Gambach (Hessen)
Gambach ist mit derzeit ca. 3.200 Einwohnern der größte Ortsteil von Münzenberg im Nordwesten des Wetterauskreises – unweit von Butzbach bzw. ca. 20 Kilometer südlich von Gießen gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte ohne Eintrag von Gambach, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Wetteraukreis', aus: ortsdienst.de/hessen/wetterau-kreis).
Jüdische Familien ließen sich erstmals in Gambach vermutlich bereits gegen Mitte des 13.Jahrhunderts nieder, als die Herren von Münzenberg Flüchtlingen aus Frankfurt/Main Aufnahme gewährten. Eine jüdische Gemeinde soll um 1600 entstanden sein; sichere Hinweise gibt es aber erst für die Zeit nach 1700. Die Gambacher Juden waren als Vieh- und Getreidehändler, aber auch im Kleinhandel tätig. Die Gemeinde verfügte über einen 1834 (oder 1843) in einem ehemaligen Wohngebäude eingerichteten Betsaal; das Haus lag in der Hauptstraße, und der Betraum bot insgesamt ca. 50 Personen Platz.
Ehem. Synagogengebäude (Aufn. aus: P. Arnsberg, um 1970)
Religiös-rituelle Aufgaben verrichtete zeitweise ein seitens der Gemeinde angestellter Lehrer; teilweise wurden diese Aufgaben durch „Wanderlehrer“ oder auch ehrenamtlich versehen.
Einen Friedhof besaßen die Gambacher Juden seit ca. 1800; dieser war am Dorfausgang Richtung Holzheim gelegen.
Die Juden Gambachs unterstanden dem liberalen Provinzial-Rabbinat Darmstadt.
Juden in Gambach:
--- 1830 ............................ 45 Juden,
--- 1861 ............................ 70 “ (ca. 5% d. Bevölk.),
--- 1880 ............................ 69 “ ,
--- 1905 ............................ 78 “ ,
--- um 1930 ..................... ca. 70 “ ,
--- 1939 ............................ 41 “ ,
--- 1941 ............................ 18 “ ,
--- 1942 (Dez.) ..................... keine.
Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 235
Bis Ende der 1930er Jahre verließ ein Teil der jüdischen Bewohner das Dorf, zumeist nach Frankfurt/Main; von hier aus konnten einige emigrieren. Während des Novemberpogroms wurde die Inneneinrichtung der Synagoge zerstört. Als in den Jahren darauf jüdisches Leben im Dorf völlig ausgelöscht wurde, trat wieder eine private Wohnnutzung an die Stelle des zuvor von der Synagoge beanspruchten Raumes.
Die in Gambach verbliebenen Juden, zumeist alte Menschen, waren im Laufe des Jahres 1942 deportiert worden, ein Teil in „Lager des Ostens“, der andere Teil nach Theresienstadt.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden nahezu 50 gebürtige bzw. längere Zeit in Gambach ansässig gewesene Juden Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/gambach_synagoge.htm).
Heute belegen die noch etwa 100 erhaltenen Grabsteine auf dem ca. 500 m² großen Areal des jüdischen Friedhofs, dass Gambach einstmals Sitz einer jüdischen Kultusgemeinde war.
jüdischer Friedhof in Gambach (Aufn. Ch., 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Am historischen Rathaus im Münzenberger Ortsteil Gambach erinnert eine 2016 dort angebrachte Gedenktafel an die ehemaligen verfolgten jüdischen Bewohner; sie sind hier namentlich aufgeführt. Diese Tafel ergänzt damit eine bereits 1989 geschaffene an gleicher Stelle
Gedenktafel von 1989 (Abb. Ch. 2015, aus: commons.wikimedia-org, CC BY-SA 4.0)
(Abb. aus: spd-muenzenberg.de)
[vgl. Münzenberg (Hessen)]
Weitere Informationen:
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 262/263
P. Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente, Eduard Roether Verlag, Darmstadt 1973, S. 68
Regine Steffl, Zur Geschichte der Gambacher Judengemeinde, in: "Butzbacher Geschichtsblätter 1984"
Thea Altaras, Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945?, Königstein i.Ts.1988, S. 185/186
Thea Altaras, Das jüdische Rituelle Tauchbad und Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945?, Teil II, Königstein i.Ts. 1994, S. 150
Studienkreis Deutscher Widerstand (Hrg.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt, 1995, S. 328
Gambach, in: alemannia-judaica.de
Hanno Müller/Helma Kilian/Monica Kingreen, Juden in Münzenberg 1800 - 1842, Gambach 1750 - 1942, Fauerbach II 1800 - 1874, Fernwald 2014
Bruno Rieb (Red.), NS-Opfer in Gambach. Tafel erinnert an ermordete Juden, in: „Der neue Landbote – Internetzeitung für Rhein-Main und Mittelhessen“ vom 10.11.2016