Horitz (Böhmen)

 Bildergebnis für königinhofMap cz Dvůr Králové nad Labem kroton.svg Die nordostböhmische Stadt Horitz/Horschitz ist das tschech. Hořice v Podkrkonoší mit derzeit knapp 9.000 Einwohnern - in südöstlicher Richtung von Gitschin (Jicin) bzw. südwestlich von Königinhof a.d. Elbe (Dvůr Králové nad Labem) gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: europe1900.eu  und  Kartenskizze 'Tschechien' mit Hořice v Podkrkonoší/Horitz rot markiert, K. 2005, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Horitz (auch Horschitz) besaß eine der ältesten jüdischen Landgemeinden im Riesengebirgsvorland.

Aus den 1520er Jahren liegen erste urkundliche Hinweise auf einige in Horitz lebende jüdische Familien vor; erst ein Jahrhundert später tauchen erneut Belege für jüdische Ansiedlungen in der Stadt auf. Ihre erste Synagoge sollen die Horitzer Juden im Jahre 1728 errichtet haben - eben zu der Zeit, in der hier das Ghetto entstand. Etwa fünf Jahrzehnte später soll es hier zu einem Pogrom gekommen sein. 

Jahrzehnte später wurde eine jüdische Schule mit deutscher Unterrichtssprache gegründet; sie wurde um 1870 dreiklassig geführt und von mehr als 100 Schülern besucht; doch bereits 1898 wurde die Schule wegen Schülermangels geschlossen.

An Stelle der alten Synagoge wurde 1767 ein Nachfolgebau errichtet, der etwa ein Jahrhundert später umgebaut und erweitert wurde.

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Synagogengebäude und Eingangsportal der Synagoge (Aufn J. Erbenová, 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Um 1750 (oder einige Jahre später) wurde am nördlichen Ortsrand von Horitz ein jüdischer Friedhof angelegt, wenige Jahrzehnte später eine Chewra Kadischa gegründet. Gegen Ende des 19.Jahrhunderts legte die Gemeinde eine neue Begräbnisstätte an.

Juden in Horitz:

         --- um 1725 ................. ca.  30 jüdische Familien,

    --- 1757 ........................  22     “       “    ,

    --- 1793 ........................  82     “       “    ,

    --- 1853 ........................ 405 Juden,

    --- 1873 ........................ 382   “  ,

    --- 1880 ........................ 308   “   (ca. 5% d. Bevölk.),

    --- 1900 ........................ 198   “  ,

    --- 1910 ........................ 135   “  ,

    --- 1921 ........................ 107   “  ,

    --- 1930 ........................  76   “  .

Angaben aus: Rudolf M. Wlaschek, Zur Geschichte der Juden in Nordostböhmen ..., S. 41/42

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 Municipalstadt und Schloss Horzitz - gemalt von Joann Venuto, um 1820 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Ihre Blütezeit erreichte die israelitische Gemeinde von Horitz in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts. Jüdische Bewohner in Horitz waren maßgeblich im heimischen Wirtschaftsleben engagiert; so wurden nach der Jahrhundertmitte hier mehrere Textilfabriken gegründet, deren Eigentümer jüdische Familien waren (Goldschmidt, Hirsch, Mauthner). Allein in einer Textilfabrik eines jüdischen Eigentümers waren zeitweilig mehr als 1.500 Arbeiter beschäftigt. Auch andere Industriebetriebe in jüdischem Besitz trugen zum Wohle der Stadt bei.

Wegen der rückläufigen Mitgliederzahl kehrte 1919 der ansässige Rabbiner der Horitzer Gemeinde den Rücken; fortan wurde Religions- u. Hebräischunterricht von auswärtigen Rabbinern/Lehrern erteilt. Anfang der 1930er Jahre lebten nur noch ca. 70 Juden in Horitz. Diejenigen, die bis 1940/1941 nicht emigrieren konnten, wurden im Dezember 1942 nach Theresienstadt abtransportiert; von dort aus führte der Weg für die meisten nach Auschwitz.

 

Das Synagogengebäude hat die NS-Zeit überstanden und dient seit Mitte der 1950er Jahre der Hussitischen Kirche als Versammlungsraum; es ist seit 1993 ein schützenswertes Kulturdenkmal.

Hořice, synagogue, Commandments (01).jpg  Hořice, synagogue, plaque (01).jpg

Gesetzestafeln auf dem Dach und Gedenktafel (Aufn. J. Erbenová, 2017, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Der alte jüdische Friedhof weist heute noch relativ viele Grabsteine auf; sogar aus dem späten 18.Jahrhundert sind noch einige erhalten geblieben.

File:Hořice-Jewish-cemetery2011a.jpg 

Jüdischer Friedhof in Horice (Aufn. J., 2011, aus: commons.wikimedia.org und Aufn. M., 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 Fritz Mauthner wurde 1849 als Sohn eines deutsch-jüdischen Webereibesitzers in Horitz geboren. Nach Abbruch seines Jura-Studiums entschloss er sich, freier Schriftsteller zu werden; Mauthner arbeitete als Kulturkritiker und übernahm in den 1890er Jahren die Feuilleton-Redaktion des „Berliner Tageblatt“. 1905 zog er nach Freiburg, später nach Meersburg/Bodensee um; von nun an trieb er private philosophische Studien. Als Philosoph stellte er den Wert der Sprache als Mittel der Erkenntnis in Frage („Am Anfang war das Wort. Mit dem Worte stehen die Menschen am Anfang der Welterkenntnis und sie bleiben stehen, wenn sie beim Wort bleiben. Wer weiter schreiten will, auch nur um den kleinwinzigen Schritt, um welchen die Denkarbeit eines ganzen Lebens weiter bringen kann, der muß sich vom Wort befreien, ... der muß seine Welt von der Tyrannei der Sprache zu erlösen versuchen.”)  Seine bekannteste Publikation ist die dreibändige Sprachphilosophie von 1901/1902. Im Jahre 1923 starb Fritz Mauthner in Meersburg/Bodensee.

 

 

 

Weitere Informationen:

E. Zwiefelhofer (Bearb.), Geschichte der Juden in Horice im Unterriesengebirge, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden u. Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart,Brünn/Prag 1934, S. 182 f.

Rudolf M.Wlaschek, Zur Geschichte der Juden in Nordostböhmen unter besonderer Berücksichtigung des südlichen Riesengebirgsvorlandes, in: "Historische und landeskundliche Ostmitteleuropa-Studien", Band 2, Marburg/Lahn 1987, S. 3, S. 33 f. und S. 40 ff.

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 526