Lenkersheim (Mittelfranken/Bayern)

Datei:Bad Windsheim in NEA.svg Das Pfarrdorf und ehemaliger Markt Lenkersheim mit derzeit ca. 400 Bewohnern ist heute ein Ortsteil von Bad Windsheim - ca. 15 Kilometer südwestlich der Kreisstadt Neustadt a.d. Aisch gelegen (Kartenskizze 'Kreis Neustadt/Aisch', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Nahe von Bad Windsheim existierten in den kleinen Dörfern Lenkersheim, Ickelheim und Kaubenheim im 19.Jahrhundert relativ große jüdische Gemeinschaften, deren Mitgliederzahlen aber nach 1850 stark rückläufig waren und die gegen Ende des 19.Jahrhunderts dann keine selbstständigen Gemeinden mehr darstellten.

 

In (Markt) Lenkersheim gab es im ausgehenden 18. und beginnenden 19.Jahrhundert eine zeitweise zahlenmäßig relativ große jüdische Kultusgemeinde. Erstmals wurden hier einzelne jüdische Familien um 1690 aufgenommen.*

*Anm.: Doch schon um 1500 sollen einige Juden kurzzeitig im Dorf gelebt haben; dabei soll es sich um aus Nürnberg vertriebene Familien gehandelt haben.

In der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts sollen bis zu zehn Familien gelebt haben, die zu regelmäßigen Schutzgeldzahlungen verpflichtet waren.

Um 1815 soll es hier 18 jüdische Haushalte gegeben haben, die unter einigermaßen befriedigenden wirtschaftlichen Bedingungen lebten; sie bestritten ihren Lebensunterhalt vom Handel mit Vieh, Hopfen und Spezereiwaren. Um 1860 sah die Berufsstruktur wie folgt aus: sechs Hausier- und Kleinwarenhändler, ein Seifensieder, ein Kleiderhändler und ein Spezereihändler/Krämer.

Bis zu Beginn des 19.Jahrhunderts besaß die Gemeinde einen eigenen Rabbiner; in den Folgejahrzehnten war für die religiös-rituelle „Versorgung“ der Gemeindeangehörigen an Lehrer nebst einem Schächter angestellt.

Als gottesdienstlicher Versammlungsort diente ein aus den 1730er Jahren stammendes Gebäude in der Burggasse; vermutlich war bereits vorher ein Betraum in einem Privathaus vorhanden. Aus dem Jahre 1813 wird von der Renovierung der Synagoge und des Schulgebäudes berichtet; damit verschuldete sich die Gemeinde.

Gebäude mit Betraum im hinteren Teil (Aufn. aus: Stimpfig, Chronik Lenkersheim)

Verstorbene Gemeindeangehörige wurden auf dem israelitischen Friedhof in Obernzenn beerdigt, der als Begräbnisstätte auch anderer umliegender Orte diente.

Von 1838 bis 1880 zählte die Gemeinde Lenkersheim zum Rabbinatsbezirk Welbhausen.

Juden in Lenkersheim:

--- 1709 ........................  6 jüdische Haushaltungen,

--- 1712 ........................  9     “          “      ,

--- 1736 ........................  5     “          “      ,

--- 1771 ........................ 13 jüdische Familien,

--- 1805 ........................ 73 Juden,

--- 1813 ........................ 18 jüdische Familien,

--- 1821 ........................ 87 Juden (ca. 20% d. Bevölk.),

--- 1838 ........................ 79   “   (in 19 Familien),

--- 1856 ........................ 45   "  ,

--- 1867 ........................ 45   “  ,

--- 1880 ........................ 23   “  ,

--- 1890 ........................ 10   “  ,

--- 1900 ........................  4   “  .

Angaben aus: Lenkersheim, in: alemannia-judaica.de

 

In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts verließen immer mehr Familien den Ort, so dass eine Auflösung der Gemeinde drohte. Der zuständige Distriktrabbiner sprach sich aber noch Ende der 1870er Jahre dagegen aus, da zu diesem Zeitpunkt noch mehr als zehn religionsmündige Männer der Gemeinde angehörten. Doch als um 1900 (oder wenige Jahre später) dann keine jüdischen Familien hier mehr ansässig waren, gab es keine israelitische Gemeinde Lenkersheim mehr. Offiziell war die Auflösung der Kultusgemeinde bereits 1887 erfolgt.

        Abschiedsanzeige der Fam. Waldmann (1887)  http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2078/Lenkersheim%20Amtsbl%2013081887.jpg

                            http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20139/Lenkersheim%20Ort%20111.jpgFort!  judenreiner Ort“ - Anschlag in Lenkersheim (Aufn. 1934)

 

 

Weitere Informationen:

Adolf Eckstein, Geschichte der Juden im Markgrafentum Bayreuth, Bayreuth 1907

Baruch Z.Ophir/F.Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München 1979, S. 242/243

Horst Steinmetz/Helmut Hofmann, Die Juden in Windsheim nach 1871, 2. erw. Aufl., Selbstverlag, Bad Windsheim 1994 (Anm. detaillierte Darstellung)

Michael Trüger, Der jüdische Friedhof in Obernzenn-Egenhausen, in: "Der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern", 10.Jg., No. 65/1995, S. 18 f.

Karl Ernst Stimpfig, Chronik Lenkersheim. Dokumentation - Schicksal einer ehemaligen fränkischen Reichsstadt - 1200 – 2000, Selbstverlag, Herzogenaurach 1999

Karl Ernst Stimpfig, Juden in West-Mittelfranken - Eine Dokumentation, Lauf 2003

B. Eberhardt/C. Berger-Dittscheid (Bearb.), Bad Windsheim, in: "Mehr als Steine ... " -Synagogengedenkband Bayern, Band 2, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2010, S. 69 ff.

Lenkersheim, in: alemannia-judaica.de