Homburg (Saarland)
Homburg ist die Kreisstadt des Saarpfalz-Kreises im Saarland mit derzeit ca. 42.000 Einwohnern (Ausschnitt aus topografischer Karte, E. 2019, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 und Kartenskizze 'Saarpfalz-Kreis', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
Gegen Ende des 17.Jahrhunderts wurden erstmals zwei in Homburg ansässige Schutzjuden erwähnt; ob bereits im 14.Jahrhundert in Homburg Juden gewohnt haben, kann nicht eindeutig nachgewiesen werden, obwohl in einer Urkunde von 1330 vom „landesherrlichen Judenschutz“ gesprochen wurde. Eine weitere Ansiedlung unterblieb bis Ende des 18.Jahrhunderts, als die restriktive Judenpolitik aufgegeben wurde. In der Folgezeit waren Juden in Homburg im Markt- und Geldhandel tätig; sie besaßen hier sogar Zugang zu den Zünften. Im Laufe des 19.Jahrhunderts wuchs die jüdische Bevölkerung enorm an; ihre wirtschaftliche und politische Integration in die Stadtgesellschaft war um 1900 vollständig abgeschlossen.
Eine erste Privatsynagoge der Homburger Judenschaft gab es seit der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts in der Deutschen Gasse, der heutigen Karlsbergstraße. Die neue Synagoge der Homburger Gemeinde befand sich in der Klostergasse unweit des Marktplatzes; das von der jüdischen Gemeinde angekaufte und danach teilumgebaute Gebäude der Franziskaner-Klosterkirche wurde 1862 eingeweiht. Aus einer Anzeige im „Zweibrücker Wochenblatt” vom 14.Febr. 1862: "Die feierliche Einweihung der hiesigen Synagoge findet am 21.Februar nächsthin statt und es läßt der Unterzeichnete zur Verherrlichung dieses Festes den 22. und 23.Februar im Dudenhöffer’schen Saale einen Ball abhalten, wobei für gute Speisen und Getränke besondere Sorge getragen wird. ... Moses Seligmann"
Synagoge in Homburg - hist. Aufn. (aus: Sammlung J. Hahn und M. Lazarus, 1922, in: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Religiöse Aufgaben der Gemeinde erledigte ein Lehrer, der neben der Unterrichtung der Kinder auch als Vorbeter und Schochet tätig war. Fast ein halbes Jahrhundert (von 1864 bis 1911) wirkte für die Homburger Gemeinde Lehrer Lippmann Holland.
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21.Dez. 1911
Ihre Toten bestatteten die Homburger Juden zunächst auf dem jüdischen Friedhof in Blieskastel; in den 1820er Jahren wurde am Fuße des Schlossberges eine eigene Begräbnisstätte angelegt; die letzte Beerdigung fand hier 1973 statt.
Anm.: Der jüdische Friedhof in Blieskastel war seit 1690 zentrale Begräbnisstätte für alle Juden aus Blieskastel, Homburg, St. Ingbert, Gersheim und Medelsheim.
Noch 1935 (!) wurde ein neues Begräbnisgelände eingeweiht; doch fand hier nur eine einzige Beerdigung statt.
Zur jüdischen Gemeinde Homburg gehörten zeitweilig auch die in Waldmohr jüdischen Personen.
Die Gemeinde war dem Rabbinatsbezirk Zweibrücken bzw. Pirmasens zugeordnet.
Juden in Homburg (Saar):
--- 1698 .......................... 2 jüdische Familien,
--- 1777 .......................... 4 “ “ ,
--- 1791 .......................... 10 “ “ ,
--- 1808/09 ....................... 126 Juden,
--- 1823 .......................... 193 “ ,
--- 1849 .......................... 275 “ ,
--- 1861 .......................... 263 “ ,
--- 1871 .......................... 208 “ ,
--- 1880 .......................... 220 “ ,
--- 1895 .......................... 175 “ ,
--- 1900 .......................... 140 “ ,
--- 1910 .......................... 151 “ ,
--- 1927 .......................... 162 “ (ca. 2% d. Bevölk.),
--- 1933 (Jan.) ................... 163 “ ,
--- 1935 (Juni) ............... ca. 110 “ ,
--- 1936 (März) ................... 32 “ ,
--- 1938 (Nov.) ................... 19 “ ,
--- 1940 (Dez.) ................... keine.
