Homburg/Main (Unterfranken/Bayern)

Datei:Triefenstein in MSP.svg   Der Weinort Homburg a.M. - im Landkreis Main-Spessart südlich von Marktheidenfeld gelegen - gehört mit seinen derzeit ca. 1.300 Einwohnern verwaltungsmäßig zur Samtgemeinde Markt Triefenstein - knapp 30 Kilometer westlich von Würzburg gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Main-Spessart', Hagar 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Bereits im 13. und 14.Jahrhundert soll es in Homburg am Main eine jüdische Gemeinschaft gegeben haben; sie wurde aber zunächst durch die sogenannten „Rindfleisch-Unruhen“ von 1298 erheblich dezimiert, schließlich in den Pogromen von 1336/1337 vollständig vernichtet. Ihre Toten hatte die Judenschaft in Trennfeld - am gegenüberliegendem Mainufer - begraben. Die 1401 in Akten nachweisbare Bezeichnung „Judenschule“ belegt zwar die Existenz einer Judengemeinde; allerdings soll zu diesem Zeitpunkt bereits keine mehr bestanden haben.

     Homburg um 1700 mit dem ursprünglichen Turm  (aus Prozessakten in den Staatsarchiven Würzburg und Wertheim)Homburg/Main um 1700 (Abb. aus: kulturverein-schloss-homburg-main.de)

Eine neuzeitliche Gemeinde in Homburg gründete sich wohl um die Mitte des 17.Jahrhunderts. Juden aus Trennfeld und Rettersheim hatten sich hier angesiedelt; allerdings kam es laufend zu wirtschaftlich motivierten Spannungen mit der christlichen Bevölkerung; Ortsgeistlichkeit und Schultheiß hatten sich wiederholt gegen eine allzu starke Zunahme jüdischer Familien ausgesprochen, obwohl besonders die Pfarrei finanziell von deren Anwesenheit profitierte; so musste der jüdische Gemeindevorsteher einmal im Jahr das sog. „Neujahrsgeld“ abführen.

Eine zunächst am Ortsrand (?) stehende „Judenschul“ wurde iin den 1780er Jahren in die Unterstadt (heutige Maintalstraße in die Ortsmitte) verlegt, nachdem die fürstbischöfliche Regierung dafür die Erlaubnis erteilt hatte. Etwa 100 Jahre später (1873) wurde eine neue Synagoge gebaut, zu einer Zeit, als die Zahl der Gemeindemitglieder mit ca. 100 Personen ihre Höchstzahl erreicht hatte. Eine landesweit durchgeführte Kollekte unter den Glaubensgenossen sicherte das Bauvorhaben, das dann im Frühjahr 1873 vollendet war und im Juni d.J. feierlich eingeweiht wurde – auch unter hoher Beteiligung der christlichen Bevölkerung.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20383/Homburg%20Main%20Synagoge%20PK014.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20383/Homburg%20Main%20Synagoge%20PK012a.jpg

Synagoge in Homburg um 1900 (hist. Aufn., um 1900, aus: Sammlung Martin Hardt)

Anlässlich der Übergabe einer neuen Thorarolle erschien in der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 26.6.1884 die folgende Kurznotiz:

                                      

In den Jahren 1859 - 1878 verfügte die Gemeinde auch über eine eigene Elementarschule, die in einem Gebäude neben der Synagoge untergebracht war. Der Elementarlehrer bzw. der Religionslehrer war auch für die rituellen Belange der Gemeinde zuständig.

  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20271/Homburg%20Israelit%2019091901.jpg 

gemeindliche Stellenangebote in der Zeitschrift „Der Israelit” vom 19. Sept. 1901 und vom 19. Dez. 1907

Als das neben der Synagoge befindliche Schulgebäude baufällig geworden war und die Gemeinde eine Sanierung nicht finanzieren konnte, wurde die israelitische Elementarschule geschlossen; fortan besuchten die jüdischen Kinder die katholische Ortsschule. Die religiöse Unterweisung wurde nun von einem „Wanderlehrer“ vorgenommen, da sich die Homburger Judenschaft auch keinen eigenen Lehrer mehr leisten konnte.

                     aus: "Bayerische Israelitische Gemeindezeitung" vom 7.Okt.1926http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20132/Marktheidenfeld%20BayrGZ%2007101926.jpg

Verstorbene beerdigte die Judenschaft Homburgs zunächst auf dem jüdischen Friedhof im badischen Külsheim, ab 1850 dann auf dem von Karbach.

Die wenigen Juden aus Erlenbach gehörten ab Mitte 1870er Jahre zur Homburger Gemeinde.

Die Homburger Kultusgemeinde unterstand bis 1937 dem Bezirksrabbinat Würzburg, danach gehörte sie kurzzeitig dem von Aschaffenburg an.

