Kladno (Böhmen)
Das in Mittelböhmen, 25 Kilometer nordwestlich von Prag gelegene Kladno (dt. Kladen) war bis ins 19.Jahrhundert ein unbedeutender Marktflecken; ab der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts entwickelte es sich zu einem industriellen Zentrum. Heute besitzt die Stadt nahzu 70.000 Einwohner (Ausschnitt aus hist. Karte ‚Böhmische Nordbahn‘ mit Kladno am unteren linken Kartenrand, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).
Industrie-Landschaft Kladno (hist. Ansicht um 1920/1930)
Ansiedlung von Juden in den Bergbauregionen des Habsburger Reiches war über Jahrhunderte hinweg untersagt; dies galt auch für Kladno. Im beginnenden 19.Jahrhundert besaßen nur zwei bis drei jüdische Familie die Berechtigung, ihren Wohnsitz in Kladno zu unterhalten. Seit Beginn der 1850er Jahre vervielfachte sich dann durch den Zustrom an Arbeitskräften in kurzer Zeit die Einwohnerzahl Kladnos; auch zahlreiche jüdische Familien kamen hierher und bildeten alsbald eine ansehnliche Gemeinde.
Seit Mitte der 1860er Jahre gab es in der Stadt einen jüdischen Betraum. Im Jahre 1884 konnte die auf mehrere hundert Personen angewachsene Gemeinde (aber erst seit 1893 offiziell als Kultusgemeinde ausgewiesen) einen Synagogenneubau im Stile der Neu-Renaissance einweihen, der vom Prager Baumeister Emanuel Brandt geschaffen wurde; an der Frontseite waren marmorne Gebotstafeln mit goldenen Lettern angebracht. Jüdische Gottesdienste fanden hier bis 1939 statt.
Ehem. Synagogengebäude (Aufn. Fet'our, 2012, aus: wikipedia.org, CCO)
Ende der 1880er Jahre legte man den jüdischen Friedhof an, der bis heute in Nutzung ist.
Juden in Kladno:
--- 1849 ......................... 3 jüdische Familien,
--- 1880 ..................... ca. 300 Juden,
--- 1900 ......................... 388 “ (ca. 2% d. Bevölk.),* *andere Angabe: 430 Pers.
--- 1921 ..................... ca. 260 " ,
--- 1930 ......................... 210 “ ,
--- 1942 (Mai) ................... keine.
Angaben aus: Institut Terezínské iniciativy (2004)
Jüdische Unternehmer spielten in Kladno auch eine wichtige Rolle im Bergbauwesen und in der Industrie.
Vor der deutschen Okkupation hatte bereits ein Teil der jüdischen Bevölkerung Kladno verlassen; die noch hier verbliebenen wurden - gemeinsam mit zahlreichen Juden aus der Region - im Februar 1942 nach Theresienstadt verschleppt; von hier aus wurden die allermeisten in die Vernichtungslager im besetzten Polen deportiert.
Anm.: Die Gestapo in Kladno war eine der Initiatoren der Ausrottung der Gemeinde Lidice als Vergeltung für das erfolgreiche Attentat auf Reinhard Heydrich (1942); der Ort wurde dem Erdboden gleichgemacht, alle Männer in Lidice ermordet und Frauen und ihre Kinder in die Konzentrationslager oder zur „Umerziehung“ verschleppt.
Unmittelbar nach Kriegsende bestand kurzzeitig wieder eine neue israelitische Gemeinde.
Heute ist das Synagogengebäude, in dem bis 1939 regelmäßig Gottesdienste der jüdischen Gemeinde abgehalten worden waren, im Besitz Sitz der Johann-Hus-Gemeinde. An der Außenwand des Gebäudes erinnert eine Tafel an dessen einstige Bestimmung.
Erinnerungsplakette (Aufn. Fet'our, 2012, aus: wikipedia.org, CCO)
Jüdisches Friedhofsgelände in Kladno
einzelne ältere Grabstätten u. Taharahaus (alle Aufn. Fet'our, 2012, in: commons.wikimedia.org, CCO)
In Schlan (tsch. Slany, derzeit ca. 16.000 Einw.) - wenige Kilometer nördlich von Kladno gelegen - wurden Juden erst im 19.Jahrhundert erneut ansässig und bildeten Jahrzehnte später eine Gemeinde, die ihren zahlenmäßigen Höchststand mit ca. 200 Angehörigen um 1880 erreichte. Doch bereits im 14./15.Jahrhundert sollen im Ort jüdische Familien bis zu ihrer Vertreibung (1458) hier gelebt haben.
