Herchweiler (Rheinland-Pfalz)

 Landkreis Kusel – Wikipedia  Herchweiler mit seinen derzeit ca. 600 Einwohnern gehört heute zur rheinland-pfälzischen Verbandsgemeinde Kusel - südwestlich von Kusel bzw. ca. 35 Kilometer nordwestlich von Kaiserslautern gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Kusel', Hagar 2010, aus: commons.wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

In Herchweiler im Ostertal - mitten durch das Dorf verlief die Grenze zwischen Rheinland-Pfalz und dem Saargebiet (im Volksmund heißt der ehemals saarländische Teil von Herchweiler die „Judengass“, der Bach, der dort fließt, wird „Judenbach“ genannt) - waren seit der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts Juden nachweisbar; sie lebten in einem eigenen Viertel, das damals zur Grafschaft von der Leyen gehörte. Die jüdischen Familienoberhäupter bestritten den Lebensunterhalt ihrer Familien meist als Viehhändler/Metzger und Krämer. Später eröffneten einige von ihnen Handlungen und Geschäfte am Ort. Ihren zahlenmäßigen Höchststand erreichte die Gemeinde in den 1860er Jahren mit ca. 65 Personen.

Eine Synagoge soll hier seit 1790/1800 bestanden haben; auch eine Mikwe gehörte zu den gemeindlichen Einrichtungen (Anm.: Das in einem kleinen Gebäude untergebrachte Frauenbad soll bereits 1900 nicht mehr vorhanden gewesen sein.)

Zeitweilig hatte die kleine Gemeinde einen Lehrer angestellt, der neben der religiösen Unterweisung der Kinder auch die rituellen Aufgaben der Gemeinde verrichtete.

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Stellenanzeigen aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 8.11.1876 und vom 12.5.1887

Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof in Thallichtenberg begraben. Der ältere Teil des jüdischen Friedhofes wurde 1725 angelegt, ein neuerer Teil 1845. Auf dem Areal wurden auch Juden aus Altenglan, Baumholder, Haupersweiler, Konken, Kusel und Ulmet beerdigt. Der älteste der noch ca. 140 vorhandenen Grabsteine datiert aus dem Jahre 1747.

Friedhof Thallichtenberg (Aufn. P. 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Juden in Herchweiler/Haupersweiler:

--- 1808 ..........................  24 Juden,

--- 1839 ..........................  39   “  (in 5 Familien),

--- 1844 ..........................  41   “  ,

--- 1855 ..........................  50   “  ,

--- 1861 ..........................  61   “  ,

--- 1868 ..........................  64   “  ,

--- 1895 ..........................  29   “  ,

--- um 1925 .......................   5 jüdische Familien,

--- 1938 ..........................   ?

Angaben aus: Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz …, S. 442

 

Aus der geschichtlichen Entwicklung von Herchweiler: .. Nach der Vertreibung der Franzosen 1815 und der territorialen Neuorientierung blieb Herchweiler wiederum zweigeteilt. Der Ortsteil des Kantons Kusel kam zu Bayern, die Judengasse des Kantons St. Wendel jedoch zu dem neu gegründeten Fürstentum Lichtenberg, das zu Sachsen-Coburg gehörte und 1836 an Preußen verkauft wurde. Obwohl die preußische Regierung die Ansiedlung von Juden scharf überwachte und Zuwanderungen verhindern wollte, nahm die jüdische Bevölkerung von Herchweiler kontinuierlich zu. In der Judengasse lebten im Jahr 1844 41 jüdische Bewohner, 1855 waren es 50 und 1868 64 Personen. Gleichzeitig ließen sich auch im bayerischen Teil des Dorfes zu dieser Zeit einige jüdische Familien nieder."  (Text aus: regionalgesachichte.net)

Gegen Ende des 19.Jahrhunderts war die Zahl der Gemeindeangehörigen erheblich zurückgegangen; um 1895 lebten noch ca. 30 Personen im Ort. Um einen Minjan zusammenzubringen, suchten nach 1910 auch die Juden aus Konken die Herchweiler Synagoge auf.

In den 1920er Jahren wohnten im Dorf noch fünf Familien mosaischen Glaubens; nach 1933 waren es nur noch drei. 1937 wurde das schon längst nicht mehr benutzte und inzwischen baufällig gewordene Synagogengebäude meistbietend versteigert; der private Erwerber ließ es wenig später abreißen.

Während des Pogroms von 1930 soll es in Herchweiler „keine besonderen Vorkommnisse“ gegeben haben.

Im Mai 1942 wurden mehrere der nur wenigen hier lebenden jüdischen Bewohner deportiert; noch im Februar 1945 (!) wurde Leo Marx, der mit einer „arischen“ Frau verheiratet war, nach Theresienstadt verschleppt, wo er einige Monate später befreit wurde. Er kehrte im Laufe des Jahres 1945 nach Herchweiler zurück und ist 1970 als letzter Herchweiler Jude hier gestorben

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden 16 aus Herchweiler stammende bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene Juden Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/herchweiler_synagoge.htm).

 

Ein Jude aus Herchweiler kehrte nach Kriegsende von Theresienstadt hierher zurück, wo er 1970 verstarb.

Das Grundstück der ehemaligen Synagoge ist heute eine Grünlandfläche.

 

 

 

Weitere Informationen:

Hans Kirsch, „Juden-Herchweiler“ gibt es nicht mehr - Zur Geschichte der Haupersweiler Juden, in: Michael Landau (Hrg.), Damit es nicht vergessen wird. Beiträge zur Geschichte der Synagogengemeinden des Kreises St. Wendel, "Veröffentlichungen des Adolf-Bender-Zentrums e.V.", Nr. 1, St. Wendel 1988, S. 84 - 99

Stephan Probst, Zur Geschichte der Juden im Landkreis Kusel, in: "Westrich-Kalender, Kusel 1988", S. 72 - 75

Roland Paul, Die Verschleppung der Juden aus dem Landkreis Kusel vor 50 Jahren und das Schicksal der Deportierten, in: "Westrich-Kalender 1991", S. 145 - 150

Hans Kirsch, „Juden-Herchweiler“ gibt es nicht mehr, in: „Bündnis gegen Rechtsextremismus, Wider Gewalt, Heuchelei und Vergessen, Kusel 2004, S. 37 - 47

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 442

Herchweiler, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Bernhard Kukatzki, Der jüdische Friedhof in Hinzweiler, hrg. von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Landau, Landau/Pfalz 2008