Hotzenplotz (Mährisch-Schlesien)
Das Städtchen Hotzenplotz (jidd. Hotz’plotz) - im ehem. Kreis Jägerndorf - war eine mährische Enklave im ehem. Österreich-Schlesien; es ist das heutige tsch. Osoblaha mit derzeit ca. 1.000 Einwohnern - unmittelbar an der polnischen Grenze gelegen (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905 und Skizze vom Landkreis Jägerndorf, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).
Im ausgehenden 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erreichte die israelitische Gemeinde Hotzenplotz ihren personellen Zenit mit immerhin mehr als 700 Angehörigen.
Der allererste urkundliche Beleg für jüdische Niederlassung in Hotzenplotz stammt aus dem Jahr 1334; derzeit hatten sich in der Vorstadt einige jüdische Familien ansässig gemacht, die vor einem Pogrom in Leobschütz geflüchtet waren.
Zu Beginn des 15.Jahrhunderts setzte die Bildung einer jüdischen Gemeinde in Hotzenplotz ein, nachdem der Bischof von Olmütz 1415 erlaubt hatte, dass sich von den Hussiten aus Prag vertriebene jüdische Familien hier ansiedeln durften. Angeblich sollen sich hier aber schon im Jahre 1334 jüdische Flüchtlinge aus dem Bistum Breslau und aus anderen Regionen aufgehalten haben. In den Jahren vor dem Dreißigjährigen Krieg lebten in der Ortschaft ca. 130 jüdische Familien
Anmerkung: Als Lehen des Olmützer Erzbischofs war Hotzenplotz eine mährische Enklave auf schlesischem Gebiet, die aber nicht den schlesischen Gesetzen unterstand und so auch jüdischen Familien aus Schlesien Zuflucht gewährte, denen ein Wohnen in Städten Schlesiens nicht gestattet war.
Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei
Nach 1670 fanden auch Wiener Juden in Hotzenplotz Zuflucht. In der Folgezeit zogen zahlreiche jüdische Familien zu; nach einem Großbrand, der den Ort in Schutt und Asche legte, förderte die hiesige Grundherrschaft ihre Ansiedlungen. Es entstand eine sehr große Gemeinde, die nahezu 150 Familien umfasste. Diese Zahl der Gemeindeangehörigen blieb bis in die Mitte des 19.Jahrhunderts in etwa konstant; erst nach 1850 verlor die Judenschaft von Hotzenplotz innerhalb nur weniger Jahrzehnte an Bedeutung.
In den Jahren 1807/1808 ließ die hiesige Judenschaft einen relativ großen Synagogenneubau im Barockstil errichten, der neben einem älteren Tempel stand. Auch dieser Bau wurde – wie schon sein Vorgänger – Opfer eines Brandes (1833), sodass man alsbald eine neue Synagoge errichtete.
Synagoge von Hotzenplotz (Osoblaha)
Das alte Begräbnisgelände war bereits in der zweiten Hälfte des 15.Jahrhunderts nahe dem jüdischen Viertel angelegt worden; der älteste Stein datiert aus dem Jahre 1694. Zahlreiche jüdische Gelehrte wurden hier beerdigt, so z.B. Baruch Bendit ben Selmo aus Brody. Auf dem Territorium der österreichischen Monarchie war der Judenfriedhof in Hotzenplotz der zweitgrößte nach Prag. Gegen Ende des 19.Jahrhundert stand dann in der Nähe des christlichen Friedhofs ein neuer Begräbnisplatz zur Verfügung; unweit des Eingangs ließ man eine Trauerhalle errichten.
Juden in Hotzenplotz:
--- um 1570 ................... ca. 130 jüdische Familien,*
--- 1616 ...................... ca. 135 “ “ ,*
--- 1763 .......................... 467 Juden,
--- 1788 ...................... ca. 600 “ ,
--- 1802 .......................... 845 “ ,* * Angaben unsicher
--- 1842 .......................... 671 “ ,
--- 1864 .......................... 200 " ,
--- 1880 .......................... 212 “ ,
--- um 1900 ....................... 77 “ ,** ** Gemeinde mit 135 Pers.
