Gerolstein/Eifel (Rheinland-Pfalz)
Gerolstein an der Kyll – derzeit ca. 7.500 Einwohner - ist eine Kleinstadt in der Eifel im Landkreis Vulkaneifel und Verwaltungssitz der gleichnamigen Verbandsgemeinde (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, Gerolstein am oberen Kartenrand, aus: wikiwand.com und Kartenskizze 'Landkreis Vulkaneifel', aus: ortsdienst.de/rheinland-pfalz/vulkaneifel).
Im Zusammenhang mit den Pestpogromen von 1348/1349 wurden erstmals jüdische Bewohner in Gerolstein genannt. Ihre Anwesenheit schuldeten sie dem Stadtherrn (v. Blankenheim), dem 1336 von Ludwig d. Bayern das Judenregal (über insgesamt zwölf Familien) gewährt worden war. Erst in der frühen Neuzeit tauchen vereinzelt Belege über Juden wieder auf, ohne dass diese sich aber dauerhaft in Gerolstein angesiedelt hätten; zu Beginn des 18.Jahrhunderts, als der Ort Teil der Grafschaft Manderscheid-Blankenheim war, lebten zwei jüdische Familien in Gerolstein. In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts waren vermutlich keine Juden hier ansässig. Ab der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts bildete sich eine kleine jüdische Gemeinde, deren Angehörige aus Moselorten und der Südeifel zugezogen waren; im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung Gerolsteins belebte sich auch der Handel, der nun von jüdischen Kaufleuten mitgetragen wurde.
Gottesdienstliche Zusammenkünfte der Gerolsteiner Juden fanden stets in privaten Räumen statt; Anfang der 1930er Jahre gab es konkrete Planungen für einen Synagogenbau - ein Grundstück nahe der Raderstraße war bereits gekauft; doch der Bau wurde auf Grund der politischen Verhältnisse nicht mehr realisiert.
Modell der geplanten Synagoge (Abb. Landesamt)
Zu besonderen Anlässen und hohen Festen kam der Trierer Rabbiner in den 1920/1930er Jahren nach Gerolstein.
Ein von sieben jüdischen Familien im Jahre 1892 angekauftes kleines Areal an der Straße „Am Auberg“ diente etwa 50 Jahre lang als Beerdigungsgelände für die junge jüdische Gemeinde von Gerolstein. Die Gerolsteiner Begräbnisstätte gehört zu den wenigen jüdischen Friedhöfen, die nicht völlig verwüstet wurden.
Die kleine jüdische Gemeinschaft, zu der zuletzt alle Juden im Kreis Daun gehörten, war dem Rabbinat in Trier unterstellt.
Juden in Gerolstein:
--- um 1720 ....................... 2 jüdische Familien,
--- um 1805-1850 .................. keine,
--- 1868 .......................... 17 Juden,
--- 1896 .......................... 23 “ ,
--- 1911 .......................... 45 “ ,
--- 1926 .......................... 64 “ ,
--- 1933 .......................... 52 " ,
.......................... 87 “ ,* * im Kreis Daun
--- 1937 .......................... 19 " ,
--- 1938 .......................... 27 “ ,*
--- 1943 (Herbst) ................. keine.
Angaben aus: Lutz Engelskirchen, Der jüdische Friedhof von Gerolstein und die Geschichte der jüdischen Gemeinde
Die Juden Gerolsteins waren weitestgehend in die kleinstädtische Gesellschaft integriert. Auch der durch die Nationalsozialisten reichsweit angeordnete Boykott jüdischer Geschäfte zeigte in Gerolstein zunächst nur wenig Wirkung. Erst in der Folgezeit führten Anweisungen der NSDAP-Kreispropagandaleitung in Daun-Wittlich, die Juden aus dem Wirtschaftsleben der Kleinstadt auszugrenzen, zum gewünschten Erfolg.
Während des Novemberpogroms waren auch in Gerolstein Gewalttätigkeiten zu verzeichnen; Geschäftsräume wurden demoliert und jüdische Bewohner bedroht. Wer nicht mehr emigrieren konnte, der musste den Weg in die Deportation antreten; die letzten Gerolsteiner Juden wurden im Sommer 1943 „evakuiert“. Mit der Deportation der Familie Mansbach Ende Februar 1943 endete die Geschichte der jüdischen Gemeinde Gerolsteins.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 21 gebürtige bzw. längere Zeit in Gerolstein ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der „Endlösung“ (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/gerolstein_synagoge.htm).
Das seit 1989 unter Denkmalschutz stehende jüdische Gräberfeld in Gerolstein weist 15 Grabstätten auf; eine Hecke grenzt das kleinflächige Areal vom kommunalen Friedhof (Sarrendorfer Straße) ab.
Teilansicht des jüdischen Friedhofs - Doppelgrabmal (Aufn. Hans-Peter Laqueur, 2008)
Eine Inschriftentafel am Alten Rathaus trägt - unter einer stilisierten Menora - die folgenden Worte:
Zum ehrenden Gedenken an die jüdischen Mitbürger Gerolsteins,
die bis zu ihrer Deportation und Ermordung durch die Nationalsozialisten
das Leben in unserer Stadt mitgeprägt haben.
