Frankenau (Hessen)

Landkreis Frankenberg - WikiwandDatei:Frankenau in KB.svg Frankenau ist eine Kommune mit derzeit ca. 3.500 Einwohnern im hessischen Landkreis Waldeck-Frankenberg - ca. 40 Kilometer nördlich von Marburg bzw. wenige Kilometer östlich von Frankenberg gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Waldeck-Frankenberg', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Ab der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts ist jüdische Ansiedlung in Frankenau urkundlich belegt; die wenigen Juden waren Viehhändler bzw. Krämer und standen unter dem Schutz der hessischen landgräflichen Regierung.

Ein Schutzbrief für einen Juden aus Frankenau aus dem Jahre 1678: 

           

Der erste Hinweis über die Existenz eines Betraums stammt aus dem Jahre 1835; der Betraum fiel im April 1865 einem Stadtbrand zum Opfer, was den Anlass bot, ein eigenes Synagogengebäude zu errichten. Dieses wurde 1867 fertiggestellt und stand neben der Kirche; dessen Finanzierung hatte eine in den oberhessischen Gemeinden durchgeführte Kollekte gesichert.

            Synagoge in Frankenau (Zeichnung Johannes Scheerer)

Für religiöse Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein jüdischer Lehrer angestellt, der neben der Unterweisung der Kinder auch als Vorbeter und Schächter tätig war.

       Stellenangebot aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 12.Okt. 1899 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20151/Breidenbach%20israelit%2012101899.jpg

Die jüdischen Kinder Frankenaus besuchten bis 1874 die christliche Ortsschule; danach stand ihnen eine eigene Elementarschule zur Verfügung, die bereits erstmals 1898 und endgültig 1924 ihre Pforten schließen musste, da die Zahl der Schüler stark rückläufig war.

Der Frankenauer Judenfriedhof südöstlich der Ortschaft - einer der ältesten der Region - wurde vermutlich nach 1650 angelegt; auf ihm fanden auch Verstorbene aus Vöhl, Altenlotheim und bis 1868 auch aus Frankenberg ihre letzte Ruhe.

Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Oberhessen mit Sitz in Marburg.

Juden in Frankenau:

         --- 1664 .........................   3 jüdische Familien,

    --- 1785 .........................   7     “       “    ,

    --- 1824 .........................   6     “       “    ,

    --- 1837 .........................  34 Juden (in 7 Familien),

    --- 1861 .........................  40   “   (ca. 4% d. Bevölk.),

    --- 1871 .........................  61   “  ,

    --- 1885 .........................  54   “  ,

    --- 1905 .........................  70   “   (in 16 Familien),

    --- 1924 .........................  49   "  ,

    --- 1933 .........................  65   “   (in 14 Familien),

    --- 1939 (April) .................  keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 189

und                 Heinz Brandt, Die Judengemeinde Frankenau zwischen 1660 und 1940

 

Die Frankenauer Juden bestritten ihren Lebensunterhalt bis ins beginnende 19.Jahrhundert vom Hausierhandel, danach mehrheitlich vom Handel mit Vieh und Ellenwaren. Nur wenigen Familien gelang der Aufstieg in die bürgerliche Mittelschicht; die Familie Isaak Katzenstein betrieb in Frankenau einen Ledergroßhandel und war die wohlhabendste und einflussreichste am Ort; die Firma war auch im Ausland geschäftlich tätig. Wenige Wochen nach der NS-Machtübernahme wurden die ersten jüdischen Männer wegen „Verdachts hochverräterischer Umtriebe“ inhaftiert. In den folgenden Jahren wanderte ein Teil der Frankenauer Juden nach Nordamerika aus, ein anderer Teil zog in andere hessische Städte. Bereits im Herbst 1938 waren 13 der insgesamt 14 Häuser bzw. Geschäfte jüdischer Familien „arisiert“. Das Synagogengrundstück mit dem inzwischen maroden Gebäude war 1938 an einen Einheimischen veräußert worden. In einem Möbelstück versteckt, hatten 1938 jüdische Frankenauer Bürger auf der Flucht vor dem NS-Regime zwei Thorarollen aus der Frankenauer Synagoge in die USA geschmuggelt. (Anm.: Salomon Katzenstein schenkte sie Jahre später - zur Erinnerung an seine im Holocaust umgekommenen Angehörigen - der jüdischen Gemeinde in Queens/New York.)

