Ingolstadt (Oberbayern)
Ingolstadt ist eine kreisfreie Großstadt an der Donau im Freistaat Bayern mit derzeit ca. 142.000 Einwohnern und damit zweitgrößte Stadt Oberbayerns - ca. 75 Kilometer nördlich der Landeshauptstadt München gelegen (Teilherzogtum Bayern-Ingolstadt, um 1400/1450, Skizze Lencer, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 und Abb. Postwertzeichen von 2005, aus: Ingoldia e.V.).
Seit den 1890er Jahren bestand in Ingolstadt – außer München – die einzige jüdische Kultusgemeinde in Oberbayern.
Bereits zur Stadtgründung Ingolstadts im Jahre 1250 finden sich (allerdings unsichere) Hinweise auf jüdische Einwohner. Jahrzehnte später erhielten etwa zehn jüdische Familien ihre ersten Schutzbriefe, die Herzog Ludwig ihnen im Jahre 1312 ausgestellt hatte; weitere Urkunden aus den Jahren 1316 bzw. 1340 legten den Status der hiesigen Juden fest. Als herzogliche „Kammerknechte“ - sie unterstanden unmittelbar dem Herzog - wohnten sie im nahen Schutzbereich der Burg, entlang der „Judengasse“ an der südlichen Stadtmauer und im „Judenhof“. Ihre Synagoge neben dem herzoglichen Schloss diente allen Juden der umliegenden fürstlichen Landstädte als religiöser und gesellschaftlicher Mittelpunkt; die Synagoge beherbergte zugleich eine Schule und Gerichtsstube. Der „Judenrichter“ war für alle internen Angelegenheiten der jüdischen Gemeinde zuständig und vertrat diese gegenüber der Stadt und dem Fürsten. Seit 1429 war der „Judenrichter“ in Ingolstadt auch für die Regensburger Judenschaft zuständig. Über eine eigene Begräbnisstätte verfügte die mittelalterliche Gemeinschaft nicht; Tote wurden vermutlich in Regensburg begraben.
Im ersten Jahrhundert der Stadtgeschichte Ingolstadts regelte das „Ingolstädter Judenrecht” das meist friedliche christlich-jüdische Zusammenleben; dieses „Judenrecht“ war eine Mischung aus herzoglichen Privilegien und städtischen Satzungen, die gewisse Normen für das gesellschaftliche und wirtschaftliche Nebeneinander vorschrieben und den Juden begrenzte Freiheiten sicherten. So regelten Urkunden von 1316 und 1340 die Rechtsstellung der in Ingolstadt ansässigen Juden; dabei übte Ludwig der Bayer als Herzog, König bzw. Kaiser eine Schutzfunktion aus.
Von den Pestpogromen von 1349 waren dann auch die Ingolstädter Juden betroffen. Wenige Jahre später ließ die Obrigkeit erneut eine jüdische Ansiedlung zu, die allerdings nur wenige Jahrzehnte Bestand hatte. Denn in den 1380er Jahren schwappte von Franken eine antijüdische Verfolgungswelle auf die Region um Ingolstadt über. Auf Geheiß Herzogs Stefan III. wurde das Judenviertel im Jahre 1384 geräumt, seine Bewohner enteignet und vertrieben. Die Synagoge wurde abgerissen; an ihrer Stelle stiftete der Herzog eine Marienkapelle.
Seit 1413 sind erneut Juden in Ingolstadt ansässig geworden, die durch Schutzgeld-Zahlung an die herzogliche Kasse ein Bleibe- und Wohnrecht erkauften.
1450 wurden die Juden abermals aus dem gesamten Territorium Bayern - Landshut - Ingolstadt vertrieben; verantwortlich dafür war Herzog Ludwig d. Reiche von Niederbayern (1450-1479), der den wiederholten Klagen der christlichen Schuldner gegen den angeblichen "Judenwucher" nachgab. Für etwa 350 Jahre blieb Bayern nun „judenfrei“. In Ingolstadt hielten sich nur noch wenige getaufte Juden und ihre Nachkommen auf.
