Lublinitz (Oberschlesien)
Lublinitz (poln. Lubliniec) – eine Kleinstadt mit derzeit ca. 25.000 Einwohnern - liegt am Nordostrand des Oberschlesischen Industriegebietes - etwa 60 Kilometer nordwestlich von Kattowitz/Katowice bzw. etwa 35 Kilometer südwestlich von Tschenstochau/Czestochowa (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Lubliniec rot markiert, K. 2005, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0). 1941 war der historische Name der Stadt durch die Bezeichnung „Loben“ ersetzt worden.
Jüdische Ansässigkeit in Lublinitz setzte in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts (um 1780) ein, als der preußische Staat per Gesetz erlaubte, dass in Schlesien lebende Juden aus ihren angestammten Heimatdörfern nun auch in den Städten sesshaft werden konnten. Im Jahre 1787 sollen in der Stadt bereits ca. 80 Personen mosaischen Glaubens gelebt haben.
Um die Wende vom 18. zum 19.Jahrhundert gründete sich in Lublinitz eine jüdische Gemeinde. Ihre Synagoge errichtete die hiesige Judenschaft im Jahre 1821 - zu einer Zeit, als sich die Zahl der Gemeindeangehörigen auf knapp 200 Personen belief. Um 1860 zählte die jüdische Bevölkerung dann ca. 430 Personen und machte damals immerhin ca. 18% der Gesamtbevölkerung aus.
Der jüdische Friedhof wurde Mitte der 1840er Jahre (andere Angabe: um 1855) angelegt. Auf dem weitläufigen Areal sollen seitdem mehr als 1.100 Verstorbene ihre letzte Ruhe gefunden haben.
Begräbnisstätte der Fam. Königsberger (Aufn. D. Kazimierski, 2011, commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
Bereits im ausgehenden 19.Jahrhundert setzte die Ab- und Auswanderung der Juden aus Lublinitz ein. Als dann nach Ende des Ersten Weltkrieges Lublinitz an den neu gegründeten polnischen Staat fiel, verließen die allermeisten verbliebenen jüdischen Familien die Stadt in Richtung Deutschland, um dort in größeren Städten eine neue Existenz aufzubauen. Nur wenige Juden blieben in Lubliniec zurück.
Nach Kriegsbeginn wurden die hier noch lebenden jüdischen Familien ins "Generalgouvernement" abgeschoben und zumeist später ermordet.
Der jüdische Friedhof, der nach 1945 völlig in Vergessenheit geriet und dessen Grabsteine abgeräumt bzw. zerstört wurden, weist heute nur noch Grabsteinrelikte auf; einige wurden gegen Ende der 1980er Jahre zu einem kleinen Denkmal (Lapidarium) gefügt.
Aufn.
, 2007, aus: wikidata.org CC BY-SA 3.0
Edith-Stein-Denkmal (Aufn. Przyguda, 2006, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Edith Stein (geb. 1891 in Breslau) – Karmelitin Teresia Benedicta vom Kreuz - stammte aus einer jüdischen Familie, sie wurde als Philosophin und Frauenrechtlerin bekannt. Lubilitz/Lubieniec war die Geburtsstadt ihrer Mutter und der Wohnort ihrer Verwandtschaft. 1922 konvertierte Edith Stein zum Katholizismus. Die Erinnerung an Edith Stein wird in der Lubliniec in Ehren gehalten: Im Wohnhaus der Familie Courant (Großeltern mütterlicherseits) wurde das „Edith-Stein-Museum“ eingerichtet, welches dem Leben Edith Steins gewidmet ist und ihren Weg bis ins Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau zeigt, in dem sie 1942 umkam. Edith Stein – als Heilige und Märtyrerin in der katholischen Kirche verehrt - ist auch Schutzheilige der Ortschaft Lubliniec. Auf dem jüdischen Friedhof befinden sich die Gräber ihrer Brüder und ihrer Großeltern.
