Framersheim (Rheinland-Pfalz)
Der Ort Framersheim mit seinen derzeit ca. 1.600 Einwohnern gehört heute zur Verbandsgemeinde Alzey-Land (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Framersheim, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Alzey-Worms', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Ab der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts ist jüdische Ansiedlung im rheinhessischen Framersheim urkundlich belegt; die wenigen Juden standen unter dem Schutz der Grafen von Falkenstein, der sich von der Ansiedlung jüdischer Familien eine wirtschaftliche Wiederbelebung ihres durch den Dreißigjährigen Krieg entvölkerten Landes versprachen.
Gottesdienstliche Zusammenkünfte fanden in der Synagoge am Marktplatz statt, die um 1840 bereits bestanden haben muss.
1839 wurde eine neue Synagogenordnung erlassen; Anlass dafür soll "das ordnungswidrige und den Gottesdienst störende Betragen einzelner Israeliten in der Synagoge zu Framersheim" gewesen sein. Hier hieß es u.a.: „ Art. 1 Jeder erwachsene Israelit, welcher Anspruch auf die Verlesung eines Abschnitts in der Thora machen will, muß mit Rock und Hut bekleidet in der Synagoge erscheinen und hierbei seinen Gebetsmantel tragen.“ Die weiteren sechs Artikel bezogen sich zumeist das angemessene Verhalten während des Gottesdienstes.
Religiös-rituelle Aufgaben der Gemeinde besorgte im 19. und zu Beginn des 20.Jahrhunderts ein angestellter Lehrer. Spätestens in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg wurde Religionsunterricht dann von auswärts kommenden Lehrern.
Stellenanzeige in der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 31.7.1902
Die jüdischen Kinder besuchten in Framersheim die kommunale Volksschule; Religionsunterricht wurde separat erteilt.
Seit Anfang des 19.Jahrhunderts gab es in Framersheim auch einen jüdischen Friedhof, der aber zunächst nicht der Kultusgemeinde gehörte. Im Jahre 1887 wurde das Areal des ‚neuen’ Friedhofs in der Mainzer Straße erweitert. Anfang der 1940er Jahre wurde der alte Friedhof eingeebnet.
Die jüdische Gemeinde Framersheim gehörte zum Rabbinatsbezirk Alzey.
Juden in Framersheim:
--- 1806 ........................ 6 jüdische Familien (ca. 40 Pers.),
--- 1817 ........................ 12 “ “ ,
--- 1824 ........................ 68 Juden,
--- 1830 ........................ 80 “ ,
--- 1861 ........................ 105 “ (ca. 7% d. Bevölk.),
--- 1880 ........................ 72 " (ca. 5% d. Bevölk.)
--- 1900 ........................ 58 “ ,
--- 1910 ........................ 45 " (ca. 3% d. Bevölk.)
--- 1932/33 ................. ca. 30 “ ,
--- 1938 ........................ 29 “ ,
--- 1939 (Dez.) ................. ein " ().
Angaben aus: Paul Arnsberg, Die Jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 187
Die zu Beginn des 19.Jahrhunderts in Framersheim lebenden Juden verdienten ihren Lebensunterhalt fast ausschließlich im Hausierhandel. Wirtschaftsgrundlage der um 1900 in Framersheim lebenden jüdischen Familien war dann vor allem der Viehhandel, einige betrieben Landwirtschaft, wieder andere waren Kleinkaufleute. Auf Grund des Rückgangs der Gemeindemitglieder fanden Gottesdienste in Framersheim nur noch unregelmäßig bis Anfang der 1920er Jahre statt; ansonsten suchte man die Synagoge in Alzey auf. Trotzdem wurde die Framersheimer Synagoge noch im Jahre 1935 renoviert.
Während der „Kristallnacht“ wurde das Synagogengebäude in Brand gesetzt und zerstört, die jüdischen Dorfbewohner ins Rathaus abgeführt, nach Mainz gefahren und dort am Mainufer ausgesetzt. Ihre Wohnungen wurden - unter Teilnahme etlicher Dörfler - verwüstet und ausgeplündert. Auch das hiesige Friedhofsgelände wurde geschändet.
J-Kennkarten von zwei gebürtigen Framersheimer Juden (ausgestellt in Mainz 1939)
Einigen jüdischen Bewohnern gelang die Emigration; andere zogen nach Mainz, von wo die meisten später deportiert wurden.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." fanden 18 gebürtige bzw. längere Zeit in Framersheim wohnhaft gewesene Juden den Tod in den Konzentrations- und Vernichtungslagern (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/framersheim_synagoge.htm).
1948 fand in Alzey ein Prozess statt, in dem sich 23 aus Framersheim stammende Personen wegen ihrer Beteiligung an den Ausschreitungen während der „Kristallnacht“ zu verantworten hatten; 15 Angeklagte wurden zu Haftstrafen bis zu vier Jahren verurteilt, die übrigen freigesprochen.
Vom einstigen Synagogengebäude sind heute keine baulichen Überreste mehr vorhanden.
Während der ältere Teil des jüdischen Friedhofs Anfang der 1940er Jahre eingeebnet wurde, blieb der jüngere Teil mit ca. 30 Grabsteinen erhalten.
Eingangstor zum jüdischen Friedhof (Aufn. J. Hahn, 2005) und Grabstätten (Aufn. M. Ohmsen, 2013, in: alemannia-judaica.de)
Weitere Informationen:
Paul Arnsberg, Die Jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 187/188
Franz Zink, Die Chronik der Gemeinde Framersheim (Kapitel 10: Die Jüdische Gemeinde), Framersheim/Rhh, o.J., S. 217 - 232
Dieter Hoffmann, “ ... wir sind doch Deutsche” . Zu Geschichte und Schicksal der Landjuden in Rheinhessen, Hrg. Stadt Alzey, Alzey 1992, S. 44 und S. 260/261
Dieter Hoffmann, Die Verfolgung und Vernichtung der rheinhessischen Juden am Beispiel der Landbevölkerung, in: H.-G.Meyer/H.Berkessel (Hrg.), Die Zeit des Nationalsozialismus in Rheinland-Pfalz, Band 1: “Eine nationalsozialistische Revolution ist eine gründliche Angelegenheit !”, Verlag Hermann Schmidt Mainz 2000, S. 120 f.
Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels“ Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 152
Framersheim, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Dieter Hoffman, Der äußere Anstand in Gefahr. Die Framersheimer Synagogenordnung von 1839, in: "Heimatjahrbuch Landkreis Alzey-Worms 2008", S. 113 - 115