Laa a.d. Thaya (Niederösterreich)

Datei:Karte A Noe MI 2017.svg Laa a.d.Thaya, direkt an der Grenze zu Tschechien gelegen, ist heute eine Kleinstadt im Bezirk Mistelbach mit derzeit ca. 6.200 Einwohnern (Kartenskizze 'Niederösterreich' mit Bez. Mistelbach dunkel eingefärbt, A. 2016, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Vermutlich hielten sich gegen Ende des 13.Jahrhunderts einzelne Juden in Laa auf; die älteste Nachricht über deren Ansässigkeit ist in einem Stadtprivileg aus dem Jahre 1277 erhalten. Mit den Verfolgungen der Jahre 1294 und 1337 - letztere eine Folge einer angeblichen Hostienschändung - endete für etwa fünf Jahrhunderte die jüdische Geschichte von Laa. Bis Mitte des 19. Jahrhundert liegen zumindest keine Belege über den Aufenthalt von Juden in Laa vor. Um 1865 ist wieder eine jüdische Familie in Laa nachweisbar; um 1900 waren mehr als 30 jüdische Familien hier ansässig. Die hiesige israelitische Gemeinschaft schloss sich der 1890 konstituierten jüdischen Kultusgemeinde Mistelbach an. Ihren Lebenserwerb verdienten sie zumeist als Kaufleute: sie waren Kleinhändler für Textilien und landwirtschaftlicher Erzeugnisse, daneben gab es einige Vieh- und Pferdehändler und Besitzer kleiner Fabriken.

Zu Gottesdiensten traf sich die Laaer Judenschaft in einem angemieteten Raume im Obergeschoss einer Gastwirtschaft am Burgplatz/Ecke Kirchenplatz.

                      Gebäude am Burgplatz 1 (hist. Aufn., von privat)

Ihre Verstorbenen begrub die jüdische Gemeinschaft auf dem etwa 25 Kilometer entfernt gelegenen Friedhof in Mistelbach.

Juden in Laa:

         --- um 1860 ................... eine jüdische Familie,

    --- um 1900 ............... ca.   30     “       “  n,

    --- 1938 (Jan.) ........... ca.   25     “       “   ,

             (Okt.) ...............   keine.

Angaben aus: Magdalena Müllner, Die Juden in Laa an der Thaya, eine Spurensuche

Ansichten vom Hauptplatz in Laa a.d.Thaya (hist. Abb., aus: 41-42erstammtischlaa.at)

Zu Beginn des Jahres 1938 lebten in Laa etwa 25 jüdische Familien, denen kurz nach dem sog. „Anschluss“ ihre berufliche Existenz genommen wurde. Soziale Isolation und Demütigungen durch die Nationalsozialisten bestimmten nun ihr Leben.

Aus einer Meldung der „Laaer Nachrichten“ vom 26.8. 1938: „Laa. (Arisierungen.) Donnerstag wurde das Haus des Juden Bloch an Herrn Welzmüller und das Haus der Juden Heinrich Blau an die Molkereigenossenschaft verkauft. Das Haus des Juden Blau in der Erich Wohlrab-Straße erwarb Frl. Theresia Lester und das des Juden Österreicher Herr Karl Breiner, Friseur.“

Wie anderswo wurden auch die Bewohner von Laa durch die Lokalzeitung informiert, auf welche Weise sich der Schrift- und Geschäftsverkehr mit Juden abzuwickeln habe; so hieß es in den „Laaer Nachrichten“ vom 13. Mai: „Der Verkehr mit Juden. Es ist vielfach in bäuerlichen Kreisen noch unklar, wie sie sich gegenüber den jüdischen Beziehungen aller Art zu verhalten haben. Dazu ist folgendes zu sagen: Im Schriftverkehr mit Juden, der sich aus irgendwelchen Gründen vielleicht noch als notwendig erweist, ist blos die Anschrift zu setzen, aber keine Höflichkeitsanrede, wie z. B.: Sehr geehrter Herr Kollege, oder gar: Sehr geehrter Geschäftsfreund. Sofort nach der Adresse und dem Namen hat daher der sachliche Briefteil zu beginnen. Am Schluß des Briefes entfällt jede Höflichkeitsform, wie z.B. „hochachtungsvoll“ oder „mit deutschem Gruß“ usw. Nach Beendigung der sachlichen Briefteils als solchen ist blos die Unterschrift oder firmenmäßige Zeichnung ohne „hochachtungsvoll“ u. dgl. zu setzen. – Allerdings soll man auch nicht schreiben: „Sehr geehrter Herr Saujud!“, wie es kürzlich jemand machte. Was den Geschäftsverkehr mit Juden betrifft, so gilt folgendes: Parteigenossen ist es grundsätzlich verboten, mit Juden einen Geschäftsverkehr irgendwelcher Art zu pflegen, das heißt, der jüdische Lieferant ist mit allen zu Gebote stehenden Mitteln auszuschließen.“ (Text aus: Magdalene Nagel (Red.), Die Juden in Laa an der Thaya: eine Spurensuche, in: haGalil.com vom 6.2.2017

