Hörden/Murgtal (Baden-Württemberg)

Datei:Gaggenau in RA.svg Hörden ist seit 1975 ein Stadtteil von Gaggenau im Landkreis Rastatt und zählt derzeit ca. 2.000 Einwohner (Kartenskizze 'Landkreis Rastatt', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Die Wurzeln einer jüdischen Gemeinde in Hörden reichen bis ins ausgehende 17.Jahrhundert zurück; die ersten jüdischen Bewohner sind urkundlich 1683 belegt und sollen sich an einem am Südrand der Ortschaft gelegenen Hang niedergelassen haben; dieser wurde im Volksmund „Judenberg“ genannt.

Versuche der christlichen Bevölkerung, die Juden „loszuwerden“, wurden aus ökonomischen Erwägungen seitens der Obrigkeit zurückgewiesen, wie z.B. die folgende Anweisung aus dem Jahre 1810 zeigt:

Großherzogliches = Badisches Directorium des Murgtalkreises. Rastatt den 19.Oktober 1810                                                                                           ... Bericht des Amtes Gernsbach, vom 7.August dieses Jahres ... Die Judenfamilien die sich seit mehreren Jahren in Hörden aufhalten, ... sind nicht anders, als wie jeder Fremde zu betrachten, der mit Obrigkeitlicher Erlaubnis sich in einem Ort des Landes so lang aufhalten darf, als er sich gut beträgt, Niemanden zu Last fällt und sich selbst ernährt. Dieses ist in dem samtlichen Lande gestattet, und bei ihnen der Fall. Sie treiben einen Hhandel mit Bändel im ganzen Land, wogegen sich noch Niemand beschwert hat, sie tragen der Herrschaft durch Zoll und Accis sehr vieles ein, ... haben sie an Kriegs- und extraordinären Kosten beigetragen, und so auch die Gemeinde in corpora Nutzung von ihnen gezogen. Was nun dagegen ein Teil der Bürgerschaft eingewendet hat, um sie fortzuschaffen, ist lediglich privat Interesse und Missgunst gegen die Mitbürger, die Vorteil von ihnen haben, und dieses giebt keinen hinlänglichen Grund, dieselben auszuweisen, sondern es mag ihnen der fernere Aufenthalt, auf die bisherige Art, solange gestattet werden, als sie sich dessen nicht unwürdig machen. ...                           Freiherr von Lassolaye Doltrofen.

In einem 1849 teilerworbenen Haus wurde ein Betraum eingerichtet, der bis Anfang der 1860er Jahre als solcher genutzt wurde; Februar 1862 wurde eine kleine, neu erbaute Synagoge eingeweiht; über der Eingangstür standen die Worte: „Haus Jacob. Lasst und wandeln im Lichte des Herrn.“ Dieses Gebäude war bis zur Auflösung der jüdischen Gemeinde in Nutzung.

                                    Synagoge in Hörden (Aufn. um 1925/1930, FOTO-Hahn, Gernsbach)

Im Haus befand sich außer dem Betsaal auch ein Raum für den Religionsunterricht der jüdischen Kinder; im Obergeschoss war die Lehrerwohnung untergebracht. Zur Besorgung religiös-ritueller Aufgaben hatte die Gemeinde zeitweise einen Lehrer angestellt; später gab es für Gernsbach und Hörden einen gemeinsamen Lehrer.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20346/Hoerden%20Amtsblatt%20Seekreis%2023011850.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20192/Gernsbach%20FrfIsrFambl%2015121916.jpg

Anzeigen aus: "Großherzoglich Badisches Anzeige-Blatt für den See-Kreis" vom 23.1.1850 und "Frankfurter Israelitisches Familienblatt" vom 15.12.1916

Verstorbene Hördener Juden wurden auf dem Verbandsfriedhof in Kuppenheim beerdigt.

Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Bühl.

