Heuchelheim/Weinstraße (Rheinland-Pfalz)

Jüdische Gemeinde - Landau (Rheinland-Pfalz)https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/3/3d/Karte_Landkreis_S%C3%BCdliche_Weinstra%C3%9Fe.png?uselang=de   Heuchelheim ist heute Teil der Ortsgemeinde Heuchelheim-Klingen (in der Verbandsgemeinde Landau-Land) südwestlich von Landau im Kreis Südliche Weinstraße (topografische Karte 'Pfälzer Wald' ohne Eintrag von Heuchelheim/Klingen, Lencer 2008, aus: wikivoyage.org/wiki, GFDL  und  Skizze 'Landkreis Südliche Weinstraße', 2007, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Im nahe Landau gelegenen Dorfe Heuchelheim waren jüdische Bewohner vermutlich bereits seit der Mitte des 16.Jahrhunderts ansässig, doch liegen sichere Nachweise über jüdisches Leben im Ort erst seit 1722 vor. Ihren Höchststand erreichte die Zahl der Heuchelheimer Juden gegen Mitte des 19.Jahrhunderts mit knapp 120 Personen; damit waren damals immerhin ca. 13% der Dorfbevölkerung mosaischen Glaubens.

Die in der Mitte des 18.Jahrhunderts sich bildende jüdische Gemeinde hielt ihre gottesdienstlichen Zusammenkünfte zunächst in einer bescheidenen Betstube in einem Privathaus ab; Jahrzehnte später nutzte man dann einen als Synagoge eingerichteten beengten Raum im Hause eines anderen Gemeindemitglieds. Nach Auflösung der jüdischen (Elementar)Schule in der Hauptstraße wurde das Gebäude umgebaut und 1880 dort die Synagoge der Kultusgemeinde untergebracht; genutzt wurde das Gotteshaus bis 1909. Auszüge aus der ersten der insgesamt drei Synagogenordnungen der Heuchelheimer Kultusgemeinde von Mai 1838:

1. Sobald der Gottesdienst in der Synagoge begonnen hat, ist es Niemanden gestattet mehr in denselben einzugehen.

2. Der Gottesdienst soll mit gehöriger Andacht verrichtet werden, so wie es die Religion gebietet.

3. Während der Gebete darf keiner mit dem Anderen sprechen, damit die Andacht nicht gestört werde.

4. Wenn die Thora vom Vorsänger vorgelesen wird, darf niemand laut mitlesen, damit das Wort Gottes mit Ehrfurcht vernommen werden könne.

5. Wer nicht mit Anstand gekleidet ist, darf nicht zur Vorlesung der Thora aufgerufen werden.

6. Die Eltern sind verbunden auf ihre Kinder während des Gottesdienstes Acht zu halten, ...

7. Kinder unter 10 Jahren dürfen nicht in der Synagoge erscheinen.

...

9. Es ist keinem erlaubt sich während des Gottesdienstes von seinem bestimmten Platze zu entfernen, sondern hat so lange an demselben zu bleiben, bis der Gottesdienst ganz geendigt sein wird.

...

11. Ohne Erlaubnis des Vorstandes darf niemand den Vorsängerdienst versehen.

12. Kein Lediger kann zur Vorlesung der Thora am Sabbathe und Feiertagen aufgerufen werden, worunter jedoch ein Bräutigam nicht ist; lediglich Personen, die den Jahrestag ihrer verstorbenen Eltern feiern, kann dieses, mit Erlaubnis des Vorstandes zugelassen werden. ...

 

Seit den 1830er Jahren verfügte die jüdische Gemeinde Heuchelheims über ein kleines Schulgebäude, in dem bis in die 1880er Jahre Elementarunterricht erteilt wurde. Zu den gemeindlichen Kultuseinrichtungen der Heuchelheimer Juden zählte auch eine Mikwe.

Zur Erledigung gemeindlicher Aufgaben war ein jüdischer Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war.

Ein eigenes Friedhofsgelände gab es aber nicht; die verstorbenen Gemeindeangehörigen wurden seit dem 17.Jahrhundert auf dem jüdischen Friedhof von Ingenheim begraben. 

Die wenigen jüdischen Bewohner aus Klingen gehörten nach 1850 der Kultusgemeinde Heuchelheim an.

Landau war für die israelitische Gemeinde Heuchelheim das zuständige Bezirksrabbinat.

