Koschmin (Posen)

  Koschmin - im Südosten der ehemaligen preußischen Provinz Posen - ist die polnische Kleinstadt Koźmin Wielkopolski mit derzeit ca. 6.400 Einwohnern in der Woiwodschaft Poznan (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Koźmin Wielkopolski rot markiert, K. 2006, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Erstmalige Erwähnung von Juden in Koschmin datiert von 1415. Zu Beginn des 16.Jahrhunderts soll sich in Koschmin dann eine kleine jüdische Gemeinde gebildet haben, die sich alsbald vergrößerte und ein ganzes Viertel des mauergeschützten Ortes einnahm.

Auf Grund der vom Stadtherrn gewährten Privilegien konnten die jüdischen Bewohner in der Stadt Gemeindeeinrichtungen wie Bethaus, Friedhof, Rabbiner- und Lehrerhaus einrichten und betreiben; außerdem wurden ihnen bestimmte wirtschaftliche Vorteile eingeräumt - nach Zahlung jährlicher Abgaben.

Unter der schwedischen Invasion während des Nordischen Krieges und den später ausbrechenden Seuchen hatte die gesamte Bevölkerung schwer zu leiden; zahlreiche Bewohner verließen Koschmin. Nach der zweiten Teilung Polens (1793) kam Koschmin unter preußische Herrschaft; die jüdische Bevölkerung im Orte wuchs nun stark an - im Laufe von fünf Jahrzehnten bis auf mehr als 700 Personen.

Ein Großfeuer zerstörte 1797 Teile des jüdischen Wohnviertels. Der jüngste Synagogenbau stammte aus dem Jahre 1870/1871; er soll einen baufälligen Holzbau ersetzt haben, der um 1745 erstellt und sich zuvor an gleicher Stelle befunden hatte.

 

                              links: Synagoge im Hintergrund        rechts: Synagoge von Koschmin (hist. Postkarte, um 1915)     beide Aufn. aus: fotopolska.eu

In den 1820er Jahren wurde eine jüdische Elementarschule in Koschmin eingerichtet, die zu Beginn des 20.Jahrhunderts nur noch wenige jüdische Kinder besuchten; daneben existierte eine Religionsschule.

In unmittelbarer Nähe lag auch der jüdische Begräbnisplatz; als dieser um 1870 belegt war, wurde eine neue Friedhofsfläche ausgewiesen; auf dieser wurden auch die ausgegrabenen Gebeine vom alten Friedhof beerdigt.

Juden in Koschmin:

         --- 1675 ....................... ca.  40 Juden,

    --- 1776 ........................... 148   “  ,

--- 1793 ....................... ca. 300    “  (ca. 20% d. Bevölk.),

    --- 1800 ........................... 336    “  ,

    --- 1812 ........................... 390    “  ,

    --- 1820 ........................... 471    “  ,

    --- 1831 ........................... 649    “  ,

    --- 1840 ........................... 722    “  ,

    --- 1855 ....................... ca. 860    “  (ca. 24% d. Bevölk.),

    --- 1871 ........................... 588    “  ,

    --- 1885 ........................... 458    “  ,

    --- 1895 ........................... 394    “  ,

    --- 1905 ........................... 351    “  ,

    --- 1910 ........................... 288    “  ,

    --- 1923 ....................... ca.  50    “  ,

    --- 1932 ........................... 135    “  ,*   * andere Angabe: 40 Pers.

    --- 1939 ....................... ca.  30    “  . 

Angaben aus: Heppner/J.Herzberg, Aus Vergangenheit und Gegenwart der Juden und ..., S. 544

 

Im späten 19.Jahrhundert und vor allem in der Zwischenkriegszeit wanderten immer mehr Juden aus Koschmin ab; bevorzugte Emigrationsziele waren große Städte wie Breslau und Berlin, aber auch Nordamerika bot zahlreichen Koschminer Juden eine Zukunft.

Anfang der 1930 Jahre setzte sich die jüdische Gemeinde aus ca. 130 Angehörigen zusammen. Gottesdienste fanden damals nur noch gelegentlich statt, wenn der Rabbiner aus Kempen die Gemeinde aufsuchte.

Diejenigen, die nach der deutschen Okkupation noch in der Stadt waren, wurden im November 1939 ins Ghetto Lodz bzw. Lager im „Generalgouvernement“ verschleppt; fast alle kamen hier gewaltsam ums Leben.

 

Das Synagogengebäude überdauerte die Kriegsjahre; in den 1970er Jahren wurde es abgerissen.

Der jüdische Friedhof von Koschmin zeigt sich heute in einem sehr gepflegten Zustand; aus dem frühen 19.Jahrhundert sind noch etwa 250 Grabsteine erhalten; damit gehört das Begräbnisgelände zu den besterhaltenen Friedhöfen in der Region.

Friedhof von Kozmin (Aufn. Barbara Bogucka, aus: kirkuty.xip.pl )

 

 

 

Im wenige Kilometer nordöstlich von Koschmin gelegenen Dorf Dobrzyca (1939-1945 Dobberschütz) lebten seit dem 17.Jahrhundert einzelne jüdische Familien. Dokumentiert ist eine jüdische Gemeinschaft seit dem ausgehenden 18.Jahrhundert.

Um 1850 erbaute man eine Synagoge, die mehr als sieben Jahrzehnte religiöser Mittelpunkt der Gemeinde war. Als dann in den 1920er Jahren die Gemeinde sich wegen Abwanderung auflöste, wurde die Synagoge abgerissen und das Grundstück verkauft.

Juden in Dobrzyca:

         --- 1793 ........................  13 jüdische Familien,

    --- 1800 ........................  22     “       “    ,

    --- 1845 ........................ 146 Juden,

    --- 1881 ........................ 152   “  ,

    --- 1929 ........................   2 jüdische Familien.

Angaben aus: Dobrzyca, in: sztetl.org.pl

vgl. dazu:  Dobberschütz (Posen)

 

 

 

Weitere Informationen:

A.Heppner/J.Herzberg, Aus Vergangenheit und Gegenwart der Juden und der jüdischen Gemeinden in den Posener Landen, Koschmin - Bromberg 1909, S. 541 - 552

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 669

Koźmin und Dobrzyca, in: sztetl.org.pl

Barbara Bogucka, Koźmin Wielkopolski (Jewish cemetery), in: kirkuty.xip.pl

K. Bielawski Red.), Dobrzyca (Jewish cemetery), in: kirkuty.xip.pl