Auch in Laa zwang man Juden zu sog. „Reibpartien“, bei denen sie mit bloßen Händen oder Zahnbürsten Straßen und Wände reinigen mussten. Im Laufe des Sommers 1938 mussten die allermeisten die Kleinstadt verlassen; sie gingen entweder nach Wien oder in die nahe Tschechoslowakei. Am 23.September 1938 verkündeten die „Laaer Nachrichten”: "Laa. Judenrein ! Dieser Tage sind die letzten Reste der Juden von Laa weggewandert und befindet sich nun in Laa kein Jude mehr. Laa ist somit hundertprozentig judenrein !"

Anm.: In den Jahren 1943/44 sollen mehr als 100 polnische und ukrainische Juden nach Laa verschleppt worden sein; untergebracht in einem Trakt des Pfarrhofes, wurden sie hier zu Zwangsarbeit eingesetzt.

 

Nach Kriegsende kehrte nur eine einzige jüdische Familie wieder nach Laa zurück, die bis in die 1960er Jahre vom Pferdehandel lebte. Nach Aufgabe ihres Geschäftes verzog die Familie nach Wien.

Vor dem Gebäude des ehemaligen jüdischen Betsaales am Burgplatz wurde 2005 ein Denkmal zur Erinnerung an die vertriebenen und ermordeten jüdischen Bürger Laas eingeweiht. Die Inschrift des Mahnmals lautet:

Zum Andenken an die jüdischen Bürger der Stadt Laa an der Thaya,

die 1938 völlig schuldlos vertrieben und größtenteils ermordet wurden.

Das Obergeschoß des Hauses Burgplatz 1 war der Ort ihrer Gebete.

...

Gesegnet sei ihr Andenken.

Schöpfer dieses Denkmals ist der in New York lebende Architekt Uri Yokel, dessen Eltern aus Laa stammten; das Mahnmal wurde durch private Spenden finanziert.

 

Mahnmal (Aufn. aus: bruckissammelsurium.blogspot.com, 2005 und aus: austria-forum.org)

 

 

Weitere Informationen:

Rudolf Fürnkranz, Landesfürstliche Stadt Laa a.d. Thaya. Ein kulturhistorischer Stadtführer, Laa/Thaya o. J.

Germania Judaica, Band II/1, Tübingen 1968, S. 461

Ulrike Gollonitsch, “Als wär’ nichts geschehen” - Die jüdische Gemeinde in Hollabrunn, Hrg. Verein Kultur im Alltag, Wien 1990, S. 31/32

Magdalena Müllner, Lügen in Laa, in: "Das Jüdische Echo: Zeitschrift für Kultur & Politik", Okt. 1992

Magdalena Müllner, Die Juden in Laa an der Thaya, eine Spurensuche, in: "DAVID - Jüdische Kulturzeitschrift", No. 7/1995

Rudolf Fürnkranz/Gerhard Wabra, Laa an der Thaya. Von der Jahrhundert- zur Jahrtausendwende. Dokumentation einer Veränderung, Laa an der Thaya, 2000

Franz Müllner (Red.), Gedenkstein für die aus Laa/Thaya vertriebenen Juden, in: Austria-Forum, 2005

Christoph Lind (Bearb.), Die Zerstörung der jüdischen Gemeinden Niederösterreichs 1938 – 1945, in: H. Arnberger/C. Kuretsidis-Haider (Hrg.), Gedenken und Mahnen in Niederösterreich. Erinnerungszeichen zu Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung, Mandelbaum-Verlag, Wien 2011, S. 46 ff.

Magdalena Nagel, Die Synagoge von Laa an der Thaya (unter www.lead-niskor.org)

41-42er Stammtisch Laa an der Thaya (Hrg.), Historische Ansichten von Laa, online abrufbar unter: 41-42erstammtischlaa.at

Magdalene Nagel (Verf.), Jüdisches Laa an der Thaya – Erinnerungen an die jüdischen Laaer – eine Welt, die nicht mehr ist, online abrufbar unter: juedisches-laa.at

Magdalene Nagel (Red.), Die Juden in Laa an der Thaya: eine Spurensuche, in: haGalil.com vom 6.2.2017