--- 1910 .......................... 123 " ,
--- 1921 .......................... 37 “ ,
--- 1930 .......................... 13 “ ,
--- 1938 .......................... keine.
Angaben aus: Jaroslav Klenovsky, The Jewish landmarks of Opava Silesia
Bildpostkarte mit Ansichten aus Hotzenplotz, um 1900 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Ab Mitte des 19.Jahrhundert setzte eine Abwanderung der jüdischen Bevölkerung aus der Stadt ein, die zumeist wirtschaftlich begründet war. Um die Jahrhundertwende war die israelitische Gemeinde von Hotzenplotz in Auflösung begriffen; Anfang der 1930er Jahre lebten nur noch sehr wenige jüdische Bewohner im Ort; sie waren der Gemeinde von Jägerndorf angeschlossen. Die alte baufällige Synagoge wurde alsbald abgerissen, nachdem die Kultgeräte der Synagogengemeinde Jägerndorf übereignet worden waren.
Auf dem unmittelbar an die Stadtmauer grenzenden jüdischen Friedhof finden sich heute noch zahlreiche Grabsteine aus den letzten Jahrhunderten, der älteste von 1694. Insgesamt haben ca. 300 Grabmale die Zeiten unversehrt überdauert, obwohl die Begräbnisstätte während des Zweiten Weltkriegs schwer zerstört worden war. Anfang der 1990er Jahre wurde der Friedhof restauriert; er steht unter Denkmalschutz.
jüdischer Friedhof in Osoblaha (Aufn. Klára Pavlinová, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Markante alte Grabsteine (Aufn. Roy, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Eine Gedenktafel erinnert an die ehemals hier bestehende jüdische Gemeinde.
(Aufn. R., 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Weitere Informationen:
Jirí Radimský, Príchod Židu do Osoblahy [Die Zuwanderung von Juden nach Hotzenplotz], Slezský sborník 45 (1947) , S. 254 - 256
Bernhard Brilling, Die Archivalien der jüdischen Gemeinde Hotzenplotz, in: "Zeitschrift für die Geschichte der Juden", Band 1/2 (1965), S. 53 – 58
Jiri Fiedler, Jewish sights of Bohemia and Moravia, Prag 1991, S. 128/129
Jaroslav Klenovský, Židovská obec v Osoblaze [Die jüdische Gemeinde in Hotzenplotz], Olomouc 1995
J. Scharbert/ J.W. König, Die Juden in der mährischen Enklave Hotzenplotz und die Bischöfe von Olmütz, in: "Sudetenland", 42/2000 Heft 1, S. 10 - 24
Jaroslav Klenovsky, The Jewish landmarks of Opava Silesia, in: M. Wodzinski/J. Spyra (Hrg.), Jews in Silesia, Cracow 2001, S. 303/304
Miloš Kouril, Emigrés from Prudnik and the Jewish community in Osoblaha, in: M. Wodzinski/J. Spyra (Hrg.), Jews in Silesia, Cracow 2001, S. 327 - 330
Miloš Kouril, Pøíchod židovských emigrantù z Prudniku do Osoblahy [Die Zuwanderung jüdischer Emigranten aus Neustadt/Oberschlesien nach Hotzenplotz], in: J. Spyra/M. Wodzinský (Hrg.), Židé ve Slezsku. Studie k dìjinám Židù ve Slezsku [Die Juden in Schlesien. Studien zur Geschichte der Juden in Schlesien],Tìšín 2001, S. 48 - 51
JTA (Red.), Jewish cemetery vandalized in the Czech Republic, in: timesofisrael.com vom 2.8.2019
Kateřina Čapková /Hillel J. Kieval (Hrg.), Zwischen Prag und Nikolsburg. Jüdisches Leben in den böhmischen Ländern, in: "Veröffentlichungen des Collegium Carolinum", Band 140, München 2020, u.a. S. 401
Jewish cemetery in Osoblaha – Bilderfolge, online abrufbar unter: commons.wikimedia.org/wiki/Category:Jewish_cemetery_in_Osoblaha (2022)