2011 wurden die ersten vier sog. „Stolpersteine“ in Gerolstein verlegt; ein Jahr später wurden weitere neun Steine ins Gehwegpflaster eingelassen, so dass nun derzeit insgesamt 13 Steine an fünf Standorten an die jüdischen Gerolsteiner Opfer des Nationalsozialismus erinnern.
verlegt in der Bahnhofs- u. Mühlenstraße (Aufn. aus: gerolstein.org)
In Jünkerath – nördlich von Gerolstein gelegen – gab es seit Ende des 19.Jahrhunderts eine kleine jüdische Gemeinschaft - sie nannte sich „Betgesellschaft“ - , die sich aus nur wenigen Familien (auch aus dem nahen Umland) zusammensetzte. Auf dem Anwesen der Familie Hermann Rothschild - sie betrieb am Ort eine Großschlachterei - gab es einen Betraum. An gemeindlichen Einrichtungen gab es auch einen eigenen Friedhof in Glaadt.
Anfang der 1930er Jahre lebten noch ca. 20 jüdische Personen in Jünkerath, 1937/1938 waren noch 12. Beim Novemberpogrom 1938 wurden die Wohnungen der beiden noch am Ort lebenden jüdischen Familien überfallen und verwüstet. 1942 wurden die letzten jüdischen Einwohner deportiert. Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden zehn aus Jünkerath stammende Bewohner mosaischen Glaubens Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/juenkerath_juedgeschichte.htm)
1990 wurde in der Beerdigungskapelle des kommunalen Friedhofs eine Gedenktafel angebracht, die den folgenden Wortlaut trägt: „Zum Gedenken an unsere jüdischen Mitbürger, die Opfer von Verfolgung und Gewaltherrschaft wurden. 1933 – 1945 Diese Tafel soll den Lebenden Mahnung sein.“ - Vermutlich wurde um 1990 das jüdische Begräbnisareal abgeräumt.
In Hillesheim (Eifel) lebten im 19./20.Jahrhundert nur zwei oder drei jüdische Familien; sie gehörten der Kultusgemeinde von Gerolstein an. Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden sechs jüdische Bewohner Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/hillesheim_eifel_juedgeschichte.htm).
Weitere Informationen:
Pater Josef Böffgen, Unsere jüdischen Mitbürger von Gerolstein, Gerolstein 1978 (kurzes Maschinenmanuskript)
Christoph Stehr, Gerolstein und seine jüdischen Mitbürger bis 1945, in: Stadt Gerolstein (Hrg.), Stadtchronik Gerolstein, Gerolstein 1986
Peter Scheulen/Dietrich Wald, Das Schicksal der Jünkerather Juden, in: Chronik Jünkerath-Glaadt - Schriftenreihe Bd. 23/1989, S. 137 - 140
Josef Dreesen, Der Kreis Daum im Dritten Reich, Meckenheim 1990, S. 256 f.
Der Holocaust und das Schicksal der Gerolsteiner Juden. Ausstellung im Rathaus Gerolstein, Jan/Febr. 2001
Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 166 und 196
Erwin Schöning, Jüdischer Friedhof in Gerolstein (Aufsatz), o.J.
Gerolstein, in: alemannia-judaica.de
Lutz Engelskirchen, Der jüdische Friedhof von Gerolstein und die Geschichte der jüdischen Gemeinde, in: Datenbank der Kulturgüter in der Region Trier, o.O. o.J.
Jünkerath mit Stadtkyll und Lissendorf, in: alemanna-judaica.de
Dieter Peters, Dokumentation des jüdischen Friedhofs in Gerolstein, Gerolstein 2007 (PDF-Datei online abrufbar)
Ralf Gier, Norbert Rothschild. Ein jüdischer Kaufmann aus Jünkerath, in: "Jahrbuch Vulkaneifel 2007"
Karl-Heinz Böffgen, Gegen das Vergessen - Das Schicksal der Gerolsteiner Juden, 2006 (2. erg. Aufl. 2009)
Gabi Vogelsberg (Red.), Stadt sagt Ja zu Stolpersteinen, in: forum1welt.de (2010)
Mario Hübner (Red.), Vier Stolpersteine für die Familie Levy, in: volksfreund.de vom 17.2.2011
Michael Meyer (Bearb.), Die Jünkerather jüdische Familie Lorig, 2017
Ehemaliger Jüdischer Friedhof – Glaadt, Gemeinde Jünkerath, in: "Datenbank der Kulturgüter in der Region Trier", online abrufbar unter: kulturdb.de/einobjekt.php?id=2933
Auflistung der in Gerolstein verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Gerolstein
Helmut Blinn, Gegen das Vergessen. Das Schicksal der Gerolsteiner Juden, 3. erg. Neuauflage, Gerolstein 2019
Angelika Koch (Red.), Erinnerung wachhalten: Auch Prinz Karneval wurde ermordet, in: volksfreund.de vom 10.11.2019