............................ 512   “  ,*   *andere Angabe: 465 Pers.

--- 1826 ............................ 453   “  ,

--- 1830 ............................  92 jüdische Familien,

--- 1840 ............................ 464 Juden,

--- 1852 ............................ 648   “  ,

--- 1861 ............................ 634   “  (ca. 20% d. Bevölk.),

--- 1871 ............................ 418   “  (ca. 9% d. Bevölk.),

--- 1888 ............................ 440   “  ,

--- 1895 ............................ 381   “  (ca. 9% d. Bevölk.)

--- 1910 ............................ 335   “  ,*   *andere Angabe: 204 Pers.

--- 1925 ............................ 211   "  ,

--- 1930/33 ..................... ca. 190   “  ,

            ..................... ca. 450   "  ,**  ** im Landkreis Flatow

--- 1939 ............................  83   "  ,**

--- 1940 (Dez.) .....................  keine.

Angaben aus: Max Aschkewitz, Zur Geschichte der Juden in Westpreußen, S. 24

und                 Gerhard Salinger, Zur Erinnerung und zum Gedenken. Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens, Teilband 2, S. 378 - 415

Bildergebnis für Flatow historisch Schulstraße in Flatow, um 1910 (Abb. aus: oldthing.de)

 

Anfang der 1930er Jahre wohnten noch knapp 200 Juden im Ort, die mehrheitlich im Handelsbereich tätig waren.

Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus verstärkte sich der schon längere Zeit latent schwelende Antisemitismus in Flatow. Nach den Boykotttagen von 1933 verließen weitere jüdische Familien die Stadt und verzogen vor allem in die Reichshauptstadt Berlin. Während des Novemberpogroms wurden die noch in Flatow bestehenden Geschäfte jüdischer Eigentümer demoliert, das Synagogengebäude zerstört und die männlichen Juden ins KZ Sachsenhausen überstellt. Die jüdische Geschichte Flatows endete im Frühjahr 1940, als die noch in der Stadt befindlichen Juden in ein Internierungslager nahe Schneidemühl verbracht wurden; von hier aus wurden sie wenig später in die Ghettos und Vernichtungslager deportiert.

Mindestens ca. 550 jüdische Bewohner aus dem gesamten Landkreis Flatow wurden Opfer der NS-Gewaltherrschaft; das Schicksal ungezählter anderer ist bis heute ungeklärt.

 

Das Gräberfeld des jüdischen Friedhofs wurde während der NS-Zeit und in den Jahren danach vollkommen zerstört, Grabsteine entfernt und beim Wegebau zweckentfremdet. Auf dem Gelände des ehem. jüdischen Friedhof erinnert seit 2002 ein Mahnmal mit Grabsteinfragmenten an die einstige Begräbnisstätte; eine in drei Sprachen abgefasste Inschrift ist auf einer Steinplatte vor dem Mahnmal angebracht; die deutsche Version lautet: "Zum ewigen Angedenken. Dieser Hügel ist aus Steinen längst verfallener Gräber errichtet, um die Ehre der Dahingeschiedenen, denen sie als Denkmal gesetzt wurden, zu wahren“.

Mahnmal auf dem Friedhof (Aufn. Bartek Wawraszko, 2005 und Antek Bojar, 2009 aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Der ehemalige Standort der Synagoge am Krautmarkt ist seit 2003 durch eine farbige Pflasterung und eine in den Boden eingelassene dreisprachige Inschriftentafel gekennzeichnet.

Hier stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde.

Sie wurde im November 1938 zerstört.

 

Ein bekannter Sohn der jüdischen Gemeinde Flatow war Arthur Cohn (geb. 1862 als Sohn des dortigen Rabbiners), der später erster hauptamtlicher Rabbiner der Israelitischen Gemeinde Basel von 1885 bis 1926 war. Nach Besuch des Rabbiner-Seminars in Berlin und seiner Promotion wirkte Dr. Arthur Cohn zunächst in verschiedenen Schweizer Gemeinden und prägte durch sein Festhalten am orthodoxen Judentum die Entwicklungen dort. Nach zunächst Eintreten für die Ideen des Zionismus wandte er sich aber bald davon ab, da er dessen mangelnde religiöse Ausrichtung kritisierte. Vielmehr engagierte er sich fortan an führender Stelle bei der Gründung der orthodoxen Organisation „Agudat Israel“ (1912 gegründet in Kattowitz). Dr. Arthur Cohn starb 1926 in Basel.

 

 

 

In Dobrin (poln. Debrzno-Wieś), einem Marktflecken im Kreise Flatow, lebte eine größere Anzahl jüdischer Familien. Um 1775 waren es immerhin ca. 180 Personen, die der Gutsherrschaft unterstanden und von dieser gegen königliche Ausweisungsdekrete in Schutz genommen wurde. Allerdings wurde die königliche Order schließlich doch durchgesetzt. „Da es nun einmal nicht sein soll und auf dem Lande keine Juden sein sollen … denn die Juden kultivieren nicht das Land, sondern treiben Kommerze und das gehöret in die Städte, auf dem Lande soll kein Kommerze, sondern Ackerbau getrieben werden, sonsten ist das eine verkehrte Wirtschaft. ...“ Alle Juden mussten Ende der 1790er Jahre das Dorf Dobrin verlassen.

