Hahnheim/Selz (Rheinland-Pfalz)
Hahnheim ist eine Ortsgemeinde mit derzeit ca. 1.500 Einwohnern im Landkreis Mainz-Bingen; sie gehört der Verbandsgemeinde Rhein-Selz an, die ihren Verwaltungssitz in der Stadt Oppenheim hat - wenige Kilometer südwestlich von Nierstein bzw. ca. 30 Kilometer südlich von Mainz gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Hahnheim und Kartenskizze 'Landkreis Mainz-Bingen', aus: ortsdienst.de/rheinland-pfalz/landkreis-mainz-bingen).
In dem unter der Herrschaft mehrerer Adelsfamilien stehende Dorfe Hahnheim waren bereits seit „längeren Zeiten“ wenige jüdische Familien ansässig; als erster sicherer urkundlicher Nachweis gilt das sog. „Judenverzeichnis“ aus dem Jahre 1723.
Eine selbstständige Kultusgemeinde gründete sich Anfang der 1830er Jahre; drei Hahnheimer Juden bildeten den Vorstand, der nun mit der „Besorgung aller Angelegenheiten seiner Religionsgemeinde” beauftragt war. Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörte eine um 1840 in der Dorfmitte erbaute Synagoge; sie ersetzte einen älteren Betraum und diente der damals fast 100köpfigen Gemeinde als gottesdienstlicher Versammlungsraum.
Modell der Synagoge in Hahnheim (erstellt vom Arbeitskreis Hahnheimer Geschichte)
Stellenangebote der jüdischen Gemeinde Hahnheim, in: "Der Israelit" vom 26.Sept. 1886 und vom 17.Juni 1889
Ein eigenes Friedhofsgelände - einige hundert Meter südlich des Ortes gelegen - bestand seit Mitte des 18.Jahrhunderts.
Zur jüdischen Gemeinde Hahnheim gehörten auch die wenigen Familien aus Köngernheim, Mommenheim und Selzen.
Juden in Hahnheim:
--- um 1725 ...................... 2 jüdische Familien,
--- 1801 ......................... 20 Juden,
--- 1824 ......................... 40 “ ,
--- 1834 ......................... 54 “ (ca. 9% d. Dorfbev.),
--- 1849 ......................... 92 “ (ca. 14% d. Dorfbev.),
--- 1861 ......................... 84 ” ,
--- 1871 ......................... 75 “ ,
--- 1873 ......................... 60 “ ,
--- 1900/05 ...................... 46 “ ,
--- 1931 ......................... 25 “ ,
--- 1936 (Apr.) .................. 11 “ .
Angaben aus: Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff, Synagogen. Rheinland-Pfalz und Saarland, S. 177
Um die Mitte des 19.Jahrhunderts hatte die Zahl der Gemeindeangehörigen mit knapp 100 Personen ihren Höchststand erreicht; infolge Abwanderung halbierte sich bis 1900 die Zahl der Gemeindemitglieder. Zu den vier Familien, die die Geschicke der Hahnheimer Gemeinde im wesentlichen bestimmten, gehörten die Weinhändlerfamilie Trum, der Viehhändler Issak Haas und die Familien Josef Mann und Strauß. Innerhalb der Dorfgesellschaft waren die jüdischen Bewohner bis in die 1930er Jahre anerkannt und führten „ein ungestörtes Leben in guter Koexistenz”. Doch mit dem Beginn der NS-Zeit änderten sich auch in Hahnheim die Lebens- und Wirtschaftsbedingungen seiner jüdischen Bewohner. Im Frühjahr 1936 lebten hier nur noch elf Juden.
Die etwa ein Jahrhundert lang genutzte Synagoge wurde während der Novembertage 1938 völlig zerstört. „Unbekannte“ hatten das Gebäude in Brand gesetzt, wobei die Feuerwehr nicht eingriff; ins Feuer warf man noch aus jüdischen Häusern herausgeschleppte Gegenstände. Kurz danach legte man die Synagogenruine weitgehend nieder - nur das Kellergeschoss blieb erhalten.
J-Kennkarte von Ferdinand Mann (Selzen)
Der jüdische Friedhof in Hahnheim wurde 1944 weitgehend zerstört; die Grabsteine wurden abgeräumt und zu einer Panzersperre verbaut.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind neun aus Hahnheim stammende bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene jüdische Bewohner bekannt, die Opfer der Shoa geworden sind; jeweils zwei jüdische Personen aus Mommenheim und Selzen wurden Opfer der "Endlösung" (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/hahnheim_synagoge.htm).
