Fordon (Posen)

Bildergebnis für fordon kreis brombergFeil:Bydgoszcz Mapa.png Fordon a.d.Weichsel (poln. Fordon) ist seit 1973 in Bromberg/Bydgoszcz eingemeindet und heute der größte Stadtteil von Bydgoszcz (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: europe1900.eu und Kartenskizze 'Polen' mit Fordon/Bydgoszcz rot markiert, K. 2006, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

In der ersten Hälfte des 19.Jahrhundert verzeichnete die jüdische Gemeinde in Fordon ihren personellen Höchststand und stellte damals zeitweise bis zu 70% (!) der Dorfbevölkerung.

Seit wann Juden in der Siedlung Fordon gelebt haben, kann nicht eindeutig belegt werden; als gesichert gilt, dass sich gegen Mitte des 16.Jahrhunderts aus Bromberg ausgewiesene jüdische Familien in Fordon niederließen. Die Ortschaft und das Umland waren wirtschaftlich wenig anziehend; die unfruchtbaren Böden ließen kaum Landwirtschaft zu und nur die Nutzung des Waldes erlaubte ein kärgliches Leben. Der Ort Fordon selbst hatte keine schützende Mauer und stand somit möglichen Überfällen offen. Da von keiner Seite Einwendungen gegen jüdische Ansiedlung in diesem wenig attraktiven Orte bestanden, zogen besonders ärmere jüdische Familien zu; bis ins 19.Jahrhundert hinein blieb Fordon ein „Judenwohnort“; zeitweilig war fast die gesamte Bevölkerung jüdisch. Besonders die aus Bromberg vertriebenen Juden ließen sich hier nieder. Sie durften aber weiterhin tagsüber in Bromberg Handel treiben, was dazu führte, dass diese Juden zu den wohlhabenden in der Gemeinde zählten. Vor der preußischen Inbesitznahme machten die Juden in Fordon den größten Teil der Einwohnerschaft aus. Durch ein königliches Ausweisungsdekret war ihre Zahl schon erheblich gemindert worden.

Nach dem großen Stadtbrand von 1825 errichteten die Fordoner Juden eine neue Synagoge; der Bau gehörte zu den größten und schönsten Gebäuden des Ortes. Neben 500 Männerplätzen besaß der neue Synagogenbau etwa 250 Frauensitze; trotzdem reichte er für die Gemeindemitglieder nicht aus. Die in Innungen zusammengeschlossenen jüdischen Handwerker besaßen noch eigene Betlokale.

                                             Synagoge in Fordon (erstellt 1832)

Aus der Talmud-Schule in Fordon gingen bedeutende Rabbiner hervor; die Jeschiwa bestand bis in die 1840er Jahre.

Eine eigene jüdische Schule - zuvor wurden christliche und jüdische Kinder gemeinsam unterrichtet - bestand in Fordon seit Ende der 1830er Jahre; sie lag ganz in der Nähe der Synagoge und war als dreiklassige Schule eingerichtet und versorgte etwa 300 Kinder. In den 1920er Jahren wurde diese Schule geschlossen.

Seit der Mitte des 17.Jahrhunderts verfügte die hiesige Judenschaft über ein Friedhofsgelände, das gegen eine jährliche Abgabe genutzt werden konnte.

Juden in Fordon:

         --- 1765 ..................... ca.   400 Juden,

--- 1773 .........................   590   “  ,

    --- 1783 ..................... ca.   450   "  ,

    --- 1816 ......................... 1.097   “  (ca. 62% d. Bevölk.),

    --- um 1840 .................. ca. 1.400   “  (ca. 70% d. Bevölk.),

    --- 1849 ......................... 1.057   “  ,

    --- 1861 .........................   752   “  (ca. 42% d. Bevölk.),

    --- 1871 ..................... ca.   400   “  ,

    --- 1886 .........................   335   “  (ca. 17% d. Bevölk.),

    --- 1903 .........................   202   “  ,

    --- 1905 .........................   256   “  ,

    --- 1930 .........................    ?    “  .

Angaben aus: Heppner/J.Herzberg, Aus Vergangenheit und Gegenwart der Juden und ..., S. 395/396

 

In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts verließen viele, in ärmlichen Verhältnissen lebende Fordoner Juden ihren Heimatort und emigrierten nach Nordamerika; nach 1850 waren es auch deutsche Städte, vor allem Bromberg, die auf wohlhabendere Fordoner Juden anziehend wirkten.

 Alt-Fordon in den 1920er Jahren (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges lebten in Fordon nur noch wenige jüdische Familien; sie wurden kurz nach der Okkupation nahe der Ortschaft erschossen.

 

Das Synagogengebäude in Fordon, das nach mehreren Umbauten bis in die 1980er Jahre als Kino genutzt wurde und danach dem Verfall preisgegeben war, sollte erhalten werden; dafür setzte sich die Kulturstiftung „Fundacja Kultury Yakiza“ ein. Das seit 2004 im Besitz der jüdischen Stiftung stehende marode Gebäude konnte dann - mit hohen finanziellen Kosten - restauriert werden. Eigentümerin des Gebäudes ist seit kurzem die Universität Kasimir-dem-Großen-Stiftung, die nun das Haus für kulturelle Veranstaltungen nutzt.

   Synagoga w Fordonie 08-2012 a.jpg

Synagogengebäude (Aufn. Nowakowski, um 2005, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 2.0 und Pit 2012, aus: wikipedia.org, CCO)

Vom ehemaligen jüdischen Friedhof haben sich nur Grabsteinrelikte erhalten.

Cmentarz żydowski Bydgoszcz Fordon http://www.kirkuty.xip.pl/images/kirkutfordon/fordon5.jpg

Steinrelikte mit hebräischen Schriftzeichen (Aufn. aus: kirkuty.xip.pl)

vgl. dazu: Bromberg (Posen)

 

 

Weitere Informationen:

Otto Rutzen, Die Synagogengemeinde Fordon (Anm. kurzer Text in der Stadtchronik von Bromberg)

A.Heppner/J.Herzberg, Aus Vergangenheit und Gegenwart der Juden und der jüdischen Gemeinden in den Posener Landen, Koschmin - Bromberg 1909, S. 387 - 396

Sophia Kemlein, Die Emanzipation der Juden im Großherzogtum Posen 1815 - 1848, Magisterarbeit an der Christian-Albrechts-Universität Kiel 1987, S. 37 f.

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 389

Fordon (Dzielnica Bydgoszczy), in: sztetl.org.pl

K.Bielawski (Bearb.), Fordon, in: kirkuty.xip.pl