Immenrode (Thüringen)
Immenrode (früher Teil der Kommune Schernberg) ist seit 2007 mit seinen knapp 500 Einwohnern ein Ortsteil der Kreisstadt Sondershausen im thüringischen Kyffhäuserkreis – etwa 20 Kilometer südlich von Nordhausen gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Kyffhäuserkreis', aus: ortsdienst.de/thueringen/kyffhaeuserkreis).
In Immenrode, das bis 1918 zum Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen gehörte, war zeitweilig die größte jüdische Gemeinde des Landes beheimatet.
Im nur wenige Kilometer westlich von Sondershausen gelegenen Dörfchen Immenrode gab es vermutlich seit der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts eine kleine israelitische Gemeinde. Deren Angehörige waren durch die Ortsherrschaft Schwarzburg-Rudolstadt aufgenommen worden - bis Ende der 1730er Jahre waren es elf jüdische Familien.
Anm.: Nach alten Chroniken sollen bereits 1345 einige Juden, die vor Verfolgung aus Sondershausen geflüchtet waren, im Dorfe vorübergehend aufgenommen worden sein.
Mitte des 18.Jahrhunderts lebten in Immenrode 16 jüdische Familien, die damit fast 20% der Dorfbevölkerung stellten; sie wohnten in einem eingezäunten Bereich des oberen Dorfes.
Wurden gottesdienstliche Zusammenkünfte zunächst in einer ausgebauten Scheune abgehalten, so gab der Fürst Johann Friedrich von Schwarzburg-Rudolstadt im Jahre 1750 die Genehmigung zum Bau einer Synagoge. Als die Gemeinde im ersten Viertel des 19.Jahrhunderts ihren zahlenmäßigen Höchststand erreichte, errichtete sie im Dorf ein neues Synagogengebäude (1818); der Fürst von Schwarzburg-Rudolstadt soll das Bauvorhaben „sehr kräftig“ unterstützt haben.
Über den Synagogenbau berichtete die jüdische Zeitschrift „Sulamith“:
aus: „Sulamith“, Jg. 5, 2/1818
Zur Besorgung gemeindlicher Aufgaben war ein Lehrer angestellt, der neben Elementarunterricht auch die religiöse Unterweisung der Kinder tätigte; zugleich übte er auch das Amt des Vorbeters und des Schächters aus.
Anzeigen aus der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 27.Nov. 1843 und vom 3.Dez. 1867
Ein eigenes Beerdigungsgelände war schon im frühen 18.Jahrhundert am Müllersberg – ca. zwei Kilometer südöstlich des Dorfes - angelegt worden; es gehört damit zu den ältesten jüdischen Begräbnisstätten in Thüringen.
Zuständiges Rabbinat für Immenrode war das in Schwarzburg-Sondershausen.
Juden in Immenrode:
--- 1727 ............................. 2 jüdische Familien,
--- 1737 ............................. 11 “ “ ,
--- 1750 ............................. 18 “ “ ,
--- 1853/54 .......................... 24 “ “ (ca. 150 Pers.),
--- 1872 ............................. 44 Juden,
--- 1907 ............................. 11 “ ,
--- 1913 ............................. 7 “ .
Angaben aus: Israel Schwierz, Zeugnisse jüdischer Vergangenheit in Thüringen. Eine Dokumentation, S. 163 f.
Nach 1855/1860 ging infolge Ab- und Auswanderung die Zahl der in Immenrode lebenden Juden schnell zurück, so dass sich die Gemeinde etwa 40 Jahre später ganz auflöste. Eine Feuersbrunst im Frühjahr 1862 hatte zehn „ohnehin schon hilfsbedürftige“ jüdische Familien obdachlos gemacht, die daraufhin das Dorf verließen.
Kurz vor dem Ersten Weltkrieg lebten in Immenrode noch etwa zehn Juden, die der Gemeinde Frankenhausen angehörten.
Das Synagogengebäude wurde Mitte der 1920er Jahre verkauft und ca. ein Jahrzehnt später abgebrochen.
In der NS-Zeit wurde der jüdische Friedhof zerstört und geriet danach in Vergessenheit. Ende der 1980er-Jahre gab es Bemühungen, den Friedhof - soweit möglich – wieder herzurichten. Das Begräbnisareal gliedert sich in ein altes Gräberfeld im Westen und ein neues, östlich gelegenes, auf dem vermutlich bis in die 1930er-Jahre hinein bestattet wurde. Inzwischen wurden die noch erhaltenen Grabsteine restauriert und aufgestellt; 2010 wurde eine Dokumentation der lesbaren Grabsteininschriften erstellt; diese befindet sich in der epigraphischen Datenbank des Steinheim-Instituts in Essen.
Der jüdische Friedhof bei Immenrode (Aufn. J. Hahn, 2011, in: alemannia-judaica.de)
Weitere Informationen:
Hans Nothnagel (Hrg.), Juden in Südthüringen geschützt und gejagt. Eine Sammlung jüdischer Lokalchroniken in sechs Bänden, Verlag Buchhaus Suhl, Suhl 1988
Doreen Winker/Hannelore Kutscha, ‘Juden-Immenrode’ - die größte jüdische Gemeinde des Fürstentums Schwarzburg-Rudolstadts im 18. und 19.Jahrhundert, in: Beiträge zur Geschichte der Juden Schwarzburgs - Juden in Schwarzburg Band 1 - Festschrift zu Ehren Prof. Philipp Heidenheims (1814 - 1906) - Rabbiner in Sondershausen anlässlich seines 100.Todestages, Sondershausen 2006, S. 49 – 58
Israel Schwierz, Zeugnisse jüdischer Vergangenheit in Thüringen. Eine Dokumentation, hrg. von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Sömmerda 2007, S. 163 – 167
Nathanja Hüttenmeister, Dokumentation des jüdischen Friedhofes in Immenrode, in: Datenbank des Salomon Steinheim-Instituts, 2010
Immenrode, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Sebastian Garthoff (Red.), Jüdischer Friedhof Immenrode nach Sanierung vorgestellt, in: „Thüringer Allgemeine“ vom 13.9.2012