Köpenick (Berlin)
Köpenick (bis 1931 amtlich: Cöpenick) ist ein Ortsteil im Bezirk Treptow-Köpenick im Südosten von Berlin (Kartenskizzen 'Bezirke von Berlin' und 'Stadtbezirk Treptow-Köpenick', TUBS 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
Stadt Coepnick um 1810, Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei
Im Jahre 1889 wurde die jüdische Kultusgemeinde Köpenick gegründet; sie gehörte nicht zum Synagogenbezirk Berlin und blieb auch nach der Bildung der Gemeinde Groß-Berlin (1920) selbstständig.
Jahrelang war der jüdischen Gemeinde seitens der Stadtverwaltung ein eigenes Gotteshaus in der Stadt verweigert worden, ehe dann 1910 in Köpenick ein Synagogengebäude (an der Freiheit 8) errichtet werden konnte. Zuvor hatten sich die Gemeindeangehörigen zu gottesdienstlichen Zusammenkünften in unterschiedlichen Räumlichkeiten, so im „Kaiserhof“ (in der Grünstraße) oder im Ratskeller versammelt. Die Einweihung der neuen Synagoge – nach Plänen des Architekten A. Sommerfeld – fand am 25. Sept. 1910 im Beisein von Vertretern der christlichen Kirchen und kommunaler Behörden statt. Über dem Eingangsportal der neoklassizistischen Fassade war die hebräische Inschrift „Und dies ist das Himmelstor“ angebracht.
Köpenicker Synagoge (hist. Aufn. aus: Museum Köpenick und wohnmal.info)
Zur Synagogen-Gemeinde zählten Adlershof, Bohnsdorf, Cöpenick, Friedrichshagen, Alt- und Neuglienicke, Gosen, Grünau, Johannisthal, Kietz, Müggelheim, Schmöckwitz, Schöneiche, Ober- und Niederschöneweide, Wernsdorf, Neu-Zittau und Erkner.
In der Mahldorfer Straße war seit 1915 die Israelitische Fürsorgeanstalt für Mädchen und ein heim für Kleinkinder untergebracht; Anfang der 1930er Jahre erfolgte der Umbau zum Altersheim der Gemeinde. Ein weiteres Seniorenheim der jüdischen Gemeinde Köpenick befand sich im Ortsteil Friedrichshagen.
Unweit der Mahlsdorfer Straße/Ecke Gehsener Straße befand sich der Friedhof der Köpenicker Gemeinde.
Juden in Köpenick:
--- 1850 ..................... ? Juden
--- um 1900 .................. ? " ,
--- 1933 .................. ca. 600 Juden,
--- 1939 .................. ca. 285 " ,
--- 1942 ..................... ? " .
Angaben aus: Die jüdische Gemeinde in Köpenick
Im Jahre 1930 wurde der „Synagogenverein Köpenick“ in die jüdische Gemeinde Berlin eingegliedert; an ihrer Spitze stand seit 1908 der Rabbiner Sally Frank, der dieses Amt bis 1938 ausübte (Frank emigrierte 1938 mit seiner Familie nach Frankreich).
Bei der am 1.4.1933 reichsweit durchgeführten Boykott-Aktion wurden auch in Köpenick Jüdinnen und Juden auf offener Straße verhaftet.
Gegen Ende Juni 1933 führte eine erste großangelegte Gewaltaktion seitens der SA gegen politische Andersdenkende, aber auch Jüdinnen und Juden (sog. "Köpenicker Blutwoche") zu mindestens 24 Todesopfern.
Während des Pogroms im November 1938 wurde die Synagoge von SA-Angehörigen verwüstet, geplündert und in Brand gesetzt; Trümmerteile wurden zur Dahme geschleppt und dort versenkt.
Alsbald kam das Ende der jüdischen Gemeinde Köpenick. Etwa 250 bis 300 jüdische Bewohner wurden in die "Lager des Ostens" deportiert; darunter waren auch die Heimbewohner des Jüdischen Altersheims (Febr. 1942); fast alle kamen ums Leben.
Das durch Brand und Verwüstung erheblich beschädigte Synagogengebäude wurden durch Bomben so stark in Mitleidenschaft gezogen, das es nach 1945 dann vollständig abgetragen wurde.
Eine 1993 geschaffene Gedenktafel trägt unter der stilisierten Ansicht der Synagogenfront die Worte: „Zur Erinnerung an die jüdische Gemeinde zu Köpenick und ihre Synagoge, die am 9.November 1938 in der Pogromnacht zerstört wurde.“
Gedenktafel (Aufn. OTFW, 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
Anm.: 1986 wurde bei Bauarbeiten aus der Spree ein verrostetes Thora-Schild der ehemaligen Köpenicker Synagoge geborgen; dieses Relikt erinnert an die Novembertage 1938, als SA-Angehörige die Synagoge geplündert und die entwendeten Kultgegenstände in den Fluss geworfen hatten.