Juden in Homburg (Main):

         --- um 1650 .......................  4 jüdische Familien (25 Pers.),

    --- 1699 ..........................  3     "        "

    --- um 1730 .......................  6     “        “    ,

    --- 1769 .......................... 12     “        “     (ca. 60 Pers.),

    --- 1811/12 ....................... 15     “        “    ,

    --- 1829 ..........................  9     “        “    ,

    --- 1840 .......................... 13     “        “     (ca. 70 Pers.),

    --- 1860 .......................... 14     “        “     (ca. 85 Pers.),

    --- 1878 .......................... 23     “        “     (ca. 100 Pers.),

    --- 1900 .......................... 82 Juden,

    --- 1910/12 ....................... 53   “   (in 12 Familien),

--- 1933 .......................... 38   "  ,

    --- 1938 (Jan.) ................... 34   “  ,

    --- 1940 .......................... 11   “  ,

    --- 1942 (Dez.) ...................  keine.

Angaben aus: Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayerns - Eine Dokumentation

und                 Leonhard Scherg, Die jüdische Gemeinde in Homburg

 

Bei der Erstellung der Matrikellisten (1817) wurden für Homburg 14 Stellen festgeschrieben; drei weitere Familien wurden in den 1820er Jahren hier ansässig. Haupterwerbsquelle der in Homburg wohnenden Juden war im 18. und im beginnenden 19.Jahrhundert der Viehhandel; daneben betrieben einige Familien  Warenhandel; erst in der Folgezeit wuchs ihr Anteil auch in den Handwerkerberufen.

Um 1880 hatte die Kultusgemeinde mit ca. 100 Angehörigen ihren zahlenmäßigen Zenit erreicht, danach verringerte sich deren Anzahl kontinuierlich durch Aus- und Abwanderung in größere Städte; die Gemeinde verarmte zusehends.

Die zu Beginn der 1930er Jahre hier lebenden jüdischen Bewohner waren bereits im Jahre der NS-Machtübernahme von Gewalttätigkeiten bedroht. Der wirtschaftliche Boykott führte schnell zu ihrer Verarmung.

In der Pogromnacht vom November 1938 wurden zunächst die Inneneinrichtung und die Kultgeräte der Synagoge zerstört, Häuser und Geschäfte jüdischer Einwohner aufgebrochen, Mobiliar und Waren herausgezerrt. Bei den Gewalttätigkeiten waren auch Lehrer mit ihren Schulklassen anwesend und skandierten vor den Häusern der jüdischen Bewohner zuvor eingeübte Hassbotschaften. Die jüdischen Männer wurden „in Schutzhaft“ genommen.

Am ersten Weihnachtstag 1938 fiel das Synagogengebäude einem Brandanschlag zum Opfer; die herbeigeeilte Feuerwehr beschränkte sich - nach Anweisung des NSDAP-Kreisleiters - auf die „Überwachung“ des Brandes. Ein Jahr später musste das Ruinengrundstück an die Kommune abgetreten werden. Mit der Aus- und Abwanderung der Homburger Juden schmolz die Zahl der Gemeindemitglieder arg zusammen; Ende des Jahres 1940 lebten nur noch zehn jüdische Einwohner in Homburg. Zusammen mit Hunderten anderer mainfränkischer Juden wurden die wenigen letzten Homburger Juden im April 1942 vermutlich in die Region um Lublin deportiert .

                 Aus einer Vollzugsmeldung des Landrates des Kreises Marktheidenfeld an den Reg.präsidenten in Würzburg (3.7.1942):

„ ... Im Landkreis Marktheidenfeld befanden sich nach dem letzten Bericht (sic vom 8.April 1942) 86 Juden. 84 Juden sind auf höhere Weisung abgewandert. Das Judenehepaar Heimann, das wegen Krankheit und Alters zurückgebelieben war, verzog am 15.6.1942 von Homburg am Main nach Würzburg in das Judenaltersheim. Der Landkreis Marktheidenfeld ist nun frei von Juden.”

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 17 gebürtige bzw. längere Zeit in Homburg ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/homburg_msp_synagoge.htm).

 

Im heute zur Gemeinde Triefenstein gehörenden Homburg erinnern Grundmauern eines Geschäftshauses in der Maintalstraße an das ehemalige jüdische Gotteshaus.

                        http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2081/Homburg%20aM%20Synagoge%20120.jpg Gedenktafel (Aufn. J. Hahn, 2006) trägt die folgende Inschrift:

An dieser Stelle stand die 1873 erbaute Synagoge der Jüdischen Kultusgemeinde Homburg.

Am 25.Dezember 1938 zerstörten die Nationalsozialisten diese Kultstätte durch Brandstiftung.

Zur Erinnerung und Mahnung

Markt Triefenstein

 

Auf Beschluss des Triefensteiner Gemeinderates hat sich die Kommune am Projekt „DenkOrt Deportationen 1941-1944“ mit der Aufstellung einer Kofferskulptur für die deportierten/ermordeten jüdischen Bewohner Homburgs beteiligt.

Homburg Koffer aus Homburg/Main (Aufn. N.N., 2020, aus: denkort-deportationen.de)

Neben der ehemaligen Synagoge (Maintalstraße) steht einer der beiden Koffer, der hier zudem von einer Informationstafel zur einstigen jüdischen Gemeinde Homburg erklärend begleitet wird.

 

Auch im heutigen Ortsteil Trennfeld gab es während des 17./18.Jahrhunderts eine kleine jüdische Gemeinde.

