Greifenberg (Hinterpommern)

 Datei:Pommern Kr Kammin.pngDie damalige hinterpommersche Kreisstadt Greifenberg liegt am Westufer der Rega; es ist das polnische Gryfice mit einer Einwohnerzahl von derzeit ca. 16.000 Personen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).

    Oberlauf der Rega bei Greifenberg, Treptow und dem Dorf  Deep und ihre beiden Mündungen. Rechts der Ausfluss Alte Rega, der zunächst in den  Kamper See und von dort aus in nördlicher Richtung in die Ostsee führt (Alte Rega), und links der Ausfluss bei Deep  über den in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts angelegten Kanal (Neue Rega).

"Griffenberge" auf der Lubin'schen Karte (Abb. aus: wikipedia.org, CCO) und Ausschnitt aus einer Bildkarte (aus: wikiwand.com/de/Regamünde)

Erstmals ließ sich eine jüdische Familie um 1700 in Greifenberg nieder; im Laufe des 18.Jahrhunderts kamen nur wenige Schutzjuden hinzu. Die Bildung einer jüdischen Gemeinde ist erst gegen Mitte des 19.Jahrhunderts belegt, nachdem in den Jahrzehnten zuvor Zuzüge aus Westpreußen und Posen erfolgt waren.

Die jüdische Gemeinde Greifenbergs verfügte seit 1856 über eine neue Synagoge - in der Stadtmitte am Poetenstieg gelegen - und über ein um 1850 angelegtes Friedhofsgelände an der Turnerstraße; zuvor waren Verstorbene auf dem jüdischen Friedhof in Plathe beerdigt worden.

Juden in Greifenberg:

    --- um 1750 ...................   7 jüdische Familien,

    --- um 1765 ...................   3     “       “    ,

    --- 1812 ......................   9     “       “    ,

    --- 1840 ...................... 101 Juden,

    --- um 1850 ............... ca. 120   “  ,

    --- 1871 ...................... 125   “  ,

    --- 1880 ...................... 146   “  ,

    --- 1909 ......................  91   “  ,

    --- 1925 ......................  85   “  ,

    --- 1932 ......................  68   “  ,

    --- 1939 (Mai) ................  22   “  .

Angaben aus: M.Heitmann/J.H.Schoeps (Hrg.), “Halte fern dem ganzen Land jedes Verderben ...”, S. 47

 

Infolge der Abwanderung der jüdischen Familien Greifenbergs in die Großstädte verringerte sich ab dem ausgehenden 19.Jahrhundert die Zahl der Gemeindeangehörigen signifikant.


am Markt und Marienstraße - hist. Postkarten (aus: oldthing.de und commons.wikimedia.org, CCO)

Lebten Anfang der 1930er Jahre noch ca. 70 Juden in der Stadt, so reduzierte sich ihre Anzahl nach 1933 weiter; denn mit der „Arisierung“ ihrer Geschäfte verloren sie ihren Lebensunterhalt und gingen in die Emigration bzw. wanderten in größere Städte ab. Bereits vor 1938 war das Synagogengebäude an die evangelische Kirchengemeinde verkauft worden, die es zu einem Gemeindehaus umbauen wollte. Während des Zweiten Weltkrieges diente es als Unterkunft für französische Kriegsgefangene; Ende der 1980er Jahre wurde das Gebäude abgetragen.

                          Ehem. Synagogengebäude kurz vor dem Abriss (aus: sztetl.org) 

Auch vom jüdischen Friedhof gibt es heute keine Überreste mehr; das Gelände wurde nach 1945 eingeebnet.

Derzeit werden Überlegungen angestellt, in Gryfice ein Denkmal zu errichten, das an die Angehörigen der ehemaligen jüdischen Gemeinde erinnert.

 

 

Im ca. 15 Kilometer südwestlich gelegenen Marktflecken Gülzow (poln. Golczewo, derzeit ca. 2.700 Einw.) lebten nachweislich ab 1705 wenige jüdische Familien. Die kleine Gemeinschaft erreichte während ihres Bestehens kaum mehr als 50 Angehörige; 1935 lebten noch elf Juden in Gülzow. Wurden Verstorbene zunächst auf dem jüdischen Friedhof in Plathe beerdigt, stand später ein kleines Begräbnisgelände am Ort zur Verfügung.

 

 

 

Weitere Informationen:

M.Heitmann/J.H.Schoeps (Hrg.), “Halte fern dem ganzen Land jedes Verderben ...” Geschichte und Kultur der Juden in Pommern, Georg Olms Verlag, Hildesheim/Zürich 1995, S. 47

Wolfgang Wilhelmus, Geschichte der Juden in Pommern, Ingo Koch Verlag, Rostock 2004

Erich Müller, Spurensuche – Juden in Greifenberg und Treptow/Rega, o.O. 2005

Gerhard Salinger, Die einstigen jüdischen Gemeinden Pommerns. Zur Erinnerung und zum Gedenken, Teilband 2, Teil III, New York 2006, S. 424 – 431 (Greifenberg) und S. 440 – 442 (Gülzow)

Gryfice, in: sztetl.org.pl

                       Erich Müller, Jüdisches Leben in Greifenberg und Treptow an der Rega in Hinterpommern. Von der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg bis zum Holocaust, in: Reihe ‚Geist und Wissen‘ (Band 24), Verlag Ludwig Kiel 2016