Juden in Hörden:

         --- um 1760 .........................  2 jüdische Familien,

    --- 1801 ............................ 20 Juden,

    --- 1825 ............................ 46   “  ,

    --- 1864 ............................ 80   “  ,

    --- um 1875 ..................... ca. 70   “  ,

    --- 1887 ............................ 71   “  ,

    --- 1900 ............................ 35   “  ,

    --- 1928 ............................ 23   “  ,

    --- 1933 ............................ 14   “  ,

    --- 1940 (Okt.) .....................  4   “  .

Angaben aus: F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, ..., S. 109                                                                      

 

Ende der 1920er Jahre vereinigte sich die Restgemeinde Hörden mit der Kultusgemeinde Gernsbach zur „Israelitischen Religionsgemeinde Gernsbach-Hörden“. Das Synagogengebäude in Hörden wurde alsbald verkauft und anschließend zu einem Wohnhaus umgebaut.

Anm.: Auch das baufällige alte Synagogengebäude in Gernsbach wurde veräußert; mit dem Erlös aus beiden Verkäufen wurde im Sommer 1928 die neue Synagoge in Gernsbach gebaut.

[vgl. Gernsbach (Baden-Württemberg)]

Lange Zeit war der Viehhandel oft die einzige Erwerbsquelle der Hördener Juden. Zu Beginn der 1930er Jahre verdienten die wenigen Familien ihren Lebensunterhalt vom Einzelhandel mit Gütern des alltäglichen Bedarfs; auch ein Gasthaus war in jüdischem Besitz. Einen Tag nach der „Kristallnacht“ demolierten SA-Angehörige aus dem nahen Gernsbach jüdischen Besitz in Hörden. Ende Oktober 1940 wurden vier Hördener Juden nach Gurs deportiert; die anderen konnten zumeist rechtzeitig emigrieren.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem kamen acht gebürtige Juden Hördens während der NS-Zeit gewaltsam ums Leben (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/hoerden_synagoge.htm).

Gedenkstein in Hörden Am Viermühlensteg in Hörden steht ein sog. Memorialstein, der von Schüler/innen des Gaggenauer Goethe-Gymnasiums geschaffen wurde; er zeigt einen Davidstern, der durch einen Keil gespalten ist. Eine Doublette dieses Steines findet man beim zentralen Deportations-Mahnmal für die deportierten badischen Juden in Neckarzimmern (Abb. aus: mahnmal.neckarzimmern.de).

An einigen Stellen des Ortes findet man in den Gehwegen sog. "Stolpersteine".

  Landstraße/Hördener Straße (Aufn. B., 2013, in: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)  

 

 

In Gaggenau hatten sich erst nach 1850 einzelne Familien jüdischen Glaubens angesiedelt; anfänglich gehörten sie zur Kultusgemeinde Hörden, später zu der von Gernsbach.

 

 

 

Weitere Informationen:

Heinrich Langenbach, Die Chronik des Dorfes Hörden, Maschinenmanuskript, Hörden-Gernsbach 1936

Oskar Stiefvater, Geschichte und Schicksal der Juden im Landkreis Rastatt, in: "‘Um Rhein und Murg’ - Heimatbuch des Landkreises Rastatt", Band 5/1965, S. 60 f.

F.Hundsnurscher/G.Taddey, Die jüdischen Gemeinden in Baden. Denkmale, Geschichte, Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Stuttgart 1968, S. 109/110

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 438/439

Badische Synagogen - Ausstellung in der Stadtbibliothek Gaggenau, in: "Gaggenauer Woche", No.6/1998, S. 10

Hörden, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 138/139

Auflistung der Stolpersteine in Gaggenau, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Stolpersteine_in_Gaggenau

Dominic Körner (Red.), Nationalsozialismus im Murgtal. Ulrich Behne veröffentlicht Buch über Gaggenauer Juden, in: „Badische Neueste Nachrichten“ vom 21.3.2019

Ulrich Behne, Verstreute Spuren – verblasste Erinnerungen, Die jüdische Gemeinde Hörden. Die jüdischen Kaufmannsfamilien in Gaggenau. Der Rotenfelser Arzt Dr. Meyerhoff und seine Familie, verlag regionalkultur 2019