Juden in Heuchelheim:

         --- um 1725 ...................... eine jüdische Familie,

    --- um 1765 ......................  13     “       “   n,

    --- 1808 .........................  55 Juden (ca. 7% d. Bevölk.),

    --- 1825 .........................  91   “   (ca. 11% d. Bevölk.),

    --- 1835 .........................  87   "  ,

    --- 1843 ......................... 117   “   (ca. 13% d. Bevölk.),

    --- 1858 ......................... 100   “  ,

    --- 1861 .........................  84   "  ,

    --- 1871 .........................  65   “  ,

    --- 1885 .........................  43   “  ,

    --- 1900 .........................  23   “  ,

    --- 1910 .........................  14   "  ,

    --- 1925 .........................  11   "  ,

    --- 1933 .........................   6   “  ,

    --- 1940 .........................   3   “  .

Angaben aus: Bernhard Kukatzki, Die jüdische Kultusgemeinde Heuchelheim b. Landau, S. 10

 

Die Heuchelheimer Juden lebten im 19.Jahrhundert fast ausschließlich vom Handel; neben mehreren Viehhändlern gab es am Ort auch jüdische Erwerbstätige im Spezerei-, Woll- und Baumwoll, Eisen- und Fruchthandel. Allerdings liefen ihre Handelsgeschäfte recht bescheiden, sodass zumeist eine kleine Landwirtschaft nebenher betrieben wurde. Auf Grund von Auswanderung, zumeist nach Nordamerika, und der Abwanderung in die städtischen Zentren schrumpfte die Zahl der Gemeindeangehörigen immer mehr; 1909 löste sich die Kultusgemeinde Heuchelheim schließlich offiziell auf; das Synagogengebäude in der Hauptstraße wurde aufgegeben. Die noch am Ort verbliebenen Juden gehörten fortan der jüdischen Gemeinde von Ingenheim an.

Zu Beginn der NS-Zeit lebten nur noch fünf Juden in Heuchelheim. Als letztes Geschäft in jüdischem Besitz existierte bis in die 1930er Jahre ein Textilladen. Im November 1938 wurde die Synagoge in Ingenheim zerstört; daran beteiligten sich auch aktiv SA-Angehörige aus Heuchelheim. Die letzten drei jüdischen Einwohner wurden am 22. Oktober 1940 nach Gurs/Südfrankreich deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 17 aus Heuchelheim stammende Juden Opfer der „Endlösung“ (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/heuchelheim_synagoge.htm).

Vom Synagogengebäude in der Hauptstraße gibt es heute keine Überreste mehr; an dessen Standort befindet sich heute ein Wohnhaus.

 

 

In Klingen bestand bis um 1860 eine winzige jüdische Gemeinde, deren Entstehung ins 18.Jahrhundert zurückgeht; mit ca. 40 Angehörigen erreichte sie um 1845 ihren personellen Höchststand. Als Filialgemeinde war sie – gemeinsam mit den Familien aus Pleisweiler – zunächst der Kultusgemeinde Klingenmünster angeschlossen.

         http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20194/Klingen%20Israelit%2017091879.jpg aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Sept. 1879

Ab den 1850er Jahren suchte man die Synagoge in Heuchelheim auf. Verstorbene wurden auf dem israelitischen Friedhof in Ingenheim beerdigt. Die letzte jüdische Familie verließ Klingen um 1870.

Hinweis: Im gleichnamigen Heuchelheim bei Frankenthal (Rheinland-Pfalz) – es gehört heute zur Verbandsgemeinde Lambsheim-Heßheim – war bis ins 20.Jahrhundert die zentrale Begräbnisstätte für die Juden der umliegenden Dörfer, im 18. Jahrhundert sogar der Stadt Frankenthal. 

vgl. dazu: Frankenthal (Rheinland-Pfalz)

 

 

 

Weitere Informationen:

Bernhard Kukatzki, Die jüdische Kultusgemeinde Heuchelheim b. Landau, Schifferstadt 1995

Bernhard Kukatzki, Die jüdischen Friedhöfe in Heuchelheim, in: "Heimatjahrbuch Ludwigshafen", No.19/2003, S. 23 f.

Heuchelheim, in: alemannia-judaica.de

Klingen, aus: alemannia-judaica.de

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 185/186

Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südwestpfalz, Hrg. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz (Landau), Dahn 2005, S. 87/88