Freudenberg/Main (Baden-Württemberg)
Freudenberg ist eine Kommune mit derzeit ca. 4.000 Einwohnern - gelegen zwischen Frankfurt/M. und Würzburg im fränkisch geprägten Nordosten Baden-Württembergs (Kartenskizze 'Main-Tauber-Kreis', F. Paul 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
Im 1333 mit Stadtrechten versehenen Ort Freudenberg siedelten sich bereits im hohen Mittelalter Juden an; im Gefolge der sog. „Rindfleisch-Verfolgungen“ von 1298 sollen die wenigen jüdischen Bewohner ermordet bzw. vertrieben worden sein. Weitere Belege für jüdische Anwesenheit im Orte stammen aus den Jahren 1442 und 1571; bei letzterem handelte es sich um eine gegen die Juden gerichtete Beschwerde des hiesigen Pfarrers.
Die Entstehung einer neuzeitlichen Gemeinde in Freudenberg geht in die zweite Hälfte des 17.Jahrhunderts zurück, als die Grafen von Löwenstein-Wertheim-Freudenberg jüdischen Familien eine Ansiedlung ermöglicht hatten. Ein erster Betraum existierte vermutlich seit den ersten Jahrzehnten des 18.Jahrhunderts. Die im Jahre 1891 bei einem Brand völlig zerstörte Synagoge an der Maingasse/Hauptstraße wurde Jahre später an gleicher Stelle ersetzt; im Obergeschoss eines neuerbauten Gebäudes richtete man den Betraum ein. Auch der Religionsunterricht für die jüdischen Kinder fand im gleichen Hause statt.
Skizze der Synagoge (erstellt von H. Wiessler, 1891)
Die neuerbaute Synagoge wurde offenbar nur wenige Jahre genutzt; denn auf Grund der zurückgehenden Zahl der Gemeindeglieder konnte man keinen jüdischen Lehrer/Vorsänger mehr anstellen; der letzte hat Freudenberg wohl um 1895 verlassen.
Anzeigen im "Großherzoglich Badischen Anzeige-Blatt für den See-Kreis" vom 2.Aug. 1851 und in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23.Mai 1884
Verstorbene Gemeindeangehörige wurden auf dem jüdischen Friedhof in Wertheim begraben. Es soll aber auch der bayrische Bezirksfriedhof (Collenberg)-Fechenbach, der zuvor der um 1850 aufgelösten Gemeinde Reistenhausen gehörte, genutzt worden sein.
Die Gemeinde Freudenberg gehörte seit 1827 dem Rabbinatsbezirk Wertheim an.
Juden in Freudenberg:
--- um 1655 ....................... 2 jüdische Familien,
--- um 1700 ....................... 4 “ “ ,
--- um 1750 ....................... 4 “ “ ,
--- 1800 .......................... 39 Juden (ca. 3% d. Bevölk.),
--- 1825 .......................... 64 “ (ca. 4% d. Bevölk.),
--- 1840 .......................... 61 “ ,
--- 1864/65 ....................... 81 “ ,
--- 1880 .......................... 77 “ ,
--- 1900 .......................... 35 “ ,
--- 1910 .......................... 18 “ (ca. 1% d. Bevölk.),
--- 1925 .......................... 13 “ ,
--- 1933 .......................... 15 “ ,
--- 1940 (Sept.) .................. 8 “ ,
(Nov.) ................... keine.
Angaben aus: F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, ..., S. 96
Freudenberg a.M., Postkarte um 1910 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Zu Beginn der 1930er Jahre führten drei jüdische Familien Textilwarengeschäfte am Ort. Emigration aus Freudenberg hat es während der NS-Zeit nicht gegeben. Der Synagogenraum wurde während des Novemberpogroms von SA-Angehörigen - auch aus Wertheim - demoliert, die Trümmer warfen sie aus den Fenstern und brachten diese auf die Müllhalde; das Gebäude blieb in seiner Bausubstanz erhalten. Eine Thorarolle wurde in Sicherheit gebracht und gelangte schließlich um 1980 nach Israel; dort dient sie seitdem in der Synagoge Kedumin wieder ihren Zwecken. Teile einer zweiten Thorarolle aus Freudenberg befinden sich heute als Leihgabe in der ehemaligen Synagoge Wenkheim.
Die bis 1940 hier lebenden acht jüdischen Bewohner wurden Ende Oktober 1940 nach Gurs deportiert.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind nachweislich 26 gebürtige bzw. längere Zeit in Freudenberg ansässig gewesene jüdische Bürger Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/freudenberg_synagoge.htm).
Das ehemalige Synagogengebäude gelangte Anfang der 1950er Jahre in kommunalen Besitz; danach wurde es an einen Privatmann veräußert, der es zu Wohnzwecken umbauen ließ. Ansonsten erinnert heute nichts mehr an die ehemalige jüdische Gemeinde.
Die Thorarolle aus der jüdischen Gemeinde Freudenberg befindet sich in Israel (Abb. aus der Zeitschrift "Spessart" Heft 11/1992).
Schüler der 9. Klasse der Freudenberger Grund- und Werkrealschule (Lindtalschule) schufen 2012 im Rahmen eines landesweiten Projektes zwei Mahnmale zur Erinnerung an die Deportation der Freudenberger Juden; während ein Mahnmal 2012 in der zentralen Gedenkstätte in Neckarzimmern aufgestellt wurde, hat das zweite in der Zollgasse Freudenbergs seinen Platz gefunden (Aufn. aus: mahnmal-neckarzimmern.de).
Namenstafel der verfolgten/ermordeten Juden aus Freudenberg (Abb. Granpar 2021, aus: commons.wikimedia.org, CC BY 3.0)
Weitere Informationen:
Eugen Mai, Geschichte der Stadt Freudenberg am Main, Freudenberg 1908, S. 334 f. (Reprint 1985)
F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, in: Veröffentlichungen der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, Band 19, Kohlhammer-Verlag, Stuttgart 1968, S. 95/96
Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 341/342
Helmuth Lauf, Das Schicksal jüdischer Gemeinden im Main-Spessart-Tauber-Gebiet. Die Kette von Verfolgung und Mord begann 1298 und endete 1945. Beispiele aus der Stadt Freudenberg und andere Beiträge, in: "Monatszeitschrift ‘Spessart’" 11/1992, S. 3 - 23
Freudenberg/Main, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 132/133
Joachim Maier, Die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aus Freudenberg am Main. Ein Gedenkbuch, hrg. von der Stadt Freudenberg am Main, verlag regionalkultur 2014
Heinz Linduschka (Red.), “Den Opfern die Ehre, den Tätern die Stirn“, in: Zeitschrift "SPESSART“, Heft 3/2015, S. 3 ff.