Holzheim (Hessen)

Jüdische Gemeinde - Gießen (Hessen)Datei:Landkreis Gießen Pohlheim.png Holzheim ist heute ein Ortsteil der Stadt Pohlheim im mittelhessischen Landkreis Gießen mit derzeit ca. 1.300 Einwohnern nur wenige Kilometer südlich von Gießen gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte ohne Eintrag von Holzheim/Pohlheim, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Gießen', Andreas Trepte 2006, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 2.5).

 

In Holzheim - wenige Kilometer nördlich von Münzenberg gelegen - bestand eine kleine jüdische Kultusgemeinde, zu der auch Grüningen gehörte. Die Gemeinde konstituierte sich erst 1836; doch reicht hier die Ansiedlung von Juden bis ins 17./18.Jahrhundert zurück, in eine Zeit, in der diese unter dem „Schutz“ der Fürsten von Solms-Braunfels standen.

Um 1840 gab es am Ort acht jüdische Gewerbetreibende: vier Viehhändler und vier Hausierer. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert eröffneten mehrere der jüdischen Familien Läden am Ort.

In den Jahren nach der Gemeindegründung wurde auch eine Synagoge in einem 1854 seitens der Gemeinde angekauften kleinen Hause in der damaligen Schulstraße (heute Im Noll) eingerichtet; der Synagogenraum hatte 33 Männer- und zwölf Frauenplätze.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20209/Holzheim%20Synagoge%20110.jpg Ehem Synagoge (Aufn 1958, aus: Archiv K.H.Jung)

In den Jahrzehnten zuvor hatte es einen Betraum in einem der jüdischen Häuser gegeben; handelte es sich um eine Privatsynagoge im Hause von Moses Weinberg.

Zeitweilig beschäftigte die Gemeinde einen jüdischen Lehrer, der auch als Vorbeter und Schochet tätig war. Spätestens gegen Ende des 19. Jahrhunderts hielten „Wanderlehrer“ den Religionsunterricht für die jüdischen Kinder ab.

                    aus der ZeitschriftDer Israelit“ vom 18. April 1904

In Grüningen bestand ein bis gegen Mitte des 19. Jahrhunderts benutztes Friedhofsgelände, das von Verstorbenen aus Grüningen, Holzheim, Gambach und Griedel belegt worden war. Seit ca. 1850 wurde dann in der Grüninger Gemarkung ein neues Beerdigungsgelände der Holzheimer Gemeinde angelegt.

Die Gemeinde gehörte zum liberalen Provinzialrabbinat in Gießen.

Juden in Holzheim:

--- 1830 ........................... 27 Juden,

--- 1850 ........................... 42   “   (ca. 3% d. Bevölk.),

--- 1861 ........................... 39   “  ,

--- 1871 ........................... 53   “  ,

--- 1880 ........................... 32   “   (ca. 4% d. Bevölk.),

--- 1900 ........................... 31   “   (ca. 3% d. Bevölk.),

--- 1910 ........................... 37   “  ,

--- 1924 ........................... 26   “   (in 12 Familien),

--- 1933 ........................... 30   “  ,*      * Holzheim und Grüningen

--- 1939/40 ........................ 13   “  ,

--- 1942 (Dez.) .................... keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 388

 

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten noch ca. 20 jüdische Bewohner im Dorf.

Eine Inbrandsetzung des Betraums während der Novembertage 1938 unterblieb hier, weil angrenzende Wirtschaftsgebäude gefährdet waren. Das Synagogengebäude kam bald in Privatbesitz. Während wenigen Gemeindeangehörigen noch eine Emigration gelang und einige in größere deutsche Städte verzogen, wurden von Holzheim aus elf Bewohner mosaischen Glaubens im Laufe des Jahres 1942 deportiert – sieben in „Lager des Ostens“ und vier nach Theresienstadt.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden insgesamt 22 gebürtige bzw. längere Zeit in Holzheim ansässig gewesene und sieben jüdische Einwohner Grüningens Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/holzheim_synagoge.htm).

 

Das Gebäude, in dem sich der Betraum befand, wurde Anfang der 1960er Jahren wegen Baufälligkeit abgerissen; seit 2003 erinnert hier eine Gedenktafel an das einstige jüdische Gotteshaus. Am Ehrenmal zum Gedenken an die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges (am Kirchhof der Evang. Kirche) wurde ein Jahr später eine Erinnerungstafel für die deportierten/ermordeten jüdischen Bewohner angebracht.

Auf dem ca. 700 m² großen jüdischen Friedhofsgelände in Grüningen fanden auch Verstorbene aus Holzheim ihre letzte Ruhe.

 Der gemeinsame Friedhof der Hofheimer und Grüninger Juden (alle Aufn. Ch., 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Jüdischer Friedhof (Grüningen) Grabstein Naftali Sohn des Josef 01.JPGJüdischer Friedhof (Grüningen) Grabstein Meier Ben Awraham.jpgJüdischer Friedhof (Grüningen) Grabstein Aharon Bar Dawid HaLewi.jpgJüdischer Friedhof (Grüningen) Grabstein Hannael Frau von Abraham.JPG

Seit 2023 erinnern in Holzheim an fünf Standorten insgesamt 20 sog. „Stolpersteine“ an ehemalige jüdische Bewohner, die unter der NS-Herrschaft verfolgt, verschleppt und ermordet wurden.

