Kronstadt (Siebenbürgen/Rumänien)

  Kronstadt – eine Gründung des Deutschen Ordens im frühen 13.Jahrhundert – war neben Hermannstadt über Jahrhunderte hinweg das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Siebenbürger Sachsen. Bis in die zweite Hälfte des 19.Jahrhunderts waren die Deutschen die zahlenmäßig größte Bevölkerungsgruppe in der Stadt. Noch nach Kriegsende lebten hier etwa 10.000 deutsche Einwohner; durch Abwanderung nach Deutschland verkleinerte sich deren Zahl deutlich. Die heutige Großstadt Brașov beitzt derzeit ca. 250.000 Einwohner (Kartenskizze: D. Melzer, aus: siebenbuergen.de).

 

Erste Hinweise für die dauerhafte Anwesenheit jüdischer Familien in Kronstadt reichen bis in die 1820er Jahre zurück; nur wenige Jahre später (1828) erhielten sie das Recht, sich in einer Gemeinde zu organisieren. Eine erste Synagoge konnte sich die damals noch relativ kleine jüdische Gemeinschaft Kronstadts in der ehemaligen evangelischen „Spitalskirche“ einrichten. Etwa drei Jahrzehnte später ließ die inzwischen deutlich angewachsene (liberale-neologe) Gemeinde auf einem Areal an der Waisenhausgasse einen Synagogenbau errichten, der 1901 eingeweiht wurde; konzipiert war das monumentale Bauwerk von dem ungarischen Architekten Leopold Baumhorn.

Eine religiös-orthodoxe Gemeinde gründete sich bereits im Jahre 1877. Im Jahre 1926 wurde seitens der Kultusgemeinde eine neue Synagoge erbaut. Auffallendes Äußeres war der obere Teil der Hauptfassade, der eine Menora flankiert von zwei Löwen – gefertigt aus farbigen Keramikfliesen – zeigte.

                      The Orthodox Synagogue, Brașov·, Photo: Silviu MaiorescuSchmuck an der Hauptfassade (Abb. aus: welcometoromania.eu/Brasov/Brasov_Siangoga_ortodoxa_)

Seit 1860 bestand in Kronstadt eine jüdische Schule, die von Kindern beider jüdischer Gemeinden besucht wurde.

Juden in Kronstadt:

--- 1865 ......................   103 Juden,

--- 1869 .................. ca.   220   "  ,

--- um 1890 ............... ca.   800   "  ,

--- 1900 ...................... 1.200   "  ,

--- 1931 .................. ca. 2.500   "  (ca. 4% d. Bevölk.),

--- 1946 .................. ca. 3.500   "  ,

--- 1956 .................. ca. 1.750   "  ,

         .................. ca. 4.000   "  ,*    * in der Region um Kronstadt

--- um 2005 .............. ca.    200   "  .

Angaben aus: Brasov, in: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocausr, Vol. 1, New York 2001, S. 182

und                 Christel Wollmann-Fiedler (Red.), Die Kronstädter Synagoge, in: „Israel Nachrichten“ vom 30.9.2014

 

Gegen Ende des 19.Jahrhunderts verzeichnete man auch in Kronstadt eine Abwanderung vor allem sozial schwacher jüdischer Familien, die sich eine bessere Zukunft in Nordamerika erwarteten.

Während des faschistischen Antonescu-Regimes waren die hiesigen jüdischen Bewohner Schikanen unterworfen, ihr Eigentum wurde eingezogen. Jüdische Männer waren in Arbeitsbatailonen zur Zwangsarbeit verpflichtet und überlebten zumeist die Kriegsjahre. Deportationen aus Kronstadt und Umland in die Vernichtungslager hat es während des Krieges nicht gegeben.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs die Zahl der jüdischen Bewohner Kronstadt enorm an, da nun mehrere tausend Flüchtlinge aus angrenzenden, von der UdSSR besetzten Landesteilen hierher kamen. Doch viele von ihnen blieben nur wenige Jahre, um dann in den 1950er Jahren nach Israel auszuwandern. 1956 zählte die jüdische Bevölkerung von Brasov immerhin noch ca. 1.700 Personen, im Distrikt waren es noch etwa 4.000.

Derzeit setzt sich die jüdische Gemeinschaft von Kronstadt/Brasov aus kaum mehr als 200, zumeist älteren Personen zusammen.

                                                                           BRAS-SinanogaNeologa02.jpg 20140627 Braşov 159.jpg

          Synagoge in Brașov (Aufn. G. 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)   -  Giebel mit Gesetzestafeln (Aufn. M. Ahsmann, 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 Innenansicht der neologen Synagoge (Aufn. R.Florin, 2013, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Die während des Krieges von der „Eisernen Garde“ schwer beschädigte orthodoxe Synagoge wird derzeit von der kleinen verbliebenen jüdischen Gemeinschaft für ihre Zusammenkünfte genutzt.

The Orthodox Synagogue, Brașov·, Photo: Horațiu CenușăOrthodoxe Synagoge (Abb. aus: welcometoromania.eu/Brasov)

 

Als Sohn eines jüdischen Kaufmanns wurde Josef Löbel in Konstadt geboren. Nach seinem Medizinstudium in Wien praktizierte er zunächst in Preßburg, danach war er in den Sommermonaten als Badearzt in Franzensbad (Böhmen) tätig. Im Winter lebte er in Berlin, wo er journalistisch und schriftstellerisch tätig war. Mit Beginn der NS-Herrschaft wurden seine Bücher verboten. Mit seiner Ehefrau flüchtete er nach Wien, danach nach Prag. 1942 wurde seine Frau nach Theresienstadt deportiert, er selbst beging Selbstmord.

In Berlin-Tiergarten erinnert heute ein „Stolperstein“ an Dr. Josef Löbel.

 

 

Weitere Informationen:

Brasov, in: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust, Vol. 1, New York 2001, S. 182

Ladislau Gyémánt (Bearb.), Die Juden in Siebenbürgen bis zum 18. Jahrhundert, in: Volker Leppin, Ulrich A. Wien (Hrg.), Konfessionsbildung und Konfessionskultur in Siebenbürgen in der Frühen Neuzeit,Franz Steiner Verlag, Wiesbaden 2005, S. 191 – 200

Brasov, in: Encyclopedia Judaica, online abrufbar unter: jewishvirtuallibrary.org/brasov

The Jewish Community of Brasov, online abrufbar unter: dbs.anumuseum.org.il/skn/en/c6/e184577/Place/BRASOV

Christel Wollmann-Fiedler (Red.), Die Kronstädter Synagoge, in: „Israel Nachrichten“ vom 30.9.2014

Mariana Hausleitner, Selbstbehauptung gegen staatliche Zwangsmaßnahmen – Juden und Deutsche in Rumänien seit 1830, Verlag Frank & Timme 2021

Markéta Kachliková (Red.), „Der Weise von Franzensbad“: Arzt und Medzinwissenschaftler Josef Löbel, in: radio.cz vom 27.3.2021

Christel Wollmann-Fiedler (Red.), Die Kronstädter Synagoge, in: haGalil.com vom 19.12.2021