Greifenhagen (Westpommern)

  Die ehemalige deutsche Kreisstadt Greifenhagen (poln. Gryfino) liegt am Ostufer der Oder ca. 20 Kilometer südlich von Stettin; die Kleinstadt besitzt derzeit ca. 20.000 Einwohner (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: wikipedia.org CCO und Kartenskizze 'Woiwodschaft Westpommern' mit Gryfino, A. 2006, aus: commons.wikimedia.org CC BY 2.5).

 

Erste urkundliche Hinweise auf die Existenz von Juden in Pommern stammen aus dem Jahre 1481. Damals räumte der pommersche Herzog Bogislaw X. 22 namentlich aufgeführten Juden für sechs Jahren ein Wohnrecht in Pommern ein, davon drei in Greifenhagen. Ihren Lebenserwerb sollen sie mit Pfand-Geldgeschäften bestritten haben. Nach ihrer Vertreibung haben in Greifenhagen für ca. zwei Jahrhunderte keine Juden gelebt. Dauerhaft ließen sich jüdische Familien in Greifenhagen erst um 1700 nieder; eine Gemeinde bildete sich aber viel später. Ihren Lebensunterhalt verdienten die wenigen Familien vor allem durch den Wollhandel, der der Rohstoffversorgung der hiesigen Tuchmacher diente.

Gottesdienstliche Zusammenkünfte fanden jahrzehntelang in privaten Räumlichkeiten statt, ehe dann die jüdische Gemeinde über ein im Jahre 1856 eingeweihtes Synagogengebäude in der Wittenstraße verfügte.

Bereits seit 1715 stand den jüdischen Familien ein eigenes Begräbnisgelände zur Verfügung; damit gehörte dieser Friedhof zu den ältesten in Pommern. Bis ins beginnende 19.Jahrhundert wurden auf dem Areal auch verstorbene Juden aus Stettin begraben.

Juden in Greifenhagen:

    --- um 1480 ...................   3 jüdische Familien,

    --- um 1705 ...................   4     “       “    ,

    --- 1728 ......................   7     “       “    ,  

    --- 1768 ......................  15     “       “    ,

    --- 1812 ......................  37     “       “    ,

    --- 1840 ...................... 127 Juden,

    --- um 1850 ............... ca. 170   “  ,

    --- 1861 ...................... 205   “  ,

    --- 1871 ...................... 185   “  ,

    --- 1880 ...................... 163   “  ,

    --- 1890 ...................... 130   “  ,

    --- 1913 ......................  64   “  ,

    --- 1925 ......................  32   “  ,

    --- 1933 .................. ca.  35   “  ,

    --- 1938 ......................   3 Familien.

Angaben aus: M.Heitmann/J.H.Schoeps (Hrg.), “Halte fern dem ganzen Land jedes Verderben ...”, S. 48

 

Durch die Abwanderung der jüdischen Familien in die Großstädte verringerte sich seit dem Ende des 19.Jahrhunderts die Zahl der Gemeindeangehörigen deutlich.

 Wieckstraße (hist. Postkarte, um 1900)

Ab ca. 1905 waren Bahn und Fiddichow als Filialgemeinden der Greifenhagener Judenschaft angeschlossen. Gegen Ende der Weimarer Zeit lebten nur noch wenige Familien jüdischen Glaubens in Greifenhagen.

Während der Reichspogromnacht wurde im Synagogengebäude Feuer gelegt, es brannte völlig aus. Die letzten Greifenhagener Juden gehörten im Februar 1940 einem fast 1.200 Personen zählenden Deportationstransport an, der pommersche Juden nach Lublin verfrachtete.

 

Der jüdische Friedhof wurde nach 1945 eingeebnet, so dass heute keinerlei Spuren mehr vorhanden sind; die sterblichen Überreste sollen späster in Kisten abtransportiert worden sein (?). Auf dem freigemachten Gelände wurde dann ein Hotel errichtet (inzwischen zu einem Wohnhaus umgebaut).

Auf dem Grundstück der zerstörten Synagoge befindet sich heute eine Grundschule.

 

 

 

Weitere Informationen:

M.Heitmann/J.H.Schoeps (Hrg.), “Halte fern dem ganzen Land jedes Verderben ...”. Geschichte und Kultur der Juden in Pommern, Georg Olms Verlag, Hildesheim/Zürich 1995, S. 48

Wolfgang Wilhelmus, Juden in Vorpommern, in: Reihe Geschichte Mecklenburg-Vorpommern No.8/1996, S. 45, hrg. von Friedrich-Ebert-Stiftung, Landesbüro Mecklenburg-Vorpommern

Wolfgang Wilhelmus, Geschichte der Juden in Pommern, Ingo Koch Verlag, Rostock 2004

Gerhard Salinger, Die einstigen jüdischen Gemeinden Pommerns. Zur Erinnerung und zum Gedenken, Teilband 2, Teil III, New York 2006, S. 432 – 439

Monika Baczyńska-Padjasek, Sylwia Cieśla "Historia i pamięć. Cmentarze powiatu gryfińskiego" wyd. Gryfino 2012

Gryfino, in: sztetl.org.pl