 

 

In Erlenbach (bei Marktheidenfeld bzw. Homburg) lebten seit der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts wenige jüdische Familien, die dem Hochstift Würzburg schutzgeldpflichtig waren. In den bayrischen Matrikellisten (1817/1826) sind für Erlenbach sechs jüdische Haushaltsvorstände verzeichnet, die ihren Lebensunterhalt mit Vieh- u.. Kleinhandel (Schmuserei) bestritten. Mit acht Familien erreichte die Gemeinde im ersten Viertel des 19.Jahrhunderts ihren zahlenmäßigen Höchststand. Bereits seit 1767 verfügte die kleine Gemeinschaft über eine Synagoge sowie eine Mikwe. Gemeinsam mit den Glaubensgenossen aus Homburg hatte man einen Lehrer verpflichtet. Verstorbene wurden auf jüdischen Friedhof in Laudenbach begraben. Anfang der 1870er Jahre schlossen sich die wenigen jüdischen Bewohner Erlenbachs der Homburger Gemeinde an, da ein eigener Minjan schon längere Zeit nicht mehr erreicht worden warSeit 1880 lebtendann keine Juden mehr im Dorf.

 Gebäude der ehem. Synagoge (Aufn. J. Hahn, 2006)

Das Synagogengebäude wurde veräußert und seitdem als Wohnhaus genutzt.

 

 

 

In Marktheidenfeld hatte sich erst um 1910 eine kleine jüdische Kultusgemeinde gebildet, deren Angehörige vor allem aus dem benachbarten Homburg stammten. Gottesdienstliche Zusammenkünfte fanden zuletzt in einem Betsaal eines Privathauses in der Glaserstrasse statt. - Gemeinsam mit den Gemeinden Karbach und Triefenstein ließ die Stadt Marktheidenfeld auf dem jüdischen Friedhof in Karbach einen Gedenkstein errichten, der den NS-Opfern gewidmet ist.

 

siehe dazu auch:  Karbach (Unterfranken/Bayern)

 

 

 

Weitere Informationen:

Josef Hasenfuß, Erlenbach und Tiefenthal im Wandel der Zeiten. Soziologische Studie fränkischen Dorflebens. Zur 1150-Jahrfeier, Hrg. Gemeinde Erlenbach, Erlenbach 1965

Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979

Herbert Schultheis, Juden in Mainfranken 1933 - 1945 unter besonderer Berücksichtigung der Deportationen Würzburger Juden, in: "Bad Neustädter Beiträge zur Geschichte und Heimatkunde Frankens", Band 1, Verlag Max Rötter, Bad Neustadt a.d.Saale 1980, S. 408 f.

Leonhard Scherg, Die jüdische Gemeinde in Homburg, in: 1200 Jahre Homburg am Main (Ortschronik), Bd. 1, Triefenstein 1981, S. 101 - 127

Leonhard Scherg, Homburg - das Schicksal einer jüdischen Kultusgemeinde auf dem Land während des 19. und 20.Jahrhunderts, in: "Mainfränkisches Jahrbuch für Geschichte u. Kunst", Band 35/1983, S. 135 - 151

Heinz Scheid, Spuren in Marktheidenfeld, Homburg und Karbach, in: Landkreis Main-Spessart (Hrg.), „... auf höhere Weisung abgewandert“. Leben und Leiden der Juden im Landkreis Main-Spessart, Karlstadt 1990, S. 31 ff.

Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayerns - Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, 2. Aufl., München 1992, S. 54, S. 75, S. 96 und S.126

Leonard Scherg, Die jüdische Gemeinde in Erlenbach, in: L. Scherg/M. Harth, Juden im Landkreis Main-Spessart. Beiträge zur Geschichte und Kultur der Juden im ehemaligen Landkreis Marktheidenfeld, Marktheidenfeld 1993

Leonhard Scherg/Martin Harth, Juden im Landkreis Marktheidenfeld - Beiträge zur Geschichte und Kultur der Juden im ehemaligen Landkreis Marktheidenfeld, Hrg. Historischer Verein Marktheidenfeld und Umgebung e.V., Marktheidenfeld 1993

Leonard Scherg, Jüdisches Leben im Main-Spessart-Kreis. Orte, Schauplätze, Spuren, Hrg. Förderkreis Synagoge Urspringen e.V., Haigerloch 2000, S. 34 und S. 42 – 44

Homburg am Main, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Erlenbach, in: alemannia-judaica.de

Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S 161/162 (Erlenbach u. Homburg)

Hans Schlumberger/Cornelia Berger-Dittscheid (Bearb.), Homburg mit Erlenbach, in: W.Kraus/H.-Chr.Dittscheid/G.Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine ... Synagogengedenkband Bayern, Band III/1 (Unterfranken), Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2015, S. 192 - 206

N.N. (Red.), Triefenstein beteiligt sich an Gedenkstätte für deportierte Juden, in: “Main-Post” vom 15.2.2018

Günter Reinwarth (Red.), Neuer Denkort erinnert an 14 ermordete jüdische Mitbürger, in: “Main-Post” vom 23.7.2021