Ingolstadt um 1865 (Abb. aus: commons.wikimedia.org, CCO)
Das Judenedikt von 1813 gewährte den Juden Bayerns eine Reihe religiöser, gesellschaftlicher und ökonomischer Freiheiten; doch bezüglich des Niederlassungsrechts gab es damals noch zahlreiche Einschränkungen. Ingolstadt duldete ab 1805/1807 wieder die Teilnahme von jüdischen Händlern an den regelmäßig stattfindenden Jahrmärkten; wegen seiner zentralen Lage und seines reichen Angebots besaß der Ingolstädter „Judenmarkt“ große Anziehungskraft. Jüdische Anbieter kamen aus dem gesamten süddeutschen Raume hierher, manchmal auch aus anderen Regionen Deutschlands und sogar Polens. Sogar reisende jüdische Optiker und Zahnärzte nahmen für einige Tage Quartier in Ingolstadt, um hier ihre Dienste anzubieten.
Aus dem Jahre 1846 ist eine „Verordnung“ über den Aufenthalt von Juden in Ingolstadt bekannt, in der es hieß:
Da sich in hiesiger Stadt allenthalben die mißfällig Wahrnehmung darbietet, daß sich fortwährend Juden dahier aufhalten, welche durch gesetzwidrige Zinsen-Abrechnung und wucherliche Händel die Einwohner in große Schuldenlast bringen, und durch allerlei Geschäfte das Publikum benachteiligen, so sieht man sich veranlasst, auf Grund der bestehend allerhöchsten Bestimmungen folgende Anordnungen in Vollzug zu setzen:
1. Jeder Jude hat sich nach seiner Ankunft in hiesiger Stadt jedesmal sogleich beim Stadtmagistrate mit Auszeichnung seiner Geschäfte, welche ihn hierher geführt haben, zu melden, und die Aufenthaltsbewilligung zu erholen.
2. Von der Polizeibehörde wird kein längerer Aufenthalt gestattet, als die Geschäfte es nothwendig machen.
3. Jeder ohne Polizeikarte sich hier aufhaltende Jude ist bei einer Strafe bis zu 10 Reichsthalern von seinem Hausherrn oder Gastwirt anzuzeigen.
4. Gleiche und noch empfindlichere Geldstrafe haben diejenigen Juden zu gewärtigen, welche diese Anordnungen unbeachtet lassen, oder die Obrigkeit durch die Angabe eines gar nicht existierenden Geschäfts zu täuschen suchen.
Ingolstadt, den 22. September 1846 Magistrat der Königlichen Stadt Ingolstadt v. Grundner, rechtsk. Bürgermeister
(Abschrift aus: „Ingolstädter Wochenblatt“, Jg 1846, S. 343)
Eine dauerhafte Ansiedlung von Juden in Ingolstadt war offiziell erst ab 1861/1862 möglich; der Matrikelparagraph von 1813 hatte weiterhin Gültigkeit.
§ 18. Die Betreibung aller Manufakturen, Fabriken, Gewerbe und Handwerke, sie mögen zünftig oder nicht zünftig seyn, (Brauereien, Schenk- und Gastwirthschaften ausgenommen) ist den Juden, in so ferne ihrer Ansäßigmachung nichts im Wege stehet, wie dem Christen gestattet.
(aus dem Bayerischen Judenedikt von 1813)
Doch schon lange vor dem offiziellen Ansässigkeitsrecht von 1861 besaßen einzelne jüdische Familien ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht und gingen von Ingolstadt ihren Geschäften nach. 1884 gründeten 15 Familien einen Synagogenverein.