Drei Jahre nach Kriegsende wurde der Friedhof - so gut es eben ging - wieder hergerichtet (Aufn. J. Hahn, 2005) und eine Gedenkstele (Aufn. N., 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0) errichtet, die unter einem Davidstern die folgende Inschrift trägt:
Dem Andenken der durch das Nazi-Regime umgekommenen Mitglieder der israelitischen Kultusgemeinde Hahnheim
Der Friedhof wurde 1944 von den Nazis zerstört und die Grabsteine zu einer Panzersperre verwandt.
Am ehemaligen Standort der Synagoge ließ die Kommune einen Stein mit Gedenktafel aufstellen:
Zum Gedenken an die Synagoge
erbaut im Jahre 1840 zerstört in der Nacht zum 10.Nov. 1938
Zudem weist ein jüngst in die Pflasterung eingefügter Davidstern auf den früheren Standort des Synagogengebäudes hin.
Synagogenplatz (Aufn. Kommune Hahnheim, 2015)
In der Unteren Hauptstraße wurden fünf sog. „Stolpersteine“ verlegt, die an Angehörige der beiden jüdischen Familien Trum und Mann erinnern.
verlegt in der Unteren Hauptstraße (Aufn. Alfons Tewes, 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
verlegt für Amalie und Ferdinand Mann in Hahnheim-Selzen, Gaustraße
[vgl. Nierstein und Oppenheim (Rheinland-Pfalz)]
In Mommenheim - ebenfalls Teil der heutigen Verbandsgemeinde Rhein-Selz - war im 19. und beginnenden 20.Jahrhundert eine nur aus mehreren Familien bestehende kleine israelitische Gemeinde existent, die dem Rabbinat Mainz unterstand. Um 1830/1840 setzte sie sich aus knapp 40 Angehörigen zusammen. Nachdem die Synagoge baufällig geworden war, wurden Zusammenkünfte in einem Betraum eines Privathauses abgehalten. Begräbnisse fanden zunächst auf den Friedhöfen in Lörzweiler und Sörgenloch bzw. Ebersheim statt, ehe ein eigenes Begräbnisgelände am Nazarienberg angelegt wurde. Um 1910/1920 löste sich die immer kleiner gewordene Gemeinde auf; die noch hier lebenden Juden gehörten fortan der Kultusgemeinde Hahnheim an. Anfang der 1930er Jahre lebten noch vier jüdische Bewohner im Dorf. Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem sind zwei aus Mommenheim stammende Juden Opfer der Shoa geworden (namentliche Nennung der beiden betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/mommenheim_juedgeschichte.htm).
Der Friedhof – am Ortsausgang Richtung Selzen gelegen - ist heute das einzig erhaltene bauliche Zeugnis jüdischer Geschichte Mommenheims.
Teilansicht des jüdischen Friedhofs (Aufn. J. Hahn, 2005)
Weitere Informationen:
Jakob Grimm, Ortsgeschichte von Mommenheim, Mommenheim 1912/1913
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 314
Marek Zurowski, Die Hahnheimer Juden und ihre Gemeinde, in: Hahnheim 764 - 1990. Aus der Geschichte einer rheinhessischen Weinbaugemeinde, Horb 1991, S. 193 - 204
Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 177/178
Hahnheim mit Köngernheim und Selzen, in: alemannia-judaica.de
Mommenheim, in: alemannia-judaica.de
Walter Schwamb, Die jüdischen Bewohner der Selztalgemeinden: Hahnheim, Selzen, Friesenheim, Undenheim, Dahlheim, Mommenheim und ihrer Nachbardörfer Schornsheim und Udenheim, 2012
Hans-Dieter Graf/Gabriele Hannah (Red.), Volksnahe Unternehmer mit Herz. Bena und Abe Maas gründeten in Florida großes Kaufhaus. Vor 150 Jahren in Mommenheim geboren, in: „Rhein-Main-Presse“ vom 9.3.2013
Torben Schröder (Red.), Hahnheim: Verneigung vor den Opfern, in: „Allgemeine Zeitung – Rhein-Main Presse“ vom 6.9.2016