Lusche (Böhmen)
Der im ostböhmisch-mährischen Grenzgebiet liegende Ort Lusche ist der tschechische Ort Luže mit derzeit ca. 2.600 Einwohnern - etwa 35 Kilometer südlich vom früheren Königgrätz (Hradec Králové) gelegen (Kartenskizze 'Tschechien' mit Luže rot markiert, aus: wikipedia.org, CCO).
Die Anfänge der jüdischen Gemeinde in Lusche lassen sich bis Ende des 16.Jahrhunderts zurückverfolgen. Am südöstlichen Dorfrande entstand ein Viertel, das von jüdischen Familien bewohnt wurde. Nachdem Versuche gescheitert waren, die jüdische Bevölkerung zum Christentum zu bekehren, wurden die jüdischen Familien unter den Schutz der Ortsherrschaft gestellt; eine Folge war weiterer Zuzug. Die jüdischen Familien wohnten in Lusche in ca. 25 Häusern, deren Gassen angeblich mit Ketten von den Behausungen der übrigen Bewohner abgeteilt waren.
Ein Synagogenbau wurde urkundlich erstmals 1612 erwähnt. Um 1780 errichtete die jüdische Gemeinschaft inmitten ihres ghettoartigen Wohnbezirks eine neue Synagoge im Barockstil, in der bis Ende der 1930er Jahre Gottesdienste abgehalten wurden.
Ehem. Synagoge in Luže/Lusche (links: Aufn. Petr Venzara, 2007 und rechts: Aufn. Eva Skálová, 2005, wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Ein jüdischer Friedhof war bereits im Laufe des 17.Jahrhunderts etwa einen Kilometer außerhalb des Ortes – in unmittelbarer Nähe der Hinrichtungsstätte - angelegt worden; die ältesten noch vorhandenen Grabsteine stammen aus dieser Zeit. Auch verstorbene Glaubensgenossen aus dem benachbarten Hohenmauth (tsch. Vysoke Myto) wurden ab Mitte des 19.Jahrhunderts hier begraben.
Friedhof in Luže/Lusche (Aufn. 2005, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 2.5)
Seit dem 18.Jahrhundert besaß der Ort auch ein eigenes Rabbinat. Dem Luscher Rabbiner unterstand im 19.Jahrhundert auch das Bezirksrabbinat.
Juden in Lusche:
--- um 1620 ......................... 11 jüdische Familien,
--- um 1705 ......................... 9 jüdische Haushalte,
--- 1724 ............................ 118 Juden (in 24 Familien),
--- 1793 ............................ 254 “ (in 58 Familien),
--- 1837 ........................ ca. 300 “ ,
--- 1856 ............................ 301 “ (ca. 18% d. Bevölk.),
--- 1880 ............................ 142 “ ,
--- 1900 ............................ 85 “ (ca. 5% d. Bevölk.),
--- 1930 ............................ 32 “ ,
--- 1943 (Jan.) ..................... keine.
Angaben aus: Institut Terezínské iniciativy
In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts erreichte die Zahl der jüdischen Bewohner in Lusche ihren höchsten Stand; nahezu jeder fünfte Bewohner der Ortschaft war damals mosaischen Glaubens. Nach 1860/1870 wanderten Juden vermehrt in die größeren Städte ab, wodurch die hiesige Judenschaft deutlich dezimiert wurde; letztendlich löste sich die Gemeinde auf. Die wenigen verbliebenen jüdischen Bewohner Lusches wurden Anfang Dezember 1942 nach Theresienstadt verschleppt, von dort nach Auschwitz-Birkenau deportiert; nur sechs Personen sollen die Shoa überlebt haben.
Das spätbarocke Synagogengebäude, das 1881 und 1935 grundlegend umgebaut wurde, wurde ab den 1940er Jahren als Lagerraum für landwirtschaftliche Zwecke genutzt. In den 1990er Jahren wurde es kostenaufwändig restauriert; dabei entdeckte man eine unberührte Genisa, ca. 600 Fragmente, darunter zahlreiche Handschriften und Textilien. Seit 2002 ist das Synagogengebäude der Öffentlichkeit zugänglich; es soll vor allem kulturellen Zwecken dienen und mit einer dort untergebrachten Dokumentation über jüdisches Leben der Region informieren.
Restaurierter Innenraum (Aufn. Mesta Luže, um 2012)
Die meisten Häuser aus der Zeit des ehem. Ghettos sind bis heute erhalten (z.g.T. umgebaut); auch das Gebäude, in dem sich das rituelle Bad befand, ist noch vorhanden.
Im Dorfe Raubowitz (tsch. Hroubovice, derzeit kaum 400 Einw.) - nur wenige Kilometer südwestlich von Luže bzw. ca. 15 Kilometer südöstlich von Chrudim gelegen - gab es vermutlich seit dem frühen 18.Jahrhundert eine jüdische Gemeinde, die in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts bis zu 250 Angehörige besaß und damit mehr als 40% der ansässigen Bevölkerung ausmachte. Ihre Behausungen und die Synagoge lagen inmitten des Dorfes beiderseits eines Bachlaufs. Der Friedhof befand sich an einem nahen Hügel.
Nach der Auflösung der Raubowitzer Gemeinde (1894) schlossen sich die verbliebenen Mitglieder in den 1890er Jahren der Kultusgemeinde von Hermannstädtel an. Anfang der 1930er Jahre lebten nur noch ca. 30 Juden im Dorfe. Nach der deutschen Okkupation erfolgte die Deportation der verbliebenen jüdischen Bewohner; nur zwei sollen den Holocaust überlebt haben.Ende der 1970er Jahre wurde das Synagogengebäude abgerissen.
Der seit Mitte des 17.Jahrhunderts bestehende jüdische Friedhof weist heute noch ca. 250 Grabsteine auf; die ältesten stammen aus den 1780er Jahren; die letzte Beerdigung erfolgte hier 1937.
Jüdischer Friedhof in Hroubovice (Aufn. Ben Skála, 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
Weitere Informationen:
Václav Svátek (Bearb.), Luže , in: Hugo Gold (Hrg.), Židé a židovské obce v Cechách v minulosti a prítomnosti, Židovské nakladatelství, Brno - Praha 1934, S. 394 – 398
Arno Parik, Budet tu zapsáno pro budoucí ... Zpráva o rekonstrukci vzácné pozdne barokní synagogy v Luži ve východních Cechách
Jewish cemetery in Hroubovice – eine Reihe von Aufnahmen von Ben Skála, unter: commons.wikimedia.org/wiki/Category:Jewish_cemetery_in_Hroubovice
Jewish families from Luže, Bohemia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-Families-from-Lu%25C5%25BEe-Bohemia-Czech-Republic/13211