Ingweiler (Elsass)

Kreis Zabern.png Das im nördlichen Unterelsass gelegene Ingweiler mit derzeit ca. 4.000 Einwohnern ist das frz. Ingwiller - westlich von Hagenau/Haguenau gelegen (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).

 

Ingweiler besaß gegen Mitte des 19.Jahrhunderts eine relativ große israelitische Gemeinde mit mehr als 500 Angehörigen.

Zur Zeit Karl IV. schienen bereits Juden in der Region um Ingweiler sich aufgehalten bzw. gelebt haben; denn dem dort herrschenden Adelsgeschlecht Lichtenberg wurde 1347 urkundlich u.a. zugestanden, von den dortigen Juden Steuern/Abgaben einzufordern. Die ersten sicheren Belege von jüdischem Leben in Ingweiler reichen bis zu Beginn des 17.Jahrhunderts zurück; während des Dreißigjährigen Krieges hatten Familien aus kleinen Dörfern des nahen Umlandes vorübergehend Schutz in Ingweiler gefunden. Gegen Ende des Jahrhunderts lebten hier dann dauerhaft sechs Familien mosaischen Glaubens. Die sich nun langsam, aber stetig sich vergrößernde Gemeinde erreichte gegen Mitte des 19.Jahrhunderts mit mehr als 500 Mitgliedern ihren zahlenmäßigen Zenit.

Auf den noch erhaltenen Kellergewölben eines verfallenen Schlosses der Grafen von Lichtenberg wurde 1822 ein Gebäude errichtet, von dem ein Teil als Betsaal diente. 1870 wurde das gesamte Haus zu einer Synagoge mit Frauenempore umgebaut. Anfang des 20.Jahrhunderts erhielt sie einen Kuppelaufsatz im orientalischen Stil und dadurch ihre endgültige äußere Gestalt.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20104/Ingweiler%20Synagogue%2078.jpg hist. Postkarte mit Synagoge

                           Synagoge in Ingweiler (hist. Postkarte, Ausschnitt)

Seit Mitte der 1830er Jahre gab es in Ingweiler eine jüdische Konfessionsschule.

Der israelitische Friedhof - neben dem kommunalen gelegen - wurde zu Beginn des 19.Jahrhunderts angelegt.

                  Älterer Friedhofsteil (Aufn. J. Hahn, 2004)

Im Zeitraum von 1833 bis 1870 war Ingweiler Sitz eines Rabbinats; danach gehörte die Gemeinde zum Rabbinat Buchsweiler.

Juden in Ingweiler:

         --- um 1680/90 ....................   6 jüdische Familien,

    --- 1716 ..........................  13     "        "   ,

    --- 1766 ..........................  26     "        "   ,                         

    --- 1784 .......................... 195 Juden (in 38 Familien),

    --- 1805 ...................... ca. 400 Juden,*   *andere Angabe: 250 Pers.

    --- um 1850 ................... ca. 550   “   (ca. 23% d. Bevölk.),

    --- 1861 .......................... 399   “  ,

    --- 1871 .......................... 367   “  ,

    --- 1895 .......................... 344   "  ,

    --- 1905 .........................  322   “  ,

    --- 1910 .........................  310   “  ,

    --- 1939/40 .................. ca.  160   “  ,

    --- 1953 .........................  118   “  ,

    --- 1969 ..................... ca.  100   “  .

Angaben aus: Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, S. 31

und                 Jean Daltroff, Ingwiller. Geschichte der Juden vom Mittelalter bis heute

Panorama Ingwiller 1880.jpg

Ansicht von Ingweiler (Synagoge Bildmitte), Abb. um 1880, Buchdruckerei K. Schneider, aus: wikimedia.org, gemeinfrei

 

Mit der 1880/1890 einsetzenden Abwanderung der jüdischen Familien Ingweilers in größere Städte verlor die jüdische Gemeinde innerhalb kurzer Zeit rapide an Bedeutung; die Zahl der Gemeindeangehörigen sank innerhalb weniger Jahrzehnte um mehr als die Hälfte.

Die 1940 noch in Ingweiler lebenden jüdischen Bewohner wurden nach Südfrankreich deportiert. Das Synagogengebäude wurde geplündert und demoliert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ wurden insgesamt 35 aus Ingweiler stammende bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene jüdische Bürger Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/ingwiller_synagogue.htm).

Nach Kriegsende kehrte ein Teil der Überlebenden wieder nach Ingwiller zurück und bildete im Ort wieder eine kleine israelitische Gemeinde, die ihre gottesdienstlichen Zusammenkünfte in der während des Krieges geplünderten, inzwischen aber restaurierten Synagoge abhielt. Mittlerweile finden hier aber keine Gottesdienste mehr statt. Das Gebäude dient heute vorwiegend musealen Zwecken.

