Lohrhaupten/Spessart (Hessen)

https://de-academic.com/pictures/dewiki/75/Kreis_Salm%C3%BCnster.jpg Datei:Flörsbachtal in MKK.svg Lohrhaupten mit derzeit ca. 1.000 Einwohnern ist seit 1974 einer von vier Ortsteilen der Kommune Flörsbachtal im Südosten des hessischen Mainz-Kinzig-Kreises - unweit der Landesgrenze zum Freistaat Bayern (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: de-academic.com  und  Kartenskizze 'Main-Kinzig-Kreis' mit Flörsbachtal rot markiert, Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Um die Wende zum 18.Jahrhundert war der erste Zuzug von Juden nach Lohrhaupten zu verzeichnen; sie standen unter dem Schutz der Herrschaft der Grafen von Hanau. Gegen die Zahlung von einem Gulden und 15 Albus erhielten sie das Ortsbürgerrecht; zusätzlich war noch ein jährlich zu leistendes „Weydt-, Holz- und Wachtgeld“ an die Obrigkeit zu entrichten. Alsbald bildete sich eine kleine Gemeinde. Dass in Lohrhaupten relativ viele Juden lebten, ist darin begründet, dass die Birkenhainer Straße einer der Haupthandelswege und für Viehtriebe wegen ihres durchgehend rechtsmainisch durchgehenden Verlaufs günstig war. Im 18./19.Jahrhundert lag der regionale Viehhandel vor allem in den Händen der in Lohrhaupten heimischen Juden.

Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörten eine 1748 erstmals erwähnte Mikwe und ein Betraum, der 1885/1886 durch einen Synagogenneubau im Hinterhof eines Gehöfts in der Hauptstraße ersetzt wurde; neben dem eigentlichen Versammlungsraum beherbergte das Gebäude auch einen Wohntrakt mit Schulraum.

     Synagoge in Lohrhaupten (Federzeichnung, aus: P. Arnsberg)  

Religiös-rituelle Aufgaben besorgte ein seitens der Gemeinde angestellter Lehrer; die Besetzung der Stelle war einem häufigen Wechsel unterworfen.

  

Anzeigen in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 8.Nov. 1876 und 8.Okt. 1897

Zeitweilig bestand hier eine jüdische Elementarschule; ab ca. 1885 wurde diese dann nur noch als Religionsschule geführt.

Gottesdienste wurden später gemeinsam mit Burgsinner und Mittelsinner Juden begangen, da ansonsten kein Minjan mehr zustande kam.

Verstorbene Juden aus Lohrhaupten wurden auf dem jüdischen Friedhof in Altengronau beigesetzt; bei Beerdigungen folgte die Trauergemeinde dem Sarg bis zum Ortsausgang; von hier aus wurde dieser per Pferdegespann nach Altengronau überführt.

Teilansicht des jüdischen Friedhofs Altengronau (Aufn. E., 2011, aus: commons.wikimedia.org, CCO)

Die kleine jüdische Gemeinde in Lohrhaupten unterstand dem Provinzialrabbinat Hanau.

Juden in Lohrhaupten:

         --- 1693 .........................  4 jüdische Familien,

    --- um 1720 .....................   5     "        "   ,

    --- um 1755 .....................   5     "        "   ,

    --- 1835 ........................  47 Juden,

    --- 1861 ........................  59   “   (ca. 7% d. Bevölk.),

    --- 1885 ........................  55   “   ,

    --- 1905 ........................  49   “   (ca. 5% d. Bevölk.),

    --- um 1920 ................. ca.  12 jüdische Familien,

    --- 1932 ........................  18 Juden (in 5 Familien),

    --- 1937 ........................   9   “  ,

    --- 1938 ........................   keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen, Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 497

 

             http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20106/Lohrhaupten%20Israelit%2026071882.jpgArtikel aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 26.Juli 1882

Die Juden von Lohrhaupten lebten eher bescheiden vom Vieh- und Kleinhandel; meist betrieben sie zudem auch eine kleine Landwirtschaft.

     Bildergebnis für lohrhaupten gedenktafelDorfladen der Fam. Rosenthal (hist. Aufn., aus: alemannia-judaica.de)

Da die wenigen jüdischen Familien bereits in den Anfangsjahren der NS-Zeit aus Lohrhaupten abwanderten, wurde 1935 das nicht mehr genutzte Synagogengebäude verkauft; in den 1970er Jahren wurde es dann abgerissen.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 18 aus Lohrhaupten stammende bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene Bewohner mosaischen Glaubens Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/lohrhaupten_synagoge.htm).

 

Zur Erinnerung an die Lohrhauptener Synagoge wurde 2016 am hiesigen Gebäude der Sparkasse in der Hauptstraße eine Gedenktafel angebracht. 

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 497

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente, Eduard Roether Verlag, Darmstadt 1973, S. 135

Thea Altaras, Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945?, 1988, S. 156/157

Studienkreis Deutscher Widerstand (Hrg.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945, Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt, 1995, S. 204

Angaben der Gemeindeverwaltung Flörsbachtal

Lohrhaupten, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Holger Sensel (Red.), Reichspogromnacht: Fenster der Synagoge zerstört – Viele jüdische Bewohner ausgewandert – Gemeinschaft mit Mittelsinnern und Burgsinnern, in: „Main-Echo“ vom 7.11.2009

bis (Red.), "Als man im Spessart noch Sabbat feierte", in: "Gelnhäuser Tageblatt“ vom 7.5.2016

Anette Helfmann (Red.), Familie Rosenthal floh rechtzeitig, in: „Main-Echo“ vom 25.5.2016 (betr. Ausstellung: „Jüdisches Leben in Lohrhaupten“)

N.N. (Red.), Flörsbachtal: „Spannende Zeitreise“ (Anbringung der Gedenktafel in Lohrhaupten), in: „Gelnhäuser Tageblatt“ vom 23.5.2016