Glehn (Nordrhein-Westfalen)

Jüdische Gemeinde - Neuss/Rhein (Nordrhein-Westfalen)Bildergebnis für glehn korschenbroich Karte Glehn ist heute ein Stadtteil von Korschenbroich mit derzeit ca. 6.000 Einwohnern im Rhein-Kreis Neuss - linksrheinisch nur wenige Kilometer westlich der Landeshauptstadt Düsseldorf gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Korschenbroich, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Rhein-Kreis Neuss', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Im Gefolge der Pestpogrome sollen Juden aus Glehn vertrieben worden sein. Vermutlich siedelten sich Juden seit Beginn des 18.Jahrhunderts dauerhaft im niederrheinischen Glehn an. Damals erhielten die wenigen Familien die Genehmigung zur Einrichtung einer Synagoge; es war vermutlich nur ein kleiner Betsaal, der bis ins 19.Jahrhundert hinein genutzt worden sein soll. Ende der 1870er Jahre gelang es der finanzschwachen Glehner Gemeinde, lang gehegte Pläne eines Synagogenneubaus an der Schützendelle/Ecke Bachstraße zu realisieren; eine Kollekte in der Rheinprovinz und ein Zuschuss der Kommune hatten dies ermöglicht.

Ihre Verstorbenen begruben die Glehner Juden zunächst nahe der Ortschaft Liedberg; ab Anfang der 1860er Jahre stand ihnen dann in Glehn, an der heutigen Bendstraße, ein eigenes Begräbnisareal zur Verfügung.

Glehn gehörte als Filiale der Synagogengemeinde Neuss an; ab 1932 war sie dieser direkt angeschlossen.

Juden in Glehn:

         --- um 1765 .........................  4 jüdische Familien,

    --- 1808 ............................ 35 Juden (in 6 Familien),

    --- 1828 ............................ 45   “   (5% d. Dorfbev.),

    --- 1843 ............................ 40   “  ,

    --- 1866 ............................ 78   “  ,

    --- 1877 ............................ 14 jüdische Familien,

    --- 1885 ............................ 66 Juden,

    --- 1910 ............................ 51   “  ,

    --- 1935 ............................ 35   “  .

Angaben aus: Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil II: Reg.bez. Düsseldorf, S. 476

 

Die Glehner Juden lebten im 19.Jahrhundert in recht bescheidenen, wenn nicht ärmlichen Verhältnissen; ihren Lebenserwerb bestritten sie zumeist als „Handelsmänner“. Nach 1900 war dann Viehhandel der vorherrschende Wirtschaftszweig.

Zu Beginn der NS-Zeit waren noch etwa zehn jüdische Familien in Glehn ansässig.

Während des Novemberpogroms wurden am Ort alle Wohn- und die (wenigen) Geschäftshäuser jüdischer Familien demoliert und geplündert; auch die Inneneinrichtung der Synagoge fiel der Zerstörung anheim bzw. wurde entwendet; eine Inbrandsetzung des Gebäudes unterblieb aber, weil der Brandmeister der Feuerwehr dagegen eingeschritten war.

Im Jahre 1939 erwarb die Kommune das äußerlich unbeschädigte Synagogengebäude; während des Krieges wurde es durch Luftangriffe beschädigt. Anfang der 1950er Jahre erfolgte ein Umbau des einstigen Gotteshauses in ein Wohnhaus.

Nach der „Kristallnacht“ wurde allen Juden die Weiterführung ihrer Geschäfte untersagt. Einigen jüdischen Bewohner gelang noch ihre Emigration; die verbliebenen wurden verschleppt und kehrten nicht mehr zurück.

Nachweislich sind die Namen von 23 Personen mosaischen Glaubens bekannt, die Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden sind.

[vgl.  Korschenbroich (Nordrhein-Westfalen)]

 

Eine Gedenktafel am ehemaligen Synagogengebäude an der Schützendelle 2 weist heute auf dessen einstige Nutzung hin.

Sog. „Stolpersteine“ halten in Korschenbroich seit 2001 die Erinnerung an ehemalige jüdische Bewohner wach; die letzten zwölf Steine wurden in Glehn im Jahre 2009 verlegt, so dass man im Stadtgebiet insgesamt ca. 25 Erinnerungstäfelchen zählt; zu finden sind diese an verschiedenen Standorten in der Hauptstraße, Kirchstraße, Sandkaule und Friedensstraße (Stand 2022).

verlegt an zwei Stellen in der Hauptstraße (alle Aufn. R.,2018, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

                     und in der Sandkaule

in der Hauptstraße

Vom 1861 angelegten jüdischen Friedhof in der Bendstraße sind heute noch 28 Grabsteine erhalten.

43 Judenfriedhof, Bendstraße (Glehn).jpg

Jüdischer Friedhof (Aufn. Riehms, 2009, aus: wikipedia.org; CC BY-SA 3.0  -  K. u. B. Limburg, 2013, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

Hans Georg Kirchhoff, Glehn - ein geschichtliches Lesebuch, Korschenbroich 1979

Michael Messmann, Die Entwicklung der jüdischen Gemeinde Korschenbroich im 19. und 20.Jahrhundert, Korschenbroich 1992

Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 203/204

Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen,Teil II: Regierungsbezirk Düsseldorf, J.P. Bachem Verlag, Köln 2000, S. 476 – 480

P. Mabe (Red.), Ehemalige Synagoge in der Schützendelle – Brandmeister vereitelte 1938 den Synagogenbrand, in: ngz-online.de vom 5.11.2001

Ursula Reuter: Jüdische Gemeinden vom frühen 19. bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts, in: Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, Bonn 2007, S. 41

Martin Rüther, Spätere Geschlechter könnten sich keinen Begriff machen! - Die Zeit des Nationalsozialismus in Glehn, Liedberg, Kleinenbroich, Korschenbroich und Pesch 1939 und 1945, in: "Schriftenreihe des Stadtarchivs", Band 4, Korschenbroich 2008

Margarethe Pluta (Red.), Steine der Erinnerung, in: "NGZ - Neuß-Grevenbroicher Zeitung“ vom 6.2.2009

Auflistung der in Korschenbroich (Glehn) verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Korschenbroich

Ruth Wiedner (Red.), Eine Ausstellung gegen das Vergessen, in: „NGZ - Neuß-Grevenbroicher Zeitung“ vom 9.10.2013

Karin Verhoeven (Red.), Evangelische Kirche erinnert an deportierte Juden in Glehn und Kirschenbroich, in: „NGZ - Neuß-Grevenbroicher Zeitung“ vom 23.1.2019