Ingwiller 01.JPG 

Aufn. Ralph Hammann, 2016 (aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0 und GFreihalter, 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Innenansicht (Aufn. GFreihalter, 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)        historische Thorarollen (Aufn. J. Hahn, 2011)

Das Gebäude der ehemaligen jüdischen Schule ist erhalten geblieben; es dient seit langem Wohnzwecken (Aufn. GFreihalter, 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

In Ingwiller sind bisher 13 sog. „Stolpersteine“ verlegt worden, die Opfern der NS-Herrschaft gewidmet sind.

 

 

 

In Weinburg (frz. Weinbourg) - einige Kilometer westlich von Ingweiler - gab es seit dem 18.Jahrhundert eine kleine israelitische Gemeinde; um 1785 gehörten ihr knapp zehn Familien an. In einem Privathaus war der Betraum untergebracht. Um 1850 erreichte die Zahl der Gemeindemitglieder ca. 70 Personen. Gegen Ende des 19.Jahrhunderts hatten fast alle Familien das Dorf verlassen, die Gemeinde erlosch.

 

 

 

In Rothbach (frz. Rothbach) – wenige Kilometer nordöstlich von Ingweiler gelegen – bestand seit dem 18.Jahrhundert eine relativ kleine jüdische Gemeinde; um 1785 setzte diese sich aus elf Familien zusammen. Ein altes, aus den 1790er Jahren stammende Bethaus wurde um 1845 durch eine neue Synagoge ersetzt. Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörten - neben einem Friedhof inmitten der Weinberge bei Selhof (später dann in Ettendorf) - eine Religionsschule und eine Mikwe. Die Gemeinde gehörte zum Rabbinat von Buchsweiler (Bouxwiller).

Juden in Rothbach:

--- 1784 .................... 11 jüdische Familien,

--- 1807 ...................  13 Juden,

--- 1846 ...................   96   "  ,

--- 1861 ...................    66   "  ,

--- 1910 ...................     7   "  ,

--- 1935 .................... keine.

Angaben aus: Michel Rothé / Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire  

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte die Zahl der Gemeindeangehörigen fast 100 Personen; doch schon wenige Jahre später reduzierte sich diese infolge Abwanderung deutlich. Im Jahre 1910 lebten in Rothbach nur noch sieben Personen mosaischen Glaubens; 1936 wurden im Ort keine Juden mehr gezählt.

In der Rue Creuse ist bis heute der als Synagoge dienende Gebäudeteil eines kleinen Fachwerkhauses erhalten.

ehem. Standort des Betraums (Aufn. aus: reichshoffen.free.fr/Comple/15synagogues.html)

 

 

Im östlich von Rothbach gelegenen Dorf Offweiler (frz. Offwiller) existierte seit dem ausgehenden 18.Jahrhundert eine kleine jüdische Gemeinde. Ihren zahlenmäßigen personellen Zenit erreichte sie um die Mitte des 19.Jahrhunderts mit knapp 90 Angehörigen. Die Gemeinde, die über eine Synagoge mit Religionsschule und eine Mikwe verfügte, gehörte zum Rabbinat Buchsweiler (Bouxwiller).

Juden in Offweiler:

--- 1807 ...................  32 Juden,

--- 1846 ...................  89   "  ,

--- 1861 ...................  73   "  ,

--- 1870 ...................  63     "  ,

--- 1910 ...................  sehr wenige.

Angaben aus: Michel Rothé / Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire,  

Gegen Ende des 19.Jahrhunderts war die Gemeinde in Auflösung begriffen; 1910 lebten nur noch zwei jüdische Bewohner im Dorf.

 

 

 

Weitere Informationen:

Edmond Uhry, Galleries of Memory (datiert New York 1946). Auszüge in: Monika Richarz, Bürger auf Widerruf - Lebenszeugnisse deutscher Juden 1780 - 1945, Verlag C.H. Beck, München 1989, S. 286 - 290

Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, Jerusalem 1992, S. 42 und S. 87

Jean Daltroff, Ingwiller. Geschichte der Juden vom Mittelalter bis heute (online abrufbar unter: judaisme.sdv.fr)

Ingwiller, in: alemannia-judaica.de (mit Text- u. zahlreichen Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Rothbach, in: alemannia-judaica.de

Weinbourg, in: alemannia-judaica.de

Offwiller, in: alemannia-judaica.de

Jean Daltroff, La route du judaïsme en Alsace, 2. Aufl., Bernardswiller 2010, S. 46

Canton de Reichshoffen (Hrg.), Die Geschichte der 15 Synagogen im Canton Reichshoffen, online abrufbar unter: reichshoffen.free.fr/Comple/15synagogues.html