Angaben aus: H.Jochum/J.P.Lüth (Hrg.), Jüdische Friedhöfe im Saarland, S. 13
und Dieter Blinn, Juden in Homburg - Geschichte einer jüdischen Lebenswelt 1330 - 1945, S. 122
Homburg – links im Bild die Synagoge, hist. Postkarte (aus: Sammlung J. Hahn, aus: alemannia-judaica.de)
Nach dem Ersten Weltkrieg stand das Saargebiet - laut Versailler Vertrag - offiziell unter Völkerbund-Verwaltung. Juden war hier Religionsfreiheit garantiert worden. Doch schon zu diesem Zeitpunkt zeigten sich NSDAP-Aktivitäten; so wurde in Homburg 1926 die erste NSDAP-Landesorganisation für das Saargebiet gegründet. Im Wirtschaftsleben Homburgs spielten jüdische Geschäftsleute eine wichtige Rolle; nach 1920 hatte sich ihre Präsenz noch erhöht; allein im Textilhandel gab es 14 und im Tabakgewerbe elf jüdische Unternehmen. In das gesellschaftlich-soziale Umfeld waren die Homburger Juden weitgehend integriert. Dieses Bild sollte sich mit der NS-Machtübernahme bald ändern, obwohl antijüdische Maßnahmen im autonomen Saargebiet noch nicht rechtswirksam werden konnten. Direkte Auswirkungen konnte der am 1.4.1933 angeordnete reichsweite Boykott demnach nicht haben, doch indirekt machte sich die antisemitische Hetze auch in Homburg bemerkbar. Schmierereien an jüdischen Geschäften und Wohnhäusern, sogar tätliche Angriffe gegenüber einzelnen Juden waren bereits 1933 zu verzeichnen. Nachdem in der Volksabstimmung vom März 1935 eine große Mehrheit für die „Rückkehr der Saar“ ins Reich votierte, verstärkte sich der bereits ab 1934 eingesetzte Exodus der Homburger Juden - besonders in Richtung Frankreich.
Kurzmitteilung in "Der Israelit" vom 3.Okt. 1935
Bis Frühjahr 1936 hatten 80% der 1933 in Homburg lebenden jüdischen Bewohner die Stadt verlassen. Unternehmen und Immobilien im jüdischen Besitz wurde weit unter Wert verkauft, da die Notsituation der Auswanderungswilligen ausgenutzt wurde.
Zeitungsannoncen („Arisierung“)
De facto war bereits 1936 die jüdische Gemeinde Homburg erloschen. Anfang November 1938 lebten in Homburg nur noch 19 Bewohner mosaischen Glaubens.
Der Novemberpogrom von 1938 begann in Homburg auf dem Hof der Hohenburgschule, wo sich SS-Angehörige zusammenrotteten. Sie zogen zur Klosterstraße, um die Synagoge und das einzig noch bestehende jüdische Geschäft von Aron Salomon zu zerstören. Mit Äxten und Beilen zertrümmerte man die Türen der Synagoge und schlug die Fenster zur Straßenseite ein. Nachdem die gesamte Inneneinrichtung blindwütig demoliert worden war, zündeten die SS-Leute die Trümmer inmitten der Synagoge an. Um eine Ausbreitung des Brandes in dem dicht bebauten, innerstädtischen Bereich zu verhindern, griff die Feuerwehr ein. Den Demolierungen und Verwüstungen im Innenraum folgten im Krieg weitere Zerstörungen durch Bomben; nach Kriegsende verfiel das Gebäude zusehends; 1952 wurden Dach und Gebälk wegen Einsturzgefahr abgerissen.
Aus der „Homburger Zeitung” vom 11.11.1938:
Die Homburger Synagoge angesengt
Homburg, 11.Nov. Die feige Mordtat des Judenbengels Grünspan an dem deutschen Gesandtschaftsrat vom Rath setzte auch die Bevölkerung unserer Stadt derart in Erregung, daß sich gegen das Geschäft Salomon und die Synagoge Luft machte. Eine große Menschenmenge verfolgte gestern morgen die Zertrümmerung des Salomon’schen Ladens sowie der Synagoge, deren Inventar man den Flammen übergab. Einige ganz Beherzte kletterten auf das Dach und entfernten unter ungeheurem Jubel das jüdische Symbol, den Judenstern.
