Lenhausen/Sauerland (Nordrhein-Westfalen)

Datei:Finnentrop in OE.svg Lenhausen - derzeit ca. 1.100 Einwohner - ist heute ein Ortsteil von Finnentrop im Landkreis Olpe im Sauerland (Kartenskizze 'Landkreis Olpe', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Urkundlich nachweisbar ist die Ansiedlungen von wenigen jüdischen Familien in Lenhausen seit der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts; die Grafen von Plettenberg-Lenhausen hatten ihnen „gerichtsherrschaftliches Geleit“ erteilt; die Behausungen der Juden standen zunächst auf gräflichem Grund und Boden. Die in ärmlichen Verhältnissen lebenden Familien verdienten ihren bescheidenen Lebensunterhalt als ambulante Kleinhändler (Hausierer) und Metzger.

Ein einfaches, im Fachwerkstil errichtetes Synagogengebäude wurde bereits um 1740 eingeweiht; es befand sich auf dem Gelände des 1732 abgebrannten unteren Schlosses in der heutigen Schlossstraße. Um 1800 sind pogromartige Angriffe auf das kleine Gotteshaus in Lenhausen belegt, die von der katholischen Geistlichkeit vor Ort gesteuert wurden: ... Noch übler ging es in den dickkatholischen Ortschaften des Kölnischen Sauerlandes her, wie mir mein verewigter Freund ... erzählt hat. In seinem Geburtsorte ... war ein strenggläubiger Pfarrer geistlicher Hirt, der so lange er dort seine Herde hütete, die ganze Judengemeinde jeden Ostern nötigte, den Ort auf mehrere Tage, eigentlich die Passionszeit hindurch, zu verlassen und zu einer benachbarten Gemeinde auszuwandern. Denn nach der Passionspredigt am Stillen Freitag stieg der ehrwürdige Priester von der Kanzel, ... Dann ging’s zur Kirchentüre hinaus, durch das ganze Dorf bis zur Synagoge. Hier ging das Werk der Zerstörung los. Die fest verschlossene Türe wird erbrochen, hinein stürmt der Fanatiker mit seiner Gemeinde und zerbricht alles, reißt die etwa vorhandenen Gebet- und anderen Bücher in Fetzen, zieht endlich nach vollbrachtem Werke wieder ab und nagelt vor die Türe eine Speckseite, welche die unglücklichen Märtyrer dann für Geld abnehmen lassen müssen, ... Die Ostertagsszene erneuerte sich dazumal jahrjährlich in jedem echtkatholischen Lande. (aus: Kindheitserinnerungen von Salomon Ludwig Steinheim, in: H.-J.Schoeps/H.M.Graupe/G.Goeman, Salomon Steinheim zum Gedenken, Leiden 1966, S. 187 f.)

Ein eigenes Schulgebäude gab es vermutlich nicht; die Unterrichtung der jüdischen Kinder fand entweder in der Synagoge oder in Privathäusern statt.

Die jüdische Gemeinde verfügte vermutlich seit 1865 (andere Angabe: seit ca. 1845) über ein Begräbnisgelände auf dem Lehmberg. Da die Gemeinde aber bereits seit der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts existierte, muss es aller Wahrscheinlichkeit nach einen älteren, heute aber nicht mehr auffindbaren Friedhof gegeben haben.

Der Synagogengemeinde Lenhausen gehörten seit 1855 alle Juden im Kreis Olpe und in den Bürgermeistereien von Eslohe, Fredeburg, Serkenrode und Schmallenberg an.

Juden in Lenhausen:

         --- 1776 ...........................   5 jüdische Familien,

    --- 1801/02 ........................   7   “         “    ,

    --- 1819 ...........................  58 Juden,

--- 1839 ...........................  56   “  ,

    --- 1849 ...........................  37   “  ,

    --- 1861 ...........................  35   “  ,

    --- 1871 ...........................  21   "  ,

    --- 1885 ...........................  15   “  ,

    --- um 1920 ........................   7   “  (eine Familie),

    --- 1931 ...........................  10   "  .

Angaben aus: Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen - Reg.bez. Arnsberg, S. 463

und                 W.-D. Grün, Lenhausen (Manuskript zum Historischen Handbuch der jüdischen Gemeinden in Westfalen u. Lippe)

 

Seit Mitte des 19.Jahrhunderts nahm die eh schon geringe jüdische Bevölkerungszahl infolge Abwanderung in größere Orte weiter ab. Da das Synagogengebäude um 1900 schon nicht mehr genutzt wurde und zusehends verfiel, wurde es um 1910/1915 abgerissen; die noch in Lenhausen lebenden jüdischen Bewohner suchten danach das Bethaus im nahen Attendorn auf.