Seit 1969 erinnert ein vom Bildhauer Walter Sutkowski geschaffenes aufragendes Mahnmal an die Opfer des faschistischen Terrors
Denkmal der "Köpeniker Blutwoche" (Aufn. OTFW Berlin, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Seit 2005 sind im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick bislang ca. 130 sog. „Stolpersteine“ verlegt worden, die zumeist an jüdische Opfer der NS-Gewaltherrschaft erinnern.
verlegt in Alt-Köpenick
in der Schlüterstraße
in der Mahlsdorfer Straße (Aufn. OTFW, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Die nach Kriegsende noch vorhandenen umgestürzten Grabsteine des Köpenicker Friedhofs wurden wieder aufgestellt. In den Folgejahren verwahrloste das Friedhofsgelände zusehends; im Rahmen einer Neubebauung wurde es 1960 eingeebnet und in eine Grünanlage umgewandelt. Aus den verbliebenen Grabsteinen wurde ein pyramidenförmiges Mahnmal (Lapidarium) geschaffen, welches 1968 abgetragen wurde.
Lapidarium auf dem jüdischen Friedhof Köpenick (Aufn. Museen Treptow-Köpenlck)
Die Grabsteine verbrachte man man dann zum Jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee. In der Gehsener Straße wurde 2004 diese Gedenktafel angebracht:
In der Gehsener Straße findet man diese Gedenktafel (Abb. OTFW, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Anm.: Die obige Gedenktafel am historischen jüdischen Friedhof wurde jüngst durch eine neue ersetzt.
An die Bewohner/innen des ehemaligen jüdischen Altersheims an der Mahlsdorfer Straße/Ecke Gehsener Straße erinnert seit 2024 eine Gedenktafel. Nach Räumung des Heimes durch die NS-Behörden (Okt. 1942) wurden die alten Menschen nach Theresienstadt und von dort nach Auschwitz oder Riga deportiert und ermordet.
(Abb. OTFW, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
An der Flatow-Oberschule (Birkenstraße) – im Jahre 1992 benannt nach den jüdischen Sportlern Alfred und Gustav Felix Flatow – erinnert seit 1995 eine Gedenktafel an die beiden von Nationalsozialisten ermordeten Olympiasieger mit den Worten: „Die beiden Pioniere der deutschen Sportbewegung wurden wegen ihrer jüdischen Herkunft ausgegrenzt, verfolgt und später von den Nationalsozialisten in das KZ Theresienstadt deportiert. Sie starben dort vor Hunger und Entkräftung“. Die Stadt Berlin ehrte die beiden Flatows durch die Benennung der nahe des Olympiastadions verlaufenden Flatowallee.
Alfred und Gustav Felix Flatow auf einem Postwertzeichen von 1996 zum 100jährigem Jubiläum der Olympischen Spiele
In Woltersdorf – ca. 12 Kilometer östlich von Köpenick – wurden in der Zeit von 2012 bis 2019 an sechs Standorten insgesamt 15 „Stolpersteine“ verlegt, die an deportierte/ermordete jüdische Bewohner erinnern.
Aufn. Chr. Michelides, 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0
Weitere Informationen:
Gerd Lüdersdorf, Juden im Bezirk Köpenick 1812 – 1945. Versuch einer Rekonstruktion, Berlin 1994
Gerd Lüdersdorf, Es war ihr Zuhause – Juden in Köpenick, Edition Roots Berlin 1998
Berlin-Köpenick, in: Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus – Eine Dokumentation II, Hrg. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1999, S. 67 - 69
Frank Scheerer (Red.), Köpenicker Synagoge: Von dem jüdischen Gotteshaus blieb nur der Umriss an der Brandmauer, in: „Der Tagesspiegel“ vom 11.8.2000
Ursula Walker (Red.), Spuren der Geschichte in Treptow-Köpenick – die Synagoge Freiheit 8 und der 9.November 1938, online abrufbar unter: spd-treptow-koepenick.de/dl/Spuren_der_Geschichte_in_Treptow-Koepenick.pdf
René Frost (Bearb.), Die Geschichte Köpenicks, online abrufbar unter: koepenick.net/geschichte.htm
Stolpersteine in Berlin Treptow-Köpenick – eine Dokumentation über 30 Orte des Gedenkens mitten unter uns, hrg. vom Bund der Antifaschisten Treptow e.V., 2008
Die jüdische Gemeinde in Köpenick, in: Heinrich-Wilhelm Wörmann, Widerstand in Köpenick und Treptow, Hrg. Gedenkstätte Deutscher Widerstand,, S. 243 - 267 (mit diversen Biografien ehem. jüdischer Bewohner von Köpenick und Treptow), online abrufbar unter: gdw-berlin.de/fileadmin/bilder/publikationen/Widerstand_in_Berlin/Widerstand in Koepenick_Treptow_2010.pdf
Lorenz Pfeiffer (Bearb.), Von Olympiasiegern zu „Reichsfeinden“ – Die Cousins Alfred und Gustav Felix Flatow, in: D.Blecking/L. Peiffer (Hrg.) Sportler im „Jahrhundert der Lager“. Profiteure, Widerständler und Opfer, Göttingen 2012, S. 255 – 261
Auflistung der in Berlin-Köpenick verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Berlin-Köpenick
Ralf Drescher (Red.), Erinnerung an jüdisches Gotteshaus, in: „Berliner Woche“ vom 2.12.2018
Agathe Conradi (Red.), Adolf Sommerfeld und die Köpenicker Synagoge, in: maulbeerblatt.com vom 20.10.2020
Auflistung der in Woltersdorf verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Woltersdorf