Mitte der 1860er Jahre ließ die Gemeinde eine Synagoge mit maurischen Stilelementen errichten. Der Friedhof wurde 1881 angelegt. Anfang der 1930er Jahre setzte sich die jüdische Gemeinschaft aus ca. 85 Angehörigen zusammen. Im Frühjahr 1942 wurden diese nach Theresienstadt verschleppt, die meisten danach in die Todeslager deportiert.
Das Gebäude der ehemaligen Synagoge ist seit 1988 ein geschütztes Kulturdenkmal.
Ehem. Synagoge (H. 2014, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
Seit 2010 ist der jüdische Friedhof von Slaný als "schützenswertes Kulturdenkmal" eingetragen.
Auch in der kleinen Ortschaft Blewitz (Blevice, derzeit kaum 300 Einw.) gab es eine jüdische Gemeinde; Relikte aus dieser Zeit ist der israelitische Friedhof. Das relativ großflächige Begräbnisgelände - es wurde zumeist von Familien aus nahen Ortschaften genutzt - weist heute noch mehr als 300 Grabsteine auf.
Jüdischer Friedhof in Blevice (Aufn. M., 2008, aus: wikipedia.org, CCO)
In Hostau (tsch. Hostoun, derzeit ca. 1.300 Einw.) – ca. acht Kilometer südöstlich von Kladno – sollen vermutlich bereits zu Beginn des 16.Jahrhunderts Juden gelebt haben; doch erst gegen Ende des 18.Jahrhunderts sind jüdische Familien hier urkundlich belegt. Der sich nun bildenden jüdische Gemeinde gehörten auch Familien aus zahlreichen kleinen Dörfern der nahen Umgebung an.
In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts ist der Bau einer Synagoge belegt.
Synagoge in Hostau (hist. Aufn. aus: dbs.bh.org.il/place/hostoun)
Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörten ein Gemeindehaus mit einer Schule (unterrichtet wurde in deutscher Sprache) und ein alter Friedhof, der in den 1850er Jahren durch ein neu angelegtes Areal ersetzt wurde.
Ihren personellen Zenit erreichte die Gemeinde in Hostau gegen Mitte des 19.Jahrhunderts, als ihr ca. 60 Familien angehörten.
Jüdischer Friedhof in Hostoun (Aufn. Fet'our, 2012, aus: wikipedia.org, CCO)
In Welwarn (tsch. Velvary, derzeit ca. 3.000 Einw.) – unweit von Kladno – erinnert heute noch das Anfang der 1930er Jahre errichtete Synagogengebäude an die hier ehemals bestehende israelitische Gemeinde des Ortes; das Gebäude war im Stile des Funktionalismus (“Bauhaus-Stil”) errichtet worden. Seit 1999 steht es unter Denkmalschutz und ist heute als Kunstschule in Nutzung.
Ehem. Synagoge (Aufn. H. Kubicova, 2013, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
In Neu Straschitz (tsch. Nové Strašecí, derzeit ca. 5.500 Einw.) - ca. 15 Kilometer westlich von Klado – gibt es einen jüdischen Friedhof, dessen Anlage gegen Mitte des 19.Jahrhunderts erfolgte. Auf dem ca. 2.000 m² großen Gelände findet man heute etwa 100 Grabsteine.
Jüdischer Friedhof (Aufn. Fet’our, 2012, aus: commons.wikimedia.org, CCO)
Weitere Informationen:
Richard Fanta (Bearb.), Geschichte der Juden in Schlan und Umgebung, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart. Jüdischer Buch- und Kunstverlag, Brünn/Prag 1934, S. 585 – 586
Jiří Fiedler, Jewish Sights of Bohemia and Moravia, Prag 1991, S. 93/94
The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust, New York University Press, Washington Square, New York 2001, Vol. 2, S. 632 und Vol. 3, S. 1197
Institut Terezínské iniciativy (2004)
Angaben der Stadtverwaltung Kladno (2005)
The Jewish Community of Kladno, Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/kladno
Jewish families from Kladno, Bohemia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-families
Jewish families from Slaný (Schlan), Bohemia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-families-from-slan
Jewish families from Velvary (Welwarn), Bohemia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-families-from-velvery-welwarn
Jewish families from Nové Strašecí (Neustraschitz), Bohemia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-families-from-Nov…
Irena Veverkova, Path of No Return, Kladno 2009 (Geschichte der jüdischen Gemeinde von 1853 – 1942)
Beit Hatfutsot Databases (Red.), Hostoun (German Hostau), online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/hostoun