Gewitsch (Mähren)

Im Jahre 1528 erhielt der seit dem 13.Jahrhundert bestehende mittelmährische Ort die Rechte einer ‚Königsstadt’ und entwickelte sich daraufhin zu einem Wirtschaftszentrum in der Region. Das kleine Städtchen Gewitsch (auch Gewicz) mit derzeit knapp 3.000 Einwohnern ist das heutige tschechische Jevíčkoi, südöstlich von Zwittau (Svitavy) gelegen (hist. Landkarte von 1790 mit Gewicz am unteren Kartenrand, Abb. aus: zwittau.de  und  Kartenskizze 'Tschechien' mit Jevíčko rot markiert, K. 2006, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte die jüdische Gemeinde ihren personellen Höchststand; ihre Angehörigen stellten damals etwa ein Drittel der Ortsbevölkerung.

Jüdische Bewohner sind vermutlich bereits seit dem frühen 15.Jahrhundert in Gewitsch/Gewicz ansässig. Der erste urkundliche Nachweis stammt allerdings erst aus dem Jahre 1566. Die Gewitscher Juden lebten zunächst inmitten der übrigen Bevölkerung, ehe sie in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts in ein Ghetto verwiesen wurden, das sich nördlich des Marktplatzes befand. Erst im 19. Jahrhundert löste sich dieser geschlossene Wohnverband allmählich auf.

Ein Betraum wurde erstmals 1620 erwähnt. Als bei einer Feuersbrunst 1747 der hölzerne Synagogenbau niederbrannte, dauerte es mehr als vier Jahrzehnte, ehe zwischen 1792 und 1794 ein neues Gebäude im Stile des Klassizismus errichtet wurde; das Baumaterial soll aus den Steinen der abgerissenen Pfarrkirche stammen. Im Jahre 1907 wurde das Gebäude im Jugendstil umgebaut.

Der alte Friedhof weist noch Grabsteine aus dem 17.Jahrhundert auf; in den 1830er Jahren wurde ein neues Beerdigungsareal angelegt; dieses wurde in den 1970er Jahren eingeebnet. 

Die jüdischen Familien in Mährisch-Trübau gehörten zum Gewitscher Kultusgemeindesprengel.                      

Juden in Gewitsch:

    --- um 1660 ..........................   5 jüdische Familien,

    --- um 1690 ..........................  11     “       “    ,

    --- 1798 ............................. 138     "       "    ,

    --- 1830 ............................. 776 Juden,

    --- 1848 ............................. 989   “   (ca. 32% d. Bevölk.),

    --- 1869 ............................. 462   “   (ca. 16% d. Bevölk.),

    --- 1890 ............................. 286   "  ,

    --- 1900 ............................. 214   “   (ca. 8% d. Bevölk.),

    --- 1910 ......................... ca. 200   "  ,

    --- 1930 .............................  86   “   (ca. 3% d. Bevölk.).

Angaben aus: Matthias Tauber, Geschichte der Juden in Gewitsch

Stadtplatz von Gewitsch (hist. Postkarte, aus: schoenhengstgau.eu)

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts zählte die jüdische Gemeinde fast 1.000 Angehörige; doch bereits wenige Jahre später setzte ein starker Abwanderungsprozess ein, der die Gewitscher Judenschaft innerhalb weniger Jahrzehnte auf ein Viertel ihrer ursprünglichen Größe schrumpfen ließ; Prag, Brünn und Wien waren die vorrangigen Abwanderungsziele der Gewitscher Juden. Eine Ursache für die rasche Abwanderung war eine 1869 in Gewitsch wütende Feuersbrunst, die den größten Teil des Judenviertels vernichtet hatte.

Ende der 1920er Jahre lag die Zahl der Gemeindeangehörigen unter 100 Personen. Folge der deutschen Okkupation war auch das Ende der jüdischen Gemeinde in Gewitsch. 1942 wurden ihre Angehörigen via Theresienstadt in "Lager des Ostens" deportiert. Das Inventar der Synagoge verbrachten die Behörden ins zentrale Jüdische Museum nach Prag.

 

Bis in die Gegenwart sind ca. 40 Häuser des ehemaligen Ghettos erhalten. Das mehrfach umgebaute Synagogengebäude wurde seit Anfang der 1950er Jahre von der Hussitengemeinde und der Tschechischen Protestantischen Kirche genutzt. Heute dient das Haus als Konzertsaal und Ausstellungsraum.

 Synagogengebäude in Jevíčko (Aufn. Xkomczax, 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Eine Reihe von Grabsteinen des alten jüdischen Friedhofs haben die Zeiten überdauert.

Grabsteine des alten jüdischen Friedhofs (Aufn. Vít Pechanec, Tourist Information Center Jevíčko)

Am ehemaligen Standort des neuen Friedhofs - es ist heute eine Parkanlage - erinnert seit den 1970er Jahren ein Grabstein-Ensemble symbolisch an die einstige Bestimmung des Geländes.

 

 

 

Weitere Informationen:

Bertold Bretholz, Der Gewitscher Judenrichter Joseph David, in: "Rocenka Spolecnosti pro dejiny Židu v Ceskoslovenské republice", 2/1930, S. 173 - 228

Matthias Tauber (Bearb.), Geschichte der Juden in Gewitsch, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Mährens in Vergangenheit und Gegenwart, Jüdischer Verlag, Brünn 1929, S. 206 - 211

Hugo Gold (Hrg.), Gedenkbuch der untergegangenen Judengemeinden Mährens, Tel Aviv 1974, S. 54

Jewish families from Jevičko, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-Families-from-Jev….

The Jewish Community of Jevicko (Gewitsch), Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/jevicko