In den 1930er Jahren lebte in Lenhausen nur noch eine jüdische Familie, nämlich die des Metzgers Max Jacob. 1938 musste man die Fleischerei aufgeben; seit 1939 leisteten Vater und Sohn Zwangsarbeit im Bauwesen. Der zweite Sohn des Metzgers, der 1937 wegen angeblicher „Rassenschande“ inhaftiert und ins KZ Buchenwald verbracht wurde, wurde 1939 „auf der Flucht erschossen“. Die Familie Jacob wurde 1942 „in den Osten“ deportiert.

 

Auf dem Gelände des ehemaligen jüdischen Friedhof in Lenhausen - auf diesem sind keine Grabsteine mehr vorhanden - erinnert ein 1971 aufgestellter Gedenkstein an dessen einstige Bestimmung:

“ ... die Stätte, darauf du stehst, ist heiliger Boden.”

(2. Mose 3,5)

Zum Angedenken der hier ruhenden Bürger unserer Gemeinde und zum Andenken derer,

die zur Zeit der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten 1933 - 1945 eines gewaltsamen Todes umgekommen sind.

Die Gemeinde Finnentrop

 

Seit 2014 findet man auch in Lenhausen sog. „Stolpersteine“; mit den in der Alten Schlossstraße verlegten sieben Steinen soll die Erinnerung an die jüdische Familie Jacob wachgehalten werden, die hier ihren letzten Wohnsitz hatte. Vier Familienmitglieder wurden in der NS-Zeit ermordet, zwei konnten sich in Sicherheit bringen; der jüngste Sohn Werner J. überlebte acht (!) verschiedene Konzentrationslager.


       

   Als Sohn eines jüdischen Kaufmanns wurde Alexander Haindorf (vorher: Hirsch Alexander) 1784 in Lenhausen geboren. Nach einem erfolgreichen Medizinstudium habilitierte er sich in Heidelberg, doch wurde ihm dort - wie auch später in Preußen - wegen seines jüdischen Bekenntnisses eine Professur verweigert. Finanziell unterstützt von seinem Schwiegervater, dem Kaufmann Elias Marks, gründete er den „Verein zur Beförderung von Handwerkern unter den Juden und zur Errichtung einer Schulanstalt“, der armen und verwaisten Kindern Unterricht angedeihen ließ und künftige jüdische Schullehrer ausbildete. Unter seinem Nachfolger und Schwiegersohn Jakob Loeb wurde die Einrichtung in eine Stiftung, die Marks-Haindorf-Stiftung, umgewandelt.

 

 

Olpe – Wikipedia  In der Kreisstadt Olpe (Kartenskizze TUBS, 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0) waren seit der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts Juden ansässig; allerdings waren es nur sehr wenige Familien. Seit 1855 gehörten sie als Untergemeinde zum Synagogenbezirk Lenhausen. An hohen Feiertagen suchten die Olper Juden die Synagoge in Attendorn auf. Ihre Verstorbenen begruben die jüdischen Familien Olpes auf dem jüdischen Friedhof in Neuenkleusheim, z.T. auch in Attendorn.

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten drei jüdische Familien in Olpe.

 

 

In Neuenkleusheim - heute ein Ortsteil von Olpe - ließ sich 1782 der erste Jude nieder; damit legte er die Wurzeln einer kleinen jüdischen Gemeinschaft, die stets nur aus sehr wenigen Familien bestand. Diese ernährten sich mit Klein- und Hausierhandel und im Metzgergewerbe.

Im Jahre 1843 wurde die Gemeinde Neuenkleusheim als „Synagogenbezirk“ mit „acht Familien und 40 Seelen“ eingerichtet, die Lenhausen zugeordnet waren, aber wegen der relativ großen Entfernung nicht am dortigen Gemeindeleben teilnahmen. Im Dachgeschoss eines Privathauses (von Moses Abraham in der Hauptstr.) war ein Betraum untergebracht, der bis zur Auflösung der kleinen Gemeinde als Synagoge diente. An hohen Feiertagen suchten die hiesigen Juden Synagoge in Lenhausen auf. Die wenigen jüdischen Kinder besuchten die Ortsschule; religiöse Unterweisung nahmen die Eltern bzw. zeitweise auch Privatlehrer vor.

Gegen Ende des 19.Jahrhunderts lebten keine Juden mehr in Neuenkleusheim.

Einziger Hinweis darauf, dass jüdische Familien einst hier gelebt haben, ist ein kleiner Friedhof "Am Eichhagen" am Nordhang des Ratzelberges, dessen Anlage um 1790/1800 erfolgt sein muss. Nach Auflösung der Neuenkleusheimer Synagogengemeinde wurde der Friedhof von Olper Juden übernommen und weiter genutzt. Grabsteine sind heute hier nicht mehr vorhanden.

 

 

Infolge der NS-Gewaltherrschaft ist jüdisches Leben in Lennestadt ganz erloschen; in den Jahrzehnten zuvor haben aber auch stets nur vereinzelte Familie mosaischen Glaubens auf dem heutigen Gebiet der Kommune Lennestadt gelebt.

