Homberg/Ohm (Hessen)
Homberg/Ohm ist eine Kleinstadt im hessischen Vogelsbergkreis mit derzeit ca. 7.000 Einwohnern – etwa 20 Kilometer südöstlich von Marburg gelegen (Ausschnitt aus der hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Vogelsbergkreis', Andreas Trepte 2006, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 2.5).
Vermutlich hielten sich bereits vor den Pestpogromen von 1348/1349 vereinzelt Juden in der hessischen Ortschaft Homberg auf; auch zu Beginn des 16.Jahrhunderts sollen zwei jüdische Familien hier ansässig gewesen sein. Erst in den Jahren unmittelbar vor dem Dreißigjährigen Krieg sind dann erneut jüdische Bewohner hier urkundlich nachweisbar. Eine Kultusgemeinde gründete sich am Ort um 1705/1710; allerdings war die Zahl ihrer Mitglieder sehr gering. Um 1830 zeichnete sich ein deutliches Wachstum ab; ihren Zenit erreichte die Zahl der Gemeindeangehörigen um 1900, als ca. 6% der Gesamtbevölkerung mosaischen Glaubens waren.
Der zu Beginn des 18.Jahrhunderts eingerichtete Synagogenraum war im Obergeschoss eines einfachen Gebäudes untergebracht, das in der zum Schloss führenden Gasse lag; im Hause befanden sich auch der Schulraum, die Lehrerwohnung und das rituelle Bad.
Stellenangebote aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 27.12.1871 und vom 24.8.1903
Ein älterer jüdischer Friedhof befand sich im Gemarkungsteil „Ziegelhütte“. Danach stand der Gemeinde ein Begräbnisplatz in der Marktstraße zur Verfügung, der auch Ruhestätte für die verstorbenen Juden aus Burg-Gemünden und Nieder-Gemünden, bis 1832 auch für die aus Kirdorf, war.
Juden in Homberg:
--- 1502 ........................... 2 jüdische Familien,
--- um 1770 ........................ 9 “ “ ,
--- 1828/30 ........................ 88 Juden,
--- 1861 ........................... 66 “ ,
--- 1871 ........................... 62 “ (ca. 4% d. Bevölk.),
--- 1880 ........................... 75 “ ,
--- 1895 ........................... 94 “ (ca. 7% d. Bevölk.),
--- 1905 ........................... 56 “ ,
--- 1925 ........................... 40 “ ,
--- 1929/30 ........................ 37 “ ,
--- 1939 ........................... 3 “ ,
--- 1941 (Jan.) .................... keine.
Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 388
Um 1850/1900 verdienten die Juden Hombergs ihren Lebensunterhalt als Manufaktur- und Einzelwarenhändler, einige waren im Viehhandel tätig; die meisten Familien lebten in eher bescheidenen Verhältnissen. 1925 gab es in Homberg vier jüdische Manufakturwarenhändler, zwei jüdische Viehhändler und ein Geschäft, das Eisen- und Kolonialwaren vertrieb. Nach 1900 begann die Zahl der Gemeindemitglieder zu sinken, was einerseits ökonomische Gründe hatte, andererseits aber auch an antisemitischen Vorfällen der Vergangenheit lag. Der Wegzug von Juden beschleunigte sich dann in den 1930er Jahren. Behördlich angeordnete Maßnahmen drängten die jüdischen Händler immer mehr an den Rand und erschwerten ihre Geschäfte zusehends. Während ein Teil der Familien in größere Städte verzog, emigrierte ein anderer Teil. Mit Auflösung der Gemeinde 1935/1937 ging auch der Verkauf des Synagogengebäudes einher. Der letzte jüdische Bewohner soll Homberg im Jahre 1940 verlassen haben. Die Angehörigen zweier jüdischer Homberger Familien ( sechs Pers.) wurden nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/homberg_ohm_synagoge.htm).
Das einstige, heute unter Denkmalschutz stehende Synagogengebäude wurde Ende der 1980er Jahre restauriert; allerdings blieb dabei nur die Fassade des in Privatbesitz befindlichen Hauses erhalten.
Auf dem jüdischen Friedhof - das Gelände ist in einem gepflegten Zustand - haben ca. 70 Grabsteine die Zeiten überdauert.
Jüdisches Friedhofsgelände in Homberg (beide Aufn. J. Hahn, 2008)
2018 wurden in der Marktstraße drei sog. "Stolpersteine" verlegt, die an Angehörige der jüdischen Familie Dessauer erinnern, die Opfer der Shoa geworden ist.