Synagogengebäude (hist. Aufn. Ende 1938, aus: Eva Tigmann)
Die letzten 16 jüdischen Bewohner wurden am 20.Oktober 1940 im Rahmen der "Wagner-Bürckel-Aktion" ins südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert. Insgesamt wurden 29 der von den 1933 insgesamt registrierten 163 Homburger Juden Opfer der „Endlösung“.
Nach Kriegsende kehrten acht ehemalige jüdische Einwohner nach Homburg zurück.
Eine Informationstafel im Innern der seit 2003 als Gedenkstätte dienenden Synagogenruine in der Homburger Altstadt verweist auf die Geschichte des ehemaligen jüdischen Gotteshauses.
Ruine als Gedenkstätte - Eingangsportal (Aufn. 2019, aus: commons.wikimedia.org, CCO)
2011 wurde - auf Initiative einer Konfirmandengruppe - an der Außenmauer der ehemaligen Synagoge in Homburg eine Tafel angebracht, auf der die Namen aller 165 Homburger Juden verzeichnet sind, die in die Emigration getrieben oder ermordet wurden.
Nach Beschluss des Stadtrates (2018) wurde - an Stelle von sog. "Stolpersteinen" - ein Denkmal für die während der NS-Zeit verfolgten und ermordeten jüdischen Bewohner präferiert. Ein Jahr später konnte dann am Homburger Marktplatz das „Mahnmal gegen das Vergessen“ zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus eingeweiht werden. Auf den sieben, im Halbkreis angeordneten Granitstelen - ein Entwurf des Künstlers Klaus Glutting - sind Plaketten angebracht, die die Namen der jüdischen Opfer tragen.
Mahnmal in Homburg (Aufn. Patrick Wiermer, 2019)
2023 wurden auf Initiative von Schüler/innen der Geschichts-AG des Saarpfalz-Gymnasiums an vier Standorten in der Innenstadt von Homburg 16 sog. „Stolpersteine“ verlegt, die an das Schicksal von Menschen erinnern, die in der NS-Zeit verfolgt, vertrieben, deportiert oder ermordet wurden.
verlegt am Markt (Aufn. D. Bluthardt, 2023)
(Aufn. Saarpfalz-Gymnasium)
Auf dem jüdischen Friedhof befinden sich heute ca. 190 Grabsteine; der älteste datiert von 1823.
Jüdischer Friedhof in Homburg, rechts: älterer Teil (Aufn. J. Hahn, 2011)
In Waldmohr - ca. zehn Kilometer nördlich von Homburg, heute mit ca. 5.000 Einwohnern zur Verbandsgemeinde Oberes Glantal gehörend - lebten im 19./20. Jahrhundert nur wenige jüdische Familien. Anfänglich gehörten die jüdischen Bewohner zur israelitischen Gemeinde Steinbach am Glan, nach ca. 1890 zur jüdischen Gemeinde in Homburg. Zwischenzeitlich hatte die kaum mehr als 30 Personen zählende Judenschaft vorübergehend um 1885/1890 eine selbstständige Gemeinde gebildet. Neben einem Betraum gab es seit ca. 1890 am Ort einen eigenen kleinflächigen Begräbnisplatz, der Teil des kommunalen Friedhofes war; zuvor hatten Verstorbene in Gries (Friedhof von Steinbach am Glan) ihre letzte Ruhe gefunden.
Um 1925 wohnten knapp 20 jüdische Personen in Waldmohr. Über die Geschichte der nach 1933 noch am Ort lebenden Juden liegen kaum Angaben vor. Von einigen Personen ist bekannt, dass sie in die USA emigrieren konnten.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind fünf aus Waldmohr stammende jüdische Bewohner der "Endlösung" zum Opfer gefallen (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/waldmohr_juedgeschichte.htm).
jüdische Grabstätten auf dem kommunalen Friedhof Waldmohr (Aufn. TeKaBe, 2019, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)
Weitere Informationen:
Karl Fischer, Von der Klosterkirche zur Synagoge. Die Geschichte des ehemaligen Franziskanerklosters in Homburg, in: "Saarbrücker Bergmannskalender 1960", S. 77 - 80
Lothar Rothschild, Saarabstimmung und jüdisches Schicksal 1935, in: "Allgemeine Jüdische Wochenzeitung" vom 29.1.1965
Hans-Walter Herrmann, Das Schicksal der Juden im Saarland 1920 - 1945, in: Dokumentation zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Rheinland-Pfalz und im Saarland von 1800 - 1945, Band 6
Jakob Konz, “Reichskristallnacht” in Homburg November 1938, Saarpfalz-Sonderheft 1989, S. 47 - 56
Alfred Hans Kuby (Hrg.), Pfälzisches Judentum gestern und heute. Beiträge zur Regionalgeschichte des 19./20.Jahrhunderts, Verlag Pfälzische Post, Neustadt a.d.Weinstraße 1992, S. 90 f.
