Kyllburg/Eifel (Rheinland-Pfalz)
Kyllburg ist eine kleine Kommune mit knapp 1.000 Einwohnern im Eifelkreis Bitburg-Prüm; seit 2014 gehört Kyllburg der Verbandsgemeinde Bitburger Land an (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, Bild-PD-alt und Kartenskizze 'Eifelkreis Bitburg-Prüm', S. 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
Mehrere jüdische Familien ließen sich in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts in Kyllburg, Malberg und Oberkail nieder. Sie verdienten zumeist als ‚Handelsmänner’ ihren Lebensunterhalt. Die Bildung eines selbstständigen Kultusgemeinde muss um 1910 erfolgt sein; zu ihren Angehörigen zählten auch die wenigen Familien in Malberg und Speicher.
Teilansicht Kyllburg mit Synagoge (hist. Aufn., aus: wikipedia.org, CCO)
1911/1912 ließ die hiesige Judenschaft ihre neue Synagoge errichten, die am Südhang des Annenbergs gelegen war. Ermöglicht wurde der Bau durch den Erlös bei der Veräußerung des Eigentums, das im Testament eines kinderlosen katholischen Gastwirts aus Kyllburg an die jüdische Gemeinde ging.
Synagoge in Kyllburg (hist. Aufn., Landesamt)
In seinen Aufzeichnungen berichtete der damalige Kyllburger Pastor Rödder über die neue Synagoge:
„ ... Im Jahre 1912 erhielt Kyllburg auch eine Synagoge; sie wurde erbaut gleich oberhalb des Friedhofs, etwas schräg unter der protestantischen Kirche, so daß am Meiselter-Berg jetzt katholische, evangelisch und jüdische Kirche friedlich in nächster Nähe beieinander und alle zusammen unter dem Schutz der Mariensäule stehen. Die Juden luden mich zur Einweihung ein, da ich aber an der eigentlichen rituellen Feier nicht teilnehmen wollte und da ein öffentliches Festessen nicht stattfand, so begnügte ich mich mit einem Glückwunschschreiben an die 5 Synagogen-Vorsteher, wovon ich hörte, die jüdische Gemeinde auch ganz befriedigt war. ...”
Einen eigenen Lehrer hat die kleine Gemeinde vermutlich nicht gehabt; Religionsunterricht für die wenigen Kinder wurde durch auswärtige Lehrer erteilt.
Das winzige jüdische Begräbnisgelände befand sich in der Gemarkung Malberg; es wurde vermutlich erst seit 1900 belegt; die letzte Beisetzung erfolgte hier im Jahre 1937.
Juden in Kyllburg/Malberg:
--- 1895 ........................ 13 Juden,* *andere Angabe: ca. 40 Pers.
--- 1905 ........................ 22 “ ,
--- 1924 ........................ 30 " ,
--- um 1930 ................. ca. 50 “ ,
--- 1942 (Jan.) ................. 5 “ ,
(Aug.) ................. keine.
Angaben aus: Jüdische Bevölkerung in Personenstandsregistern des Amtes Kyllburg
Vor allem ab 1937/1938 wanderten die jüdischen Familien aus Kyllburg ab; zugleich zogen aber auch einige aus Städten zu.
Im Gefolge des Novemberpogroms von 1938 wurde die Kyllburger Synagoge in Brand gesetzt und zerstört; verantwortlich dafür waren vermutlich aus Trier kommende Nationalsozialisten. Die wenigen Grabstellen des kleinen jüdischen Friedhofs wurden geschändet und danach völlig vernichtet.
Die allermeisten Juden Kyllburgs konnten sich noch rechtzeitig in Sicherheit bringen; vor allem in Nord- und Südamerika fanden sie eine neue Heimat. Vier jüdische Bewohner Kyllburgs wurden am 25.Juli 1942 „nach Böhmen - Mähren abgemeldet”.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden nachweislich elf gebürtige bzw. länger am Ort lebende Juden Opfer der NS-Gewaltherrschaft, fast ausschließlich Angehörige der Familie Nussbaum. Aus Malberg kamen fünf jüdische Bewohner gewaltsam ums Leben (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: Christian Altmayer (Red.), Die kurze Geschichte eines Gotteshauses, in: volksfreund.de vom 24.5.2020).
Ehem. Kyllburger Synagoge - 3D-Rekonstruktion (Abb. aus: wiki.schmino.de/)
Auf dem Grundstück der evangelischen Kirchengemeinde steht ein Gedenkstein mit der Inschrift:
Gegenüber stand die Synagoge von Kyllburg,
erbaut im Jahre 1911; sie wurde am 9.11.1938 von Nationalsozialisten zerstört.
Auf dem Anfang der 1940er Jahre zerstörten jüdischen Friedhof in Malberg wurde 1958 ein Gedenkstein zum Erinnerung an die in der NS-Zeit umgekommenen Mitglieder der israelitischen Gemeinde Kyllburg-Malberg errichtet (Aufn. Otmar Frühauf, 2009); unter einem Davidstern ist die folgende Inschrift zu lesen: "Zum Andenken an die verstorbenen und im KZ-Lager umgekommenen jüdischen Mitglieder der Gemeinde Kyllburg-Malberg. Den Toten zum Gedenken - den Lebenden zur Mahnung, errichtet im Jahre 1958". Heute befinden sich auf dem Gelände noch sechs Grabsteine, die nach 1945 vermutlich willkürlich aufgestellt worden sind.
2017 wurden in der Bahnhofstraße in Kyllburg vier und in der Schlossstraße in Malberg drei sog. „Stolpersteine“ verlegt, die Angehörigen der ehemals hier lebenden jüdischen Familien gewidmet sind.
verlegt in der Bahnhofstr. (Aufn. Chr. Schmidt, 2017, aus: wikipedia.org, CCO)
Weitere Informationen:
Karl E. Becker, Das Kyllburger Land. Geschichte - Landschaft - Kunstdenkmale, Kyllburg 1977, S. 116
Das Kyllburger Mahnmal wurde in würdiger Feierstunde enthüllt, in: "Trierer Volksfreund" vom 30.11.1988
Robert Reichard/Thomas Heidenblut, Synagogen im Landkreis Trier-Saarburg, o.O. 2000
Stadt Kyllburg (Hrg.), 1200 Jahre Kyllburg. 800 - 2000, Kyllburg 2000, S. 174 - 176
Jüdische Bevölkerung in Personenstandsregistern des Amtes Kyllburg, (Stadt Kyllburg, 2004)
Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 224
Kyllburg mit Malberg und Oberkail sowie Mürlenbach und Speicher, in: alemannia-judaica.de
Auflistung der in Kyllburg verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Kyllburg
Toni Nemes (Red.), Verzogen nach „unbekannt“ - Als die Juden aus der Region um Kyllburg vertrieben wurden, in: "Trierer Volksfreund" vom 25.7.2017 (Anm. mit näheren Angaben zur Familie Nußbaum)
Christina Bents (Red.), Eine sanfte Form der Erinnerung: Stolpersteine in Kyllburg und Malberg, in: "Trierer Volksfreund" vom 6.11.2017
Christian Altmayer (Red.), Die kurze Geschichte eines jüdischen Gotteshauses, in: "Trierer Volksfreund" vom 24.5.2020
Toni Nemes (Red.), Verlorengeglaubte Akten und Baupläne wiederentdeckt: So sah die Kyllburger Synagoge aus, in: „volksfreund.de vom 8.11.2023