Seit April 1939 war Frankenau „judenrein“; damit endete die 300jährige Geschichte der Juden in dem Dorf.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...wurden elf aus Frankenau stammende jüdische Bürger Opfer der „Endlösung(namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/frankenau_synagoge.htm).

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20252/Frankenau%20Denkmal%20476.jpg Anlässlich der 750-Jahr-Feier der Verleihung der Stadtrechte (1992) wurde ein Gedenkstein nahe der Evangelischen Kirche errichtet, der an das 1949 abgerissene ehemalige Synagogengebäude und die vertriebenen u. ermordeten jüdischen Einwohner erinnert (Aufn. J. Hahn, 2010).

Der südöstlich des Ortes oberhalb der Wildunger Straße liegende jüdische Friedhof weist auf einer Fläche von ca.1.400 m² derzeit noch etliche Grabsteine auf.

 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20252/Frankenau%20Friedhof%20476.jpgTeilansicht des jüdischen Friedhofs in Frankenau (Aufn. J. Hahn, 2010)

 

Im benachbarten Orte Frankenberg existierte auch eine jüdische Gemeinde.

[vgl. Frankenberg (Hessen)]

 

 

 

In Altenlotheim - einem Dorfe wenige Kilometer nördlich von Frankenau - gab es eine kleine israelitische Kultusgemeinde, der in den ersten Jahrzehnten des 19.Jahrhunderts mehr als 50 Personen angehörten. Ihre Wurzeln liegen in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. In einem Privathause war der Betsaal untergebracht. Ab 1868 gab es am Ort eine jüdische Elementarschule, die bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges bestanden hat. Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof in Frankenau bestattet; gegen Ende des 19.Jahrhunderts stand am Ort ein eigenes kleinflächiges Begräbnisgelände an der Straße „Am Mühlenbach“ zur Verfügung. Anfang der 1930er Jahre lebten noch etwa 25 jüdische Bewohner im Dorfe; die meisten verließen innerhalb kürzester Zeit ihre Wohnsitze; die letzten vier verbliebenen wurden 1941 deportiert

[vgl. Altenlotheim (Hessen)]

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die Jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag,Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 36/37 (Altenlotheim) und S. 188/189 (Frankenau)

Heinz Brandt, Die Judengemeinde Frankenau zwischen 1660 und 1940. Aus dem Leben jüdischer Landmenschen, in: "Frankenberger Hefte", No.1/1992, Hrg. Zweigverein Frankenberg des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde

Gerhard Keute, Verzeichnis der nach 1933 in Frankenau wohnhaften jüdischen Familien, Hrg. Kirchenvorstand der evangelischen Gemeinde, Zur 750-Jahrfeier der Stadt Frankenau, S. 27 ff.

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 34

Synagoge nach dem großen Stadtbrand gebaut, in: "Frankenberger Zeitung" vom 2.8.2002

Walter Zarges, Juden in Altenlotheim, in: Chronik – 750 Jahre Altenlotheim (1254 – 2004), Korbach 2004

Frankenau, in: alemannia-judaica.de (mit einigen, meist personenbezogenen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Altenlotheim, in: alemannia-judaica.de

Arbeitskreis Jüdisches Leben in Waldeck-Frankenberg (Hrg.), Erinnerung an jüdisches Leben in Waldeck-Frankenberg, online abrufbar unter: synagoge-voehl.de/images/pdf/brosch_lk/Judische_Orte_im_Landkreis_Doppelseiten.pdf (Frankenau S. 35 f.)