1994 wurde der ehemalige jüdische Friedhof im Ortsteil Langenei auf Initiative der Dorfgemeinschaft saniert.

Jüdisches Gräberfeld in Langenei (Aufn. Hans Wiechers)

Ein Gedenkstein - umgeben von namenlosen Grabstellen - trägt die Inschrift „Hier ruhen in geweihter Erde unsere jüdischen Mitbürger“.

Im Rahmen der sog. Aktion "Stolpersteine" wird seit dem Jahre 2008 an 13 jüdische NS-Opfer erinnert.

Stolperstein Aaron Neuhaus Lennestadt-Altenhundem.jpgStolperstein Johanna Neuhaus Lennestadt-Altenhundem.jpgStolperstein Dora Neuhaus Lennestadt-Altenhundem.jpgStolperstein Else Neuhaus Lennestadt-Altenhundem.jpg Stolperstein Emilie Neheimer Lennestadt-Elspe.jpgStolperstein Emma Neheimer Lennestadt-Elspe.jpg

verlegt in der Hundemstraße und Bielefelder Straße (alle Aufn. H. Wiechers, 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

H.-J.Schoeps/H.M.Graupe/G.Goeman, Salomon Steinheim zum Gedenken, Leiden 1966, S. 179 - 222

Alfons Greitemann, Lenhausen, mein Heimatdorf in Vergangenheit und Gegenwart, hrg. von der St.-Anna-Schützenbruderschaft 1818 e.V., Lenhausen 1968, S. 63 ff.

Norbert Scheele, Geschichte der Juden im kreis Olpe, in: "Heimatstimmen aus dem Kreis Olpe", Heft 93/1973, S. 168 - 179

Alfred Bruns, Die Juden im Altkreis Meschede 1814 - 1874, Brilon 1987

Dieter Tröps, Das Schicksal der Juden im Kreis Olpe, in: "Heimatstimmen aus dem Kreis Olpe", Heft 153/1988, S. 227 – 270

Andreas Determann, Geschichte der Juden in Münster, Münster 1989, S. 24 – 52

Gretel Kemper, Spurensuche in der Stadt Olpe, in: Stadtarchiv (Hrg.), Jüdisches Leben im Kreis Olpe, Band 2, Olpe 1994

Claus Heinemann (Bearb.), Die Geschichte der Juden in Neuenkleusheim: Wie Moses ins Sauerland gekommen ist und wie Abraham seinen Messias gefunden hat, in: Schriftenreihe ‚Jüdisches Leben im Kreis Olpe’ , Band 3, Olpe, 1995

Werner Jacob, Ich trage die Nummer 104953. Ein letztes Zeugnis. Werner Jacob, Lenhausen, im Gespräch mit Norbert Otto. Mit einer Einführung zur Geschichte der Juden im Kreis Olpe von Christiane Mirgel u. Dieter Tröps und Bildern von Hermann Falke, hrg. vom Kreisarchiv Olpe, Olpe 1997

Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen - Regierungsbezirk Arnsberg, J.P.Bachem Verlag, Köln 2005, S. 463 - 469

Wolf Dieter Grün (Bearb.), Lenhausen, Manuskript zum Historischen Handbuch der jüdischen Gemeinden in Westfalen und Lippe (2006)

Paul Rötz (Red.), Nichts erinnert in Olpe an einstiges jüdisches Leben, in: „Westfalenpost“ vom 10.11.2008

Georg Glade, Die Juden im ehemaligen Herzogtum Westfalen, in: H. Klueting (Hrg.), Das Herzogtum Westfalen, Bd, 2, Teilbd. 2: Das ehemalige kurkölnische Herzogtum Westfalen im Bereich der heutigen Kreise Hochsauerland, Olpe, Soest und Märkischer Kreis (19.u. 20. Jahrhundert), Münster 2012, S. 1045 und 1057 f.

Stephan Kaiser (Red.), Das Schicksal der Juden im Kreis Olpe, online abrufbar unter: altolpe.de (2013)

Michael Sauer (Red.), Gedenken an die jüdische Familie Jacob. Sieben Stolpersteine in Lenhausen, in: „Sauerland-Kurier“ vom 6.2.2014

Auflistung der in Finnentrop verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Finnentrop

Wolf-Dieter Grün (Bearb.), Finnentrop-Lenhausen, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe – Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Arnsberg, Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, Ardey-Verlag Münster 2016, S. 330 – 336

Ursula Olschewski (Bearb.), Olpe, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe – Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Arnsberg, Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, Ardey-Verlag Münster 2016, S. 649 – 652

Claus Heinemann (Bearb.), Olpe-Neuenkleusheim, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe – Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Arnsberg, Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, Ardey-Verlag Münster 2016, S. 653 – 656