Der jüdische Friedhof in Cieszowa - einem Dorf der Landgemeinde Koszęcin (dt. Koschentin), ca. zehn Kilometer östlich von Lubliniec gelegen -, dessen Anlage vermutlich in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts erfolgte, weist noch heute ca. 60 Grabsteine bzw. -relikte auf, die auf einer Fläche von 5.000 m² stehen. Die Inschriften der Grabmale sind in deutsch und hebräisch abgefasst; der älteste noch vorhandene Stein datiert von 1780.
Der jüdische Friedhof in Cieszowa (Aufn. 2007)
noch gut erhaltene alte Grabsteine (alle Aufn. Przykuta, 2012, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
Die Anfänge einer jüdischen Gemeinde in Cieszowa sollen angeblich zurückreichen bis in die Mitte des 14.Jahrhunderts; ob damals bereits ein Friedhof angelegt wurde, ist ungewiss.
Um 1740 (andere Angabe: um 1785) soll im Dorf eine (hölzerne) Synagoge, eine der ältesten Schlesiens, erbaut worden sein (Abb. Museum Gliwice); im Nachbargebäude befand sich die jüdische Schule. Mit der Aussetzung des „Privilegium de non tolerandis Judaeis“ (1808) verließen in der Folgezeit etliche jüdische Familien das Dorf, um sich in Städten niederzulassen, die bessere wirtschaftliche Perspektiven boten. Lebten um 1830 noch etwa 45 Juden im Dorf, waren es 30 Jahre später weniger als 20 Personen. Um 1900 hatten dann alle jüdischen Bewohner Cieszowa verlassen. Das Synagogengebäude wurde versteigert (es ging in die Hände eines Pfarrers über, der es vor dem Verfall schützen wollte). Doch bereits wenige Jahre vor Beginn des Ersten Weltkrieges erfolgte der Abriss der Synagoge und der ehem. Schule.
Weitere Informationen:
Karl Urban, Die katholische Kirche und die Synagoge zu Czieschowa, Kreis Lublinitz, Verlag des Oberschlesischen Geschichtsvereins, Oppeln 1909 (Anm. Karl Urban war Pfarrer in Sodow O.S.)
Peter Maser/Adelheid Weiser, Juden in Oberschlesien, Teil I: Historischer Überblick, in: "Schriften der Stiftung Haus Oberschlesien, Landeskundliche Reihe 3.1", Gebr. Mann Verlag, Berlin 1992
Fr.-Carl Schultze-Rhonhof, Geschichte der Juden in Schlesien im 19. u. 20.Jahrhundert, in: "Schlesische Kulturpflege - Schriftenreihe der Stiftung Schlesien", Band 5, Hannover 1995
The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 756
Lubliniec, in: sztetl.org.pl
K. Bielawski (Red.), Lubliniec - jüdischer Friedhof, in: kirkuty.xip.pl (mit Aufnahmen von Grabsteinrelikten)
Liliana Mzyk, "Lubliniec - Auf den Spuren von Edith Stein", o.O.
Cieszowa, in: sztetl.org.pl
Jan Myrcik (Bearb.), Cieszowa, in: kirkuty.xip.pl
Beata Pomykalska/Pawel Pomykalski, Auf den Spuren der Juden Oberschlesiens, Hrg. Haus der Erinnerung an die Juden Oberschlesiens – Zweigstelle des Museums in Gleiwitz, Gliwice 2019
Marton Szigeti (Bearb.), Eine verschwundene Synagoge – interessante Geschichte einer oberschlesischen Synagoge, in: „Silesia News – Informationsblog der Kulturreferate für Schlesien und Oberschlesien“ vom 10.3.2020
Jewish cemetery in Cieszowa, in: commons.wikimedia.org/wiki/Category:Jewish_cemetery_in_Cieszowa (mit Aufnahmen der Grabsteine)