In einem Artikel der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 20.Nov. 1884 hieß es dazu u.a.:
Ingolstadt. Mit dem 1. Nov. d. J. (Schabbat Paraschat Lech Lecha) ist hier ein Verein in’s Leben getreten, wie ein solcher seit nahezu einem halben Jahrtausend seit dem Jahre 1397 hier in Ingolstadts Mauern nicht mehr zu Stande gekommen ist. Es hat sich nämlich ... hier ein Synagogenverein als Vorstufe zu einer Synagogen-Gemeinde gebildet, der es sich zur Aufgabe macht:
a) einen Fond zu gründen, behufs Erbauung einer Synagoge am hiesigen Orte und Beschaffung aller zum Cultus erforderlichen Utensilien etc.
b) das Gefühl der religiösen Zusammengehörigkeit der isr. Elemente hiesigen Ortes zu heben und zu fördern zum Zwecke gegenseitiger Unterstützung in religiöser Beziehung, wie solches auch in anderen isr. Religionsvereinen oder Gemeinden der Fall ist. ...
Acht Jahre später erfolgte dann die offizielle Gründung der Israelitischen Kultusgemeinde Ingolstadt.
Nach der ab 1861 möglich gewordenen freien Niederlassung konnten sich die jüdischen Familien in Ingolstadt in relativ kurzer Zeit fast vollständig in die hiesige städtische Gesellschaft integrieren: So wurden aus Handels- und Marktjuden angesehene Ingolstädter Bürger, die meist im Stadtzentrum wohnten; sie eröffneten Geschäfte, wurden in städtische Vereine und Organisationen aufgenommen und nahmen am gesellschaftlichen Leben aktiv teil.
Anzeigen Ingolstädter jüdischer Geschäftsleute (um 1915)
Daneben hielten die Juden Ingolstadts aber weiterhin an ihren eigenen religiösen und sozialen Einrichtungen fest; so soll es damals in ganz Oberbayern nur in Ingolstadt und München eine florierende israelitische Kultusgemeinde gegeben haben. 1907 wurde das Hinterhaus der Theresienstraße 23 zu einer Synagoge mit einer Frauenempore umgebaut; diese löste einen seit 1876 eingerichteten Gottesdienstraum ab, den der Bankier Schülen in seinem Hause an der Milchstraße zur Verfügung gestellt hatte.
Anzeigen von 1889 und 1925
Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörte seit 1891 auch ein eigenea Beerdigungsgelände mit Tahara-Haus in unmittelbarer Nachbarschaft zum kommunalen Friedhof. In den Jahren zuvor hatte man die Verstorbenen u.a. in Hainsfarth begraben.
Zur jüdischen Gemeinde in Ingolstadt zählten auch die wenigen in Buxheim und Neuburg a.d. Donau lebenden jüdischen Einwohner.
Juden in Ingolstadt:
--- um 1870 .................... ca. 25 Juden,
--- um 1880 .................... ca. 60 “ ,
--- 1900 ........................... 90 “ ,
--- 1919 ........................... 102 “ ,
--- 1925 ........................... 103 “ (ca. 0,4% d. Bevölk.),
--- 1933 ....................... ca. 100 “ (in 40 Familien),
--- 1937 ........................... 59 “ ,
--- 1938 (Nov.) .................... 35 “ ,
--- 1939 (Jan.) .................... keine.
Angaben aus: B.Z.Ophir/F.Wiesemann (Hrg.), Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945, S. 32
Gouvernementsplatz und Schrannenstraße, Postkarten um 1915 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Ab 1870/1880 wurden auch in Ingolstadt antijüdische Strömungen spürbar, die in der antiliberal und antisemitisch eingestellten „Ingolstädter Zeitung” in die Öffentlichkeit getragen wurden. Im folgenden Artikelausschnitt wurde antijüdische Stimmungsmache durch negative Blumen-Metaphern betrieben:
Blumen aus dem Reiche Israel.