Bereits seit 2019 findet man bereits an drei Standorten im Pohlheimer Ortsteil Grüningen (Langgönser Str., Taunustr. und Untergasse) insgesamt elf sog. „Stolpersteine“, die Angehörigen dreier jüdischer Familien gewidmet sind.

 

 

 

In Watzenborn-Steinberg - heute ebenfalls ein Stadtteil der Kommune Pohlheim - existierte eine kleine Kultusgemeinde bis in die 1930er Jahre; die Zahl ihrer Gemeindemitglieder erreichte zu keiner Zeit kaum mehr als 40 Personen; zeitweilig gehörten ihr auch die jüdischen Familien aus Steinbach an.

Neben einem in den 1880er Jahren erstellten kleinen Synagogengebäude in der Klossengasse besaß die jüdische Gemeinschaft seit 1887 auch einen Friedhof; Verstorbene waren zunächst in Großen-Linden beigesetzt worden.

Nach Auflösung der Gemeinde gehörten die wenigen verbliebenen Juden der Leihgesterner Gemeinde an. 1933 lebten noch fünf jüdische Familien mit ca. 25 Personen in Watzenborn-Steinberg.

Das wenige Wochen vor dem Novemberpogrom veräußerte Synagogengebäude diente nach 1939 als Sitz der lokalen SA-Dienststelle !

 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20209/Watzenborn%20Synagoge%20110.jpg

Ehem. Synagogengebäude, letztes Haus links (Aufn. um 1950)  - Ehem. Synagogengebäude (Aufn. um 1940)

Die letzten zehn jüdischen Bewohner wurden 1942 deportiert. Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden 22 gebürtige bzw. längere Zeit in Watzenborn ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/watzenborn-steinberg_synagoge.htm).

An die jüdischen Opfer der NS-Zeit erinnert ein im Jahre 1963 errichteter Gedenkstein. Aus Anlass des 70.Jahrestages des Novemberpogroms wurde vor der Steinbacher Kirche eine Bronzetafel enthüllt, die die Namen der Opfer trägt

Bereits 2009 wurden in Pohlheim - im Ortsteil Watzenborn-Steinberg - etwa 20 sog. „Stolpersteine“ für Angehörige ehemals hier lebender jüdischer Familien verlegt. 

 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20284/Pohlheim%20PA%20201101b.jpg Fünf „Stolpersteine“, Klossengasse (aus: stolpersteine-pohlheim.de)

Stolperstein Pohlheim Watzenborn-Steinberg Gießener Straße Jettchen Katz.JPG Stolperstein Pohlheim Watzenborn-Steinberg Gießener Straße Max Katz.JPG Stolperstein Pohlheim Watzenborn-Steinberg Gießener Straße Siegfried Katz.JPG Stolperstein Pohlheim Watzenborn-Steinberg Gießener Straße Irene Katz.JPG

verlegt für Familie Katz, Gießener Straße (Aufn. M. Heinemann, 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Band1, S. 387/388

Karl Heinrich Jung, Die Holzheimer Juden, Manuskript um 1985 (z.T. veröffentlicht in: „Hessische Heimat - Wochenendausgabe Gießener Allgemeine Zeitung", No. 12/4, 1988

Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945, Hessen I: Regierungsbezirk Darmstadt, VAS-Verlag, Frankfurt/M. 1995, S. 46/47 

Holzheim und Grüningen, in: alemannia-judaica.de

Watzenborn-Steinberg mit Garbenteich, in: alemannia-judaica.de

Hanno Müller, Juden in Pohlheim  -  Grabenteich 1789-1945, Grüningen 1763-1942, Holzheim 1784 - 1942, Watzenborn-Steinberg 1758 - 1942, hrg. von der Ernst-Ludwig-Chambré-Stiftung Lich, Lich 2015

Verlegte Stolpersteine in Pohlheim, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Pohlheim

ee (Red.), Gedenken in Holzheim: „Wir wollen wachsam sein!“, in: „Lauterbacher Anzeiger“ vom 10.11.2018

M. Bender (Red.), In Grüningen und Holzheim sollen „Stolpersteine“ verlegt werden, in: „Gießener Anzeiger“ vom 8.1.2019

Stefan Schaal (Red.), Demnig verlegt heute Stolpersteine in Grüningen, in: „Gießener Allgemeine“ vom 9.4.2019

Stefan Schaal (Red.), Wo einst die Synagogen standen, in: „Gießener Allgemeine“ vom 23.8.2020

N.N. (Red.), Stolpersteine bald auch in Holzheim, in: „Gießener Anzeiger“ vom 4.2.2022

Albert Mehl (Red.), Stolpersteine in Holzheim bereits übergeben, in: „Gießener Allgemeine“ vom 14.12.2022