Stolpersteine in der Marktstraße (Aufn. Kratz/Stadt Homberg/Ohm)
Im gleichnamigen Homberg a.d. Efze im Bezirk Fritzlar (Hessen) - heute Kreisstadt im Schwalm-Eder-Kreis (Ausschnitt aus der hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Schwalm-Eder-Kreis', TUBS, 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0) gab es auch eine kleine jüdische Gemeinde, die allerdings zu keiner Zeit kaum mehr als zehn Familien umfasste. Hinweise auf jüdisches Leben stammen aus der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts; allerdings war hier keine kontinuierliche Ansässigkeit zu verzeichnen. Um 1910 zählte die wenige Jahre zuvor gegründete Homberger Gemeinde ca. 50 Mitglieder; ein eigenes Synagogengebäude gab es nicht, man traf sich in privaten Räumlichkeiten in der Salzgasse; zuvor waren Gottesdienste in Falkenberg aufgesucht worden. Begräbnisse fanden zunächst auf dem jüdischen Friedhof in Falkenberg statt, auf dem auch Verstorbene aus Malsfeld, Wabern und Wolfhagen beerdigt wurden; im 19.Jahrhundert legte man dann eine neue Begräbnisstätte in Homberg an. - Eine Gedenktafel erinnert heute in Homberg an den Betsaal der kleinen jüdischen Gemeinschaft. Seit 2005/2006 werden im Ort eine Reihe sog. „Stolpersteine“ verlegt, die an Menschen erinnern, die während der NS-Zeit verfolgt, vertrieben oder deportiert/ermordet wurden.
Stolpersteine in der Bischofstraße und Salzgasse (Aufn. Klaus Bölling, in: homberg.bilderbuch.de)
in der Bahnhofstr. (Aufn. G., 2019, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Im wenige Kilometer südöstlich von Homberg/Ohm gelegenen Nieder-Gemünden existierte bis ins 20.Jahrhundert hinein eine kleine jüdische Gemeinde, der auch die wenigen Familien aus Rülfenrod angeschlossen waren. Jüdische Bewohner waren seit Ende des 17.Jahrhunderts dort ansässig; die bekannteste jüdische Familie war die Familie Jacobs. Das älteste Dokument über jüdisches Leben in Nieder-Gmünden ist eine Rechnung datiert 1701.
Der Betraum befand sich in einem Privathaus in der Obergasse (heute Brühlweg). Verstorbene wurden auf dem Friedhof in Rülfenrod, später in Homberg beerdigt.
Um 1900 lebten in Nieder-Gemünden acht jüdische Familie mit insgesamt ca. 40 Personen; in den Jahren vor und nach dem Ersten Weltkrieg veräußerten die meisten Familien ihre Häuser, verließen den Ort und emigrierten zumeist nach Übersee. 1939 lebte nur noch eine jüdische Person in Nieder-Gemünden.
siehe: Nieder-Gemünden (Felda/Hessen)
Weitere Informationen:
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 388 – 391 (Homberg/Ohm u. Homberg/Efze) und Bd. 2, S. 134/135 (Nieder Gemünden)
A. Wiesemüller/M. Krauss, Jüdische Friedhöfe im Vogelsbergkreis, in: Kulturverein Lauterbach e.V. (Hrg.), Fragmente ... jüdischen Lebens im Vogelsberg, Lauterbach 1994, S. 80/81
Walter Seitz, Homberg im 20.Jahrhundert. Die Jahre 1933 bis 1945, in: Festschrift des Jahres 1994, Homberg 1994, S. 126 - 129
Studienkreis Deutscher Widerstand (Hrg.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 – 1945, Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt, 1995, S. 195/196
Walter Seitz, Wo wohnten die jüdischen Familien in Homberg vor und um 1930, Maschinenmanuskript, Homberg, Nov. 2003
Homberg (Ohm), in: alemannia-judaica.de (mit Text- u. Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Homberg (Efze), in: alemannia-judaica.de (mit wenigen Dokumenten)
Frirt Dreytza/Christian Fäcke, Spuren jüdischen Lebens im Kreis Homberg, Homberg (Efze), 2004
Homberg (Efze) – ein InternetBilderbuch. Stolpersteine für die jüdischen Homberger, die während des Nationalsozialismus ermordet oder ins Exil getrieben wurden, online abrufbar unter: boelling.de/homberg/bilderbuch/bilder/stolpersteine/stolpersteine
Auflistung der in Homberg (Efze) verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Homberg_(Efze)
Christiane Fäcke/Sandra Höxter/Thomas Schattner (Hrg.), Das waren doch unsere Nachbarn. Zur Geschichte der Homberger Kaufmannsfamilie Höxter, veröffentlicht vom Zweigverein Homberg (Efze) im Verein für hessische Geschichte und Landeskunde Kassel e.V., Katalog einer Ausstellung, Kassel 2012
Stadt Homberg (Ohm), Drei Stolpersteine erinnern an jüdische Mitbürger – Bewegendes Gedenken an ermordete Homberger Juden, online abrufbar unter: oberhessen-live.de/2018/11/08/
Auflistung der Stolpersteine in Homberg (Ohm), online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Homberg_(Ohm)
Bernd Reitz (Red.), Bedeutung des Totenweges, in: „Oberhessische Zeitung“ vom 14.11.2020