... und einmal den Garten Israels besuchen. ... wirst zwar wenig angenehmes, aber viel lehrreiches finden. Im Gegensatz zu unserem Aprilwetter ist dort die Luft arg schwül, fast zum ersticken. ... Gleich beim Eintreten steigt uns ein durchdringender Knoblochduft in die Nase. ... Der Knoblauch ist ein ausländisches Gewächs. Er gedeiht bei uns nur bei gutem Dünger. ... Als eine der Hauptarten des Knoblauchs gilt die Wucherblume. ... Die gemeinere Art scheint das Land, die feinere die Stadt vorzuziehen. ... Eine weitere Abart des Knoblauch ist das Löwenmaul. Selbiges Löwenmaul wird fast überall in Gesellschaft der Wucherblume angetroffen. Es schimpft am liebsten über Papst und Bischöfe, über Jesuiten und überhaupt alle, die getauft sind. Nähert man sich aber diesem Blümlein nur ein wenig, dann schreit es Zeder und Mordio über Judenhetze. ...
Auch in Parteien wie der Bayrischen Volkspartei wurde propagandistisch den Antisemiten der Stadt zugearbeitet. Mit der Gründung der NSDAP-Ortsgruppe in Ingolstadt im Dezember 1922 wurde die kleine Gruppe der Ingolstädter Antisemiten gestärkt. Mit ihrem Kampfblatt „Der Schanzer” machte sie ganz offen Stimmung gegen das sog. „Weltjudentum“, besonders aber auch gegen die Ingolstädter Juden. Die offizielle bayrische Politik bestärkte noch diese Haltung: Im Frühjahr 1922 forcierte die Regierung Gustav von Kahrs die Auswanderung aller nach Kriegsausbruch illegal eingewanderten Ausländer - fast ausschließlich „Ostjuden“. In diesem Zusammenhang wurde das bei Ingolstadt gelegene Fort Prinz Karl als zentrales „Ausländersammellager” bestimmt, das bis 1924 Bestand hatte.
Mit der ersten NS-Provinz-Tageszeitung „Der Donaubote” nahm die tägliche Hetze noch zu. Nach der NS-Machtübernahme begann auch in Ingolstadt der staatlich gelenkte Terror gegen die kleine jüdische Bevölkerungsgruppe, die damals ca. 100 Personen umfasste. Zwar wurde hier auch der reichsweite Boykott am 1.April 1933 durchgeführt; doch schien dieser wenig Erfolg gehabt zu haben, da danach noch zahlreiche Ingolstädter Bürger jüdische Geschäfte aufsuchten.
AUFRUF
Deutsche Volksgenossen ! Deutsche Frauen !
Der Jude hat es gewagt, dem deutschen Volk den Krieg zu erklären. Er betreibt in der ganzen Welt mit Hilfe der in seinen Händen befindlichen Presse einen groß angelegten
Lügenfeldzug
gegen das wieder national gewordene Deutschland. Er bezichtigt die Deutschen der unerhörtesten und schändlichsten Greueltaten, der erbärmlichsten Verbrechen.
Er fordert auf zum Boykott deutscher Erzeugnisse.
Wir fordern die deutsche Bevölkerung auf:
Kauft nicht in jüdischen Geschäften
Geht nicht zu jüdischen Aerzten
Laßt Euch nicht durch jüd. Rechtsanwälte beraten
Ihr versündigt Euch durch Unterstützung des Juden am deutschen schaffenden Volk !
Das Komitee zur Abwehr der
jüdischen Greuel- und Boykotthetze:
Kampfbundleiter des gewerblichen Mittelstandes der NSDAP, Ortsgruppe Ingolstadt.
