Klingenmünster (Rheinland-Pfalz)
Klingenmünster ist heute Teil der Verbandsgemeinde Bad Bergzabern mit derzeit ca. 2.300 Einwohnern im Landkreis Südliche Weinstraße (Kartenskizze 'Landkreis Südliche Weinstraße', Lencer 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
In Klingenmünster – fünf Kilometer nördlich des Kernortes Bad Bergzabern - sind erstmals 1550 zwei jüdische Familien nachgewiesen; weitere Hinweise stammen aus der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts. Ihre höchste Zahl erreichte die Judenschaft in Klingenmünster um 1840/1850 mit elf Familien bzw. knapp 60 Personen.
Die wenigen jüdischen Familien aus Klingen und zeitweilig auch die aus Pleisweiler (siehe Text unten) gehörten der Gemeinde an.
Als gemeindliche Einrichtungen waren anfänglich ein Betraum, später dann ein Synagogengebäude in der Bachgasse, eine Religionsschule und ein rituelles Bad (in einem Privathaus) vorhanden.
Genehmigung einer Kollekte zum Bau der Synagoge in Klingenmünster, April 1843
Synagoge (Pfeil) in Klingenmünster (Aufn. E. Löhlein, aus: O. Weber)
Im 19.Jahrhundert besaß die kleine Gemeinde zeitweilig einen Lehrer, der neben der religiösen Unterweisung der Kinder auch als Vorbeter und Schochet tätig war.
Verstorbene Gemeindeangehörige wurden im 17. Jahrhundert auf dem jüdischen Friedhof in Annweiler, später dann auf dem in Ingenheim beerdigt.
Die Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat Landau.
Juden in Klingenmünster:
--- um 1550 ........................ 2 jüdische Familien,
--- 1722 ........................... 3 “ “ ,
--- 1743 ........................... 4 “ “ ,
--- 1808 ........................... 44 Juden,
--- 1823 ........................... 43 “ ,
--- 1847 ........................... 56 “ (in 11 Familien),
--- 1875 ........................... 54 “ ,
--- 1900 ........................... 40 “ ,
--- 1924 ........................... 4 “ ,
--- 1933 ........................... 3 “ ,
--- 1940 (Nov.) .................... keine.
Angaben aus: Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels”. Synagogen. …, S. 213/214
Weinstraße in Klingenmünster (Aufn. um 1920, August-Becker-Museum)
Um 1900 setzte sich die Kultusgemeinde noch aus ca. 40 Angehörigen zusammen. Vermutlich bis Anfang der 1930er Jahre diente die Synagoge in der Bachgasse (später: Steinstraße) – allerdings zuletzt nur an besonderen Feiertagen - als gottesdienstlicher Versammlungsort, obwohl die Gemeinde bereits aufgelöst und die Angehörigen der Kultusgemeinde Ingenheim zugewiesen worden waren. Noch vor 1938 muss das Gebäude verkauft worden sein. Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges wurde das Haus stark beschädigt und schließlich 1946 abgerissen
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden fünf gebürtige jüdische Bewohner aus Klingenmünster Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/klingenmuenster_synagoge.htm).
Zwei sog. „Stolpersteine“ erinnern in der Weinstraße an die Gebrüder Levy, die im Oktober 1940 nach Gurs deportiert worden waren und danach gewaltsam ums Leben kamen.
Michael Hahn (geb. 1830) war der Sohn einer jüdischen Familie in Klingenmünster; er wurde später der erste Gouverneur des US-Bundesstaates Louisiana. Seine verwitwete Mutter wanderte mit ihm und seinen Geschwistern 1839 in die USA aus. In New Orleans absolvierte Michael Hahn ein Jurastudium. Der junge Einwanderer nahm regen Anteil an der Politik; dabei ließ er keinen Zweifel daran, dass er in entschiedener Gegner der Sklaverei war. Er wurde im Februar 1863 in den Kongress gewählt. Trotz seiner für die damalige Zeit geradezu revolutionären Ideen, welche ihm in seinem eigenen Bundesstaat zahlreiche Gegner einbrachten, behielt Michael Hahn das Vertrauen eines großen Teils der Bürgerschaft in seinem Bundesstaat. Hahn, nun Gouverneur von Lousiana, kam 1865 nach New Orleans zurück; als Anhänger der radikalen Republikanern engagierte er sich für eine neue Staatsverfassung, die der schwarzen Bevölkerung das Wahlrecht verleihen sollte. Daraufhin kam es in New Orleans zu einem Polizeiaufstand gegen dieses Vorhaben, bei dem Hahn fast getötet worden wäre.
1886 starb Michael Hahn in Washington. Nach ihm ist heute nahe New Orleans im Staat Louisiana die Stadt "Hahnville" benannt.
In Pleisweiler bestand im 19. Jahrhundert eine kleine jüdische Gemeinde, deren Wurzeln im 18.Jahrhundert liegen. Ihren personellen Zenit mit ca. 60 Angehörigen hatte die Pleisweiler Gemeinde in den ersten Jahrzehnten des 19.Jahrhunderts erreicht. Zu den Gemeindeeinrichtungen gehörten die um 1830 errichtete Synagoge in der Schäfergasse und zeitweilig auch eine Religionsschule. Verstorbene Gemeindeangehörige wurden auf dem Ingenheimer Friedhof beigesetzt.
Juden in Pleisweiler:
--- 1808 .......................... 51 Juden (ca. 9% d. Bevölk.),
--- 1825 .......................... 63 “ ,
--- 1847 .......................... 26 “
--- 1875 .......................... 22 “ ,
--- 1900 .......................... 12 “ ,
--- 1924 .......................... ein “ ().
Angaben aus: Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels”. Synagogen. …, S. 314
Obwohl sich bereits nach 1850 auf Grund von Abwanderung die Auflösung der Gemeinde abgezeichnet hatte, blieb diese offiziell noch bis 1901 bestehen. Die wenigen noch am Ort lebenden jüdischen Personen gehörten danach zur Gemeinde Bad Bergzabern
Eine ehemalige jüdische Bewohnerin von Pleisweiler wurde Opfer der "Endlösung".
Weitere Informationen:
Hermann Arnold, Juden in der Pfalz - Vom Leben pfälzischer Juden, Pfälzische Verlagsanstalt, Landau/Pfalz 1986
Alfred Hans Kuby (Hrg.), Pfälzisches Judentum gestern und heute, Beiträge zur Regionalgeschichte des 19./20.Jahrhunderts, Verlag Pfälzische Post, Neustadt a.d.Weinstraße 1992
Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels”. Synagogen. Rheinland-Pfalz und Saarland, Mainz 2005, S. 213/214 (Klingenmünster) und S. 314 (Pleisweiler)
Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute: unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südwestpfalz, Hrg. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz (Landau), Dahn 2005
Franz Schmitt, Die Schönen auf der Empore. Einblicke in die Lebenswelt jüdischer Frauen in der Südpfalz an der Schwelle zur Moderne, in: "Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz", 107. Band, Speyer 2009, S. 156 (Mikwe Klingenmünster)
Klingenmünster, in: alemannia-judaica.de
Pleisweiler, in: alemannia-judaica.de
Stolpersteine in Klingenmünster, online abrufbar unter: swr.de/swr2/stolpersteine/orte/akustische-stolpersteine-klingenmuenster
Erich Laux, Geschichte der Juden von Klingenmünster, Verlag Arbeitskreis „Altes Klingenmünster“, 2019
Rita Reich (Red.), Klingenmünster: Was passierte mit den Juden und deren Besitz während der Nazi-Zeit? in: „Die Rheinpfalz“ vom 11.10.2019