An die jüdische Geschichte von Dobrin und des Nachbardorfes Linde erinnert heute noch ein Friedhof mit etwa 20 Grabsteinen; der älteste Stein datiert von 1715.

alter Grabstein (Aufn. M., 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Im Dorfe Vandsburg (poln. Wiecbork, derzeit ca. 6.000 Einw.), ca. 30 Kilometer östlich von Flatow, wurden mit Unterstützung der örtlichen Herrschaft gegen Mitte des 16.Jahrhunderts Juden ansässig. Auf Grund von Kriegswirren vor und nach 1700 hatten die meisten jüdischen Familien den Ort verlassen; einige Jahrzehnte später kamen dann erneut Juden nach Vandsburg; es waren meist arme Familien, die aus anderen Orten vertrieben worden waren. Nach abermaliger Vertreibung aus Vandsburg (nach 1785) bildete sich nach 1815 aus zugezogenen Familien umliegender Landstädte eine selbstständige Gemeinde heraus, die vier Jahrzehnte später mit mehr als 300 Angehörigen ihren zahlenmäßigen Höchststand erreichte. Zu den gemeindlichen Institutionen gehörten ein Friedhof (westlich des Ortes) und ein recht ansehnliches Synagogengebäude.

                          Hauptplatz mit Synagoge (Federzeichnung)

Juden in Vandsburg:

    --- um 1675 ................... ca.   5 jüdische Haushalte,

    --- 1816 ..........................  64 Juden,

    --- 1822 ..........................  97   “  ,

    --- 1849 .......................... 254   “   (ca. 16% d. Bevölk.),

    --- 1858 .......................... 310   “  ,

    --- 1871 .......................... 293   “   (ca. 19% d. Bevölk.),

    --- 1885 .......................... 202   “  ,

    --- 1910 .......................... 157   “   (ca. 5% d. Bevölk.),

    --- 1923 ...................... ca.  60   “  ,

    --- 1939 ..........................  15   “  .

Angaben aus: Wiecbork, in: sztetl.org.pl

Wie in den meisten Landstädten der Region setzte ab den 1880er Jahren eine Abwanderung ein. Ein zweiter Abwanderungsschub – vor allem wohlhabenderer Familie – erfolgte nach Ende des Ersten Weltkrieges ins Innere Deutschlands, als das Gebiet dem polnischen Staat angegliedert wurde. Die wenigen verbliebenen Juden waren Anfang/Mitte der 1930er Jahre mit antisemitischen Gewalttätigkeiten hiesiger Einwohner konfrontiert. Die zu Kriegsbeginn noch hier lebenden jüdischen Bewohner wurden alsbald deportiert. 

vgl. Vandsburg (Posen)

 

 

 

Weitere Informationen:

Otto Goerke, Der Kreis Flatow. In geographischer, naturkundlicher und geschichtlicher Beziehung, Thorn 1918

Max Aschkewitz, Der Anteil der Juden am wirtschaftlichen Leben Westpreußens um die Mitte des 19.Jahrhunderts, in: "Zeitschrift für Ostforschung", No.11/1962, S. 482 ff.

Max Aschkewitz, Zur Geschichte der Juden in Westpreußen, in: "Wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Ost-Mitteleuropas", hrg. vom Johann Gottfried Herder-Institut No. 81, Marburg 1967

Wolfgang Bahr, Die jüdische Gemeinde in Flatow, in: "Neues Schlochauer und Flatower Kreisblatt 1967"

Harold Hammer-Schenk, Synagogen in Deutschland. Geschichte einer Baugattung im 19. u. 20.Jahrhundert, Hans Christians Verlag, Hamburg 1981, Teil 1, S. 327 und Teil 2, Abb. 249

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 384

Gerhard Salinger, Zur Erinnerung und zum Gedenken. Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens, Teilband 2, New York 2009, S. 378 – 415 (Flatow) und S. 416 – 419 (Dobrin)

Joachim Zdrenka, Ofiary onozów koncentracyjnych z powiatu zlotowskiego – KZ-Opfer aus dem Landkreis Flatow, Zlotów 2012

Joachim Zdrenka, Zydzi powiatu Złotowskiego (1859-)1874 – 1945 - Juden des Landkreises Flatow (1859-)1874 - 1945, Złotów 2013

Joachim Zdrenka (Red.), Prawda o zlotowskiej synagodze (Die Wahrheit über die Synagoge in Zlotów), online abrufbar unter: zlotowskie.pl/artykul/prawda-o-zlotowskiej-synagodze/491852 (von 2013)

K. Bielawski (Red.), Zlotów, in: kirkuty.xip.pl (betr. jüdischer Friedhof)