I. Herpfer Vorsitzender des Aktionskomitees.
(aus: „Donaubote” vom 1.4.1933)
Bereits in den ersten Wochen der NS-Herrschaft wurden einzelne jüdische Männer aus Ingolstadt verhaftet und ins Konzentrationslager eingeliefert. Während des gesamten Jahres 1935 setzte „Der Donaubote” seine Kampagnen gegen Ingolstädter Juden und gegen den Teil der Bevölkerung fort, der die jüdischen Geschäftsleute nach wie vor unterstützte. Bis November 1938 hatten bereits etwa zwei Drittel der jüdischen Bewohner Ingolstadt verlassen; die meisten konnten nach Übersee emigrieren; bereits Mitte 1938 war der Großteil der jüdischen Geschäfte „arisiert“. Während des Novemberpogroms 1938 zerstörten SA-Leuten das Inventar des Betsaales mitsamt den Ritualien entweder an Ort und Stelle oder steckten es auf offener Straße in Brand; von einer Brandlegung nahm man aber Abstand, da umliegende Gebäude gefährdet waren. Auch die Scheiben der letzten beiden jüdischen Geschäfte wurden zerschlagen. Ebenfalls fiel das Tahara-Haus auf dem jüdischen Friedhof der Zerstörungswut von SA-Leuten zum Opfer. Hauptverantwortlicher für die Ausschreitungen in Ingolstadt war der NSDAP-Kreisleiter Lambert Friederichs.
Volkszorn vergilt jüdisches Verbrechen
... Wo am Abend noch Menschen beisammen waren, vor allem in den hiesigen Gaststätten, konnte man vielfach zornige Aeußerungen hören, die erkennen ließen, daß die Ingolstädter nun nicht mehr gewillt sind, Juden in den Mauern unserer Stadt zu dulden. In den Morgenstunden zog dann eine Volksmenge vor die jüdische Synagoge in der Theresienstraße, die kurze Zeit darauf für den weiteren Gebrauch unbenützbar war. Die Einrichtungsgegenstände und Bücher, aus denen der Rabbiner seinen jüdischen Rassegenossen den Haß gegen alles Nichtjüdische zu predigen pflegte, nährten einen großen Scheiterhaufen, der in der Mitte der Theresienstraße aufflammte. Die Masse sang dazu Kampflieder. Auch vor dem letzten der hiesigen jüdischen Geschäfte (Buxbaum) kam es zu heftigen Demonstrationen. Die hiesigen jüdischen Einwohner hielten es für geraten, schleunigst die Stadt zu verlassen.
(aus: „Donaubote” vom 10.11.1938)
Die noch etwa 40 in der Stadt lebenden Juden wurden ultimativ aufgefordert, innerhalb kürzester Frist Ingolstadt zu verlassen. Ihre bisherigen Wohnungen wurden noch am gleichen Tage leergeräumt und beschlagnahmt, das Inventar in ein Speditionslager am Nordbahnhof geschafft. „Die Aktion gegen Juden wurde rasch und ohne besondere Reibungen zum Abschluss gebracht“, vermeldete der Ingolstädter Oberbürgermeister Josef Listl am 1.Dez. 1938. Anfang des Jahres 1939 sollen in Ingolstadt keine Juden mehr gemeldet gewesen sein. Die innerhalb Deutschlands verzogenen Ingolstädter Juden sind 1941/1942 zumeist deportiert worden und umgekommen.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 60 aus Ingolstadt stammende bzw. hier längere Zeit ansässig gewesene Juden Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/ingolstadt_synagoge.htm).
Nach Kriegsende kehrten nur wenige Überlebende der früheren israelitischen Ingolstädter Gemeinde zurück.
Ab 1945 existierte in Ingolstadt kurzzeitig wieder eine jüdische Kultusgemeinde, die sich aus jüdischen Displaced Persons zusammensetzte. 1946 wurde der ehemalige Betsaal der jüdischen Gemeinde Ingolstadt zwar wieder hergestellt; doch konnten Gottesdienste wegen fehlender Gemeindemitglieder (sie waren zumeist nach Palästina/Israel ausgewandert) hier bald nicht mehr abgehalten werden. Nach 1952 wurde der Betraum - inzwischen in Privatbesitz - als Lagerraum bzw. Werkstatt genutzt.
Ende der 1960er Jahre sollen noch ca. 15 Juden in Ingolstadt gelebt haben.
Der Versuch, am sog. „Stegmeier-Haus“, dem Standort der ehemaligen Synagoge, eine Gedenktafel anzubringen, scheiterte im Jahre 1988 zunächst am Veto des hiesigen Stadtrates.
