Laufenselden (Hessen)

Datei:Heidenrod in RÜD.svg Laufenselden am Rande des Taunus mit derzeit ca. 2.000 Einwohnern ist seit 1972 größter Ortsteil von Heidenrod (Rheingau-Taunus-Kreis) - knapp 30 Kilometer nordwestlich der Landeshauptstadt Wiesbaden bzw. unweit von Nastätten gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Laufenselden bzw. Heidenrod, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Rheingau-Taunus-Kreis', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Juden siedelten sich im Dorfe Laufenselden erstmals nachweislich zu Beginn des 18.Jahrhunderts an; doch vermutlich lebte hier eine jüdische Familie bereits nach Ende des Dreißigjährigen Krieges.

Gottesdienstliche Zusammenkünfte fanden zunächst in einem Privathause statt. Mit der Genehmigung des Herzogs Adolph von Nassau und unter Gewährung eines Kredits der herzoglichen Landesbank konnte ein Synagogengebäude in der Kastellstraße errichtet werden, das Ende August 1861 eingeweiht wurde. Der Synagogenraum verfügte über ca. 100 Plätze.

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Synagogenruine (Aufn. um 1950, aus: P. Arnsberg)   -   Rekonstruktionsskizze (aus: alemannia-judaica.de)

Seitens der Gemeinde war ein Lehrer angestellt, der die Kinder an der hiesigen Religionsschule unterrichtete und zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war.

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drei Stellenangebote aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 1.Sept. 1898, vom 6.Dez. 1900 und vom 27.Okt. 1902

Östlich der Ortschaft befand sich das flächenmäßig relativ große Friedhofsgelände, auf dem auch die verstorbenen Juden aus Holzhausen a.d.Haide und Kemel ihre letzte Ruhe fanden; der Friedhof war im 18.Jahrhundert angelegt worden. Nahe Laufenselden lag auch der "Judenfriedhof" von Esch.

Die Gemeinde Laufenselden - ihr gehörten auch die wenigen jüdischen Familien aus Grebenroth und Reckenrod an - unterstand bis ca. 1830/1840 dem Bezirksrabbinat Langenschwalbach, danach dem von Wiesbaden.

Juden in Laufenselden:

         --- um 1720 ......................  6 jüdische Familien,

    --- 1843 ......................... 78 Juden,

    --- 1873 ......................... 87   “ (ca. 7% d. Bevölk.),

    --- 1885 ......................... 75   “  ,

    --- 1895 ......................... 90   “ (ca. 8% d. Bevölk.),

    --- 1905 ..................... ca. 50   “  ,

    --- 1925 ......................... 53   “  ,

    --- 1933 ......................... 32   “ (in 12 Familien),

    --- 1939 ......................... keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 480

 

Ihren bescheidenen Lebensunterhalt verdienten die Laufenseldener Juden als Viehhändler, Metzger und Kleinhändler; daneben gab es auch einige Handwerker.

Bis in die Novembertage des Jahres 1938 hatten bereits die allermeisten jüdischen Bewohner ihr Dorf verlassen, sodass sich die Gemeinde gänzlich auflöste; der letzte Gemeindevorsteher, Alfred Löwenstein, emigrierte nach Brasilien. Marodierende SA-Angehörige waren dafür verantwortlich, dass Wohnungen und Geschäfte jüdischer Bürger angegriffen und teilzerstört wurden. Das Synagogengebäude fiel am 12.November 1938 einem Brandanschlag zum Opfer; hierbei wurden das gesamte Mobiliar und alle Ritualgegenstände vernichtet.

1940 wurde das Synagogengrundstück offiziell für einen Preis von 200,- RM verkauft. Die Bauruine wurde in den 1950er Jahren abgerissen (andere Angabe: zu einem Wohnhaus umgebaut).

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ sind nachweislich 31 aus Laufenselden stammende Juden Opfer der Shoa geworden; aus Grebenroth und Reckenroth waren es sieben Personen (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe:alemannia-judaica.de/laufenselden_synagoge.htm).

 

Nach den Zerstörungen der NS-Zeit sind nur noch wenige Grabsteine des inzwischen von der Vegetation überwachsenen jüdischen Friedhofs erhalten geblieben; der älteste erhaltene Stein auf dem mehr als 7.000 m² großen Gelände stammt aus dem Jahre 1816.

 JüdischerFriedhofLaufenselden3.JPG

Jüdischer Friedhof in Laufenselden (beide Aufn. Haffitt, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Gegenüber dem kommunalen Friedhof an der Berndrother Straße findet man einen Gedenkstein mit einer dort angebrachten Inschriftentafel, die folgende Worte trägt: "Zum Gedenken an die Jüdischen Mitbürger, die von 1664 - 1938 die Geschichte unseres Dorfes mitgeprägt haben. 9. November 1988. Die Bürger der Gemeinde". 

 

 

 

Weitere Informationen: 

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 480/481

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente, Eduard Roether Verlag, Darmstadt 1973, S. 132

Eva Göbel/Ruth Hengstenberg, Die Synagoge in Laufenselden, hrg. von der Forschungsgemeinschaft Jüdische Geschichte im Heimatverein Heidenrod, Heidenrod 2008

Thorsten Stötzer (Red.), Synagoge ging in Flammen auf – Broschüre über die Geschichte des jüdischen Sakralbaus in Laufenselden, in: „Wiesbadener Tageblatt“ vom 30.9.2008

Laufenselden mit Grebenroth und Reckenroth, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Jüdische Geschichte (Laufenselden), hrg. vom Heimatverein Heidenroth e.V., online abrufbar unter: heimatverein-heidenrod.de/juedische-geschichte/