H.Jochum/J.P.Lüth (Hrg.), Jüdische Friedhöfe im Saarland - Informationen zu Orten jüdischer Kultur. Ausstellungsführer, Saarbrücken 1992, S. 13/14
Michael Lintz, Juden in der Saarpfalz, in: Clemens Lindemann (Hrg.), Der Saarpfalz-Kreis, Stuttgart 1993, S. 122/123
Dieter Blinn, Juden in Homburg - Geschichte einer jüdischen Lebenswelt 1330 - 1945, Verlag Ermer GmbH & Co KG, Homburg/Saarpfalz 1993
Martin Baus, Verdrängte Geschichte, Nazi-Herrschaft, Verfolgung und Widerstand. Ein Wegweiser durch den Saarpfalz-Kreis, Blieskastel 1995
Eva Tigmann, Was geschah am 9.November 1938 ? - Eine Dokumentation über die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung im Saarland im November 1938, hrg. vom Adolf-Bender-Zentrum St. Wendel, St. Wendel 1998
Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 443 – 445 (Homburg) und S. 378 (Waldmohr)
Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südwestpfalz, Hrg. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz (Landau), Dahn 2005, S. 89/90
Gerd Imbsweiler, Was geschah vom 9. auf den 10.November 1938 in Homburg? – Versuch einer Rekonstruktion, in: "Saarpfalz-Blätter für Geschichte und Volkskunde", Heft 2/2005
Der jüdische Friedhof in Homburg/Saar, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Aufnahmen)
Homburg (Saar-Pfalz-Kreis), in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Lokalgeschichte)
Waldmohr, in: alemannia-judaica.de
Christina Agne (Bearb.), Reichspogromnacht in Homburg mit der Geschichte des Synagogengebäudes bis in die Gegenwart, 2010
Gerd Imbsweiler (Red.), Verdrängung ist keine Lösung, in: „Saarbrücker Zeitung“ vom 7.10.2010
Gerd Imbsweiler (Red.), Das Schicksal der Emigration, in: „Saarbrücker Zeitung“ vom 17.11.2010 (betr. Fam. Hirsch, Saarbrücker Straße)
Dokumentation der jüdischen Friedhofs von Homburg/Saar, in: "epidat - epigrafische Datenbank", Hrg. Salomon Steinheim-Institut
Ulrike Stumm (Red.), Das lange Warten auf ein Mahnmal, in: „Saarbrücker Zeitung“ vom 2.2.2018
Thorsten Wolf (Red.), Grünes Licht für das Mahnmal, in: "Pfälzischer Merkur" vom 7.9.2018
Ulrike Stumm (Red.), Einweihung des Mahnmals im herbst, in: „Pfälzischer Merkur“ vom 13.8.2019
N.N. (Red.), Mahnmal gegen das Vergessen – Einweihung der Gedenkstätte in der Homburger Altstadt ist am 12.November, in: „Saarbrücker Zeitung" vom 3.11.2019
Patrick Wiermer (Red.), Holocaust-Gedenkstätte wird eingeweiht, in: sr.de vom 12.11.2019
N.N. (Red.), Stolpersteine doch auch in Homburg, in: „Saarbrücker Zeitung“ vom 29.9.2022
Regina Wilhelm/Patrick Göbel (Red.), Gegen das Vergessen: Bald 16 Stolpersteine in Homburg, in: „Die Rheinpfalz“ vom 19.10.2022
Christine Maack (Red.), Schüler haben es geschafft: Stolpersteine für Homburg, in: „Saarbrücker Zeitung“ vom 15.1.2023
Die GRÜNEN (Red.), Stolpersteine in Homburg, in: gruene-homburg.de vom 11.2.2023 (mit Abb. der verlegten Steine)