Hinweistafel am Gebäude der Theresienstraße 23
An die Opfer des Nationalsozialismus erinnern die im Stadtgebiet, vor allem im Luitpold-Park aufgestellten blauen Stelen.
Mahnmal (Aufn. 2007, aus: wikipedia.org, CCO)
2012 wurden in den Straßen Ingolstadts die ersten sog. „Stolpersteine“ verlegt und zwar auf Initiative von Schüler/innen des Christoph-Scheiner-Gymnasiums.
verlegt in der Griesmühlenstraße
... und am Paradeplatz (beide Abb. aus: extraprimagood.de)
Auf dem jüdischen Friedhof - an der Ostseite des christlichen Westfriedhofs gelegen - befindet sich ein Gedenkstein für die im Ersten Weltkrieg gefallenen und die in der NS-Zeit ermordeten jüdischen Einwohner der Stadt; er trägt die Worte:
Zum ewigen Gedenken (hebr.)
Die Stadt Ingolstadt gedenkt in Trauer der im Ersten Weltkrieg 1914- 1918 gefallenen jüdischen Mitbürger: Ernst Halberstadt, Adolf Kuhn und aller jener, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933-1945 Opfer der Verfolgung geworden sind.
Ihre Seelen seien eingebunden in den Bund des Lebens". (hebr.)
Das während des Novemberpogroms im Innern stark demolierte Taharahaus wurde nach 1945 wieder restauriert. In den Nachkriegsjahren von 1946 bis 1948 waren auf dem Gelände verstorbene jüdische DPs begraben worden.
Blick auf das Friedhofsgelände und Taharahaus (beide Aufn. Angela Hager, 2006)
Im westlich von Ingolstadt gelegenen Neuburg/Donau (Abb. Hagar, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0) müssen im 13.Jahrhundert vereinzelt Juden gelebt haben. Ein Grabstein aus dem Jahre 1249 ist erhalten geblieben.
Grabstein aus dem Jahre 1249
Nach Gründung des Fürstentums Pfalz-Neuburg (1505) wurden in Neuburg zwei jüdische Familien gegen Schutzgeld-Zahlung aufgenommen. Diese Duldung war vorübergehend und wurde danach durch strenge Aufenthaltsverbote abgelöst. Während des 30jährigen Krieges waren dann wieder jüdische Familien in Neuburg ansässig. Im Laufe des späten 17./18.Jahrhunderts waren vor allem religiöse Motive ausschlaggebend für eine erneute Vertreibung der Juden aus dem Fürstentum Pfalz-Neuburg.
Der 1766 geborene Wolf Hayum Ladenburg (Abb. aus: wikipedia.org, PD-alt-100) war der Gründer des ältesten jüdischen Bankhauses in Mannheim; er entstammte einer alten jüdischen Handelsfamilie aus Neuburg. Als Angehöriger einer neuen jüdischen Wirtschaftselite war W.H.Ladenburg maßgeblich an der Emanzipation der Juden in Baden beteiligt. Über Jahrzehnte hinweg war er Vorsteher der jüdischen Gemeinde zu Mannheim und Mitglied im Oberrat der Israeliten Badens (1825–1845).
Auf dem jüdischen Friedhof in Mannheim besitzt die Familie Ladenburg eine imposante Grabstätte (Aufn. F.C.Müller, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0).
In Pfaffenhofen (Karte Hagar, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0) – ca. 45 Kilometer nördlich von München bzw. ca. 30 Kilometer südlich von Ingolstadt - sind 2020 an zwei Gebäuden im Stadtgebiet Gedenktafeln angebracht worden, die ehemaligen jüdischen Bürgern gewidmet sind, die während der NS-Diktatur Opfer der Shoa wurden: In der Auenstraße wird an die dreiköpfige Familien Schloss und am Hauptplatz an den jüdischen Hopfenhändler David Mann erinnert
Seit 2014 erinnert ein vom Künstler Thomas Neumair geschaffenes Denkmal an die Pfaffenhofener Opfer des Nationalsozialismus; am unmittelbar angrenzenden Gebäude sind auf Schautafeln Schicksale einzelner Personen dokumentiert.
Denkmal (Aufn. D., 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Weitere Informationen:
Arno Friedmann, Die Geschichte der Juden in Ingolstadt (1300 - 1900), Ingolstadt 1900
Arno Friedmann (Red.), Zur Geschichte der Juden in Ingolstadt, in: „Bayrische Israelitische Gemeindezeitung“ vom 8.6.1926
Arno Friedmann, Bilder aus meiner Heimatgeschichte - Ein Beitrag zur Geschichte und Heimatkunde der Juden in Bayern, Ingolstadt 1929
B. Rosenthal, Der Ursprung der Familie Ladenburg, , in: "Israelitisches Gemeindeblatt", 13. Jg., No. 10, Mannheim 1935
Michael Eckstein, Ein jüdischer Grabstein aus dem 13. Jahrhundert in Neuburg an der Donau, in: "Schwäbische Blätter", 9/1958, S. 49 ff.
Germania Judaica, Band II/1, Tübingen 1968, S. 375/376 und Band III/1, Tübingen 1987, S. 582/583
B.Z.Ophir/F.Wiesemann (Hrg.), Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918-1945 - Geschichte und Zerstörung, München/Wien 1979
Theodor Straub, Juden in Ingolstadt - Eine Gedenkschrift, Verlag Schanzer Journal, Ingolstadt 1988
Theodor Straub, Der letzte Ausweg - die Donau, in: Friedrich Kraft (Hrg.), Kristallnacht in Bayern - Judenpogrom am 9.Nov. 1938 - Eine Dokumentation, Claudius-Verlag, 1988, S. 112 f.
Theodor Straub, “Da braucht ihr net stolz drauf sein!” - Erinnerung an die Reichspogromnacht in Ingolstadt am 10.November 1938, in: "Donaukurier" vom 10.11.1988
Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - Eine Dokumentation, Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, 2.Aufl., München 1992, S. 312 f.
Theodor Straub/Alisa Douer, Ingolstädter Gesichter. 750 Jahre Juden Ingolstadt (Katalog der Ausstellung), Courier-Druckhaus, Ingolstadt 2000 (enthält zahlreiche Personendaten mit Bildmaterial)
A. Hager/H.-Chr. Haas, Ingolstadt, in: Mehr als Steine ... Synagogengedenkband Bayern, Band 1, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2007, S. 351 - 359
Jüdisch Historischer Verein Augsburg, Zur neueren Geschichte der Juden in Ingolstadt, online abrufbar unter: jhva.wordpress.com/2011/05/01/zur-neueren-geschichte-der-juden-in-ingolstadt/
Jüdisch Historischer Verein Augsburg, Der jüdische Friedhof in Ingolstadt, online abrufbar unter. jhva.wordpress.com/2011/04/17/der-judische-friedhof-von-ingolstadt/
Ingolstadt, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Text- und Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Michael Stadik (Red.), Auf den Spuren der Nazi-Opfer, in: "Donaukurier“ vom 8.7.2010
Christian Silvester (Red.), Eine Verbeugung vor den Opfern, in: „Donaukurier“ vom 21.3.2012
Auflistung der in Ingolstadt verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Ingolstadt
Bernhard Pehl (Red.), Für ein würdiges Gedenken – Der Historiker Theodor Straub plädiert für eine jüdische Ausstellung im Taharahaus am Westfriedhof, in: „Donaukurier“ vom 26.9.2017
Sabine Kaczynski (Red.), Gegen das Vergessen – Im Luitpoldpark erinnert jetzt die letzte freie Stele an Holocaust-Opfer Marie Herzenberger, in: „Donaukurier“ vom 30.1.2019 (betr. Angehörige der Sinti und Roma)
AZ (Red.), Ingolstadt. Im Gedenken an eine Ingolstädter Familie, die vor den Nazis floh, in: „Neuenburger Rundschau“ vom 1.7.2023