Mainbernheim (Unterfranken/Bayern)

Datei:Mainbernheim in KT.svg Wo liegt Mainbernheim? Karte, Lageplan & Services für Mainbernheim (Bayern,  Deutschland)Mainbernheim ist eine kleine Kommune mit derzeit ca. 2.300 Einwohnern im unterfränkischen Landkreis Kitzingen unweit der Kreisstadt gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Kitzingen', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Möglicherweise haben einzelne Juden bereits 1382 in Mainbernheim gelebt - zu einer Zeit, als der Ort Stadtrechte erhielt. Im Jahre 1414 wurde Mainbernheim das königliche Privileg zur Aufnahme bzw. Ausweisung von Juden zuteil. Nachweislich haben aber erst im 15.Jahrhundert einige wenige jüdische Familien in Mainbernheim gelebt, so sind z.B. 1489/1490 deren sechs hier ansässig gewesen; diese standen unter dem Schutz des Würzburger Bischofs und betrieben Geldhandel. Ob es damals einen Betraum gab, kann nicht eindeutig belegt werden. Zu Beginn des 16.Jahrhunderts wurden die jüdischen Familien vermutlich von hier vertrieben.

Um 1700 wurden die Wurzeln der neuzeitlichen jüdischen Gemeinde in Mainbernheim gelegt; 1698 war erstmals wieder ein jüdischer Bewohner erwähnt; einige Jahre später sind in städtischen Unterlagen die hier ansässigen jüdischen Bewohner namentlich aufgeführt. Gegen Mitte des 18.Jahrhunderts lassen sich 18 jüdische Haushalte hier nachweisen.

Bei der Erstellung der Matrikel (1817) sind für Mainbernheim 18 jüdische Familienvorstände aufgelistet: mehrheitlich bestritten die hier lebenden Juden ihren Lebensunterhalt vom Wein- und sog. Nothandel. Ihre Blütezeit erreichte die jüdische Gemeinde in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts; jeder 12. Ortsbewohner gehörte damals dem mosaischen Glauben an.

Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörten eine 1748 erbaute Synagoge in der Brunnengasse und ein Schulgebäude; vorher bestand bereits ein Betraum.

Zu den prominentesten Mitgliedern der Kultusgemeinde zählte der Rabbiner Elieser ben Aron, Nachkomme einer bekannten schlesischen Rabbiner- u. Richterdynastie; er war um 1785 nach Mainbernheim gekommen und lebte hier bis zu seinem Tode (1823). Seine beiden Söhne Moises und Aron Lazarus waren auch bekannte Rabbiner/Talmudgelehrte.

Für die Besorgung der religiösen Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer in Anstellung, der später von den beiden Kultusgemeinden Mainbernheim und Rödelsee gemeinsam besoldet wurde.

  aus: „Der Israelit“ vom 27.8.1891 und vom 1.9.1902

Als auf Grund der starken Abwanderung jüdischer Familien gegen Mitte des 19. Jahrhunderts das Ende der Gemeinde drohte, war die Abhaltung von Gottesdiensten infrage gestellt; doch als sich die Zahl der Gemeindeangehörigen bei ungefähr 50 Personen stabilisierte, konnte die Kultusgemeinde bis zu Beginn der 1930er Jahre fortbestehen.

Verstorbene wurden auf dem jüdischen Bezirksfriedhof in Rödelsee beerdigt.

Bis um 1870 war Mainbernheim Sitz eines Bezirksrabbinats, dem ca. 30 Gemeinden untergeordnet waren.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2089/Mainbernheim%20Israelit%2020111867.jpg  Letztmalige Ausschreibung der Rabbinerstelle (aus: "Der Israelit" vom 20.11.1867)

Mit dem Tode des Distriktrabbiners Faust Löw Thalheimer (1871) wurde der Sitz nach Kitzingen, später nach Würzburg verlegt.

Juden in Mainbernheim:

    --- um 1715 .......................   7 jüdische Familien,

    --- 1724 ..........................  13     "        "   ,

    --- 1754 ..........................  18     "        "   ,

    --- 1801/02 .......................  21     "        "   ,

    --- 1813 .......................... 129 Juden (in 18 Familien, ca. 8% d. Bevölk.),

    --- 1833 ...................... ca. 100   “   (in 20 Familien),

    --- um 1840 .......................  12 jüdische Familien,

    --- 1867 ..........................  44 Juden (in 9 Familien, ca. 3% d. Bevölk.),

    --- 1890 ..........................  48   “  ,

    --- 1900 ..........................  39   “  ,

    --- 1910 ..........................  48   “   (3,5% d. Bevölk.),

    --- 1925 ..........................  32   “  ,

    --- 1933 ...................... ca.  20   “  ,

    --- 1939 (Mai) ....................  13   “  ,

    --- 1942 (Okt.) ...................  keine.

Angaben aus: Baruch Z.Ophir/F.Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945, S. 351

und                 W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, S. 1132

1 Herrnstraße Mainbernheim um 1900 Kraus I S. 48.jpgHerren-Straße in Mainbernheim, um 1900 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei) 

 

Bei einem Großbrand in Mainbernheim (Aug. 1917) war auch die Judengasse stark betroffen.

Reste der Judengasse1 Großbrand 19. August 1917 Mainbernheim Judengasse Kraus I S. 64.jpghist. Aufn. aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei                                     

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten nur noch wenige jüdische Familien im Ort. Sie waren dann ab 1935 damit konfrontiert, dass ihnen seitens des Stadtrates Verbote auferlegt wurden, die ihre Wirtschaftstätigkeit einschränkten und sie aus dem öffentlichen Leben ausgegrenzt wurden.

Während des Novemberpogroms von 1938 wurden Synagoge und Schulgebäude stark beschädigt; von einer Brandlegung sah man ab, weil Nachbargebäude gefährdet waren; so „begnügte“ man sich, das Dach der Synagoge abzudecken. Beteiligt an den Ausschreitungen waren ca. 50 ortsansässige SA-Angehörige und zahlreiche Bewohner der Stadt. Unter Beteiligung der Ortspolizei wurden sechs von Juden bewohnte Häuser durchsucht; dabei soll es auch zu Misshandlungen gekommen sein. Wohnungsinventar und Hausrat wurden zerschlagen; dabei waren auch Jugendliche aktiv. Alle männlichen Gemeindeangehörigen wurden ins Gefängnis nach Kitzingen verbracht. Das Synagogengebäude ging anschließend in Privathand über und wurde nach dessen Umbau als Wohnhaus genutzt.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20386/Mainbernheim%20KK%20MZ%20Liebenstein%20Justin.jpghttp://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20386/Mainbernheim%20KK%20MZ%20Liebenstein%20Leon.jpg

J-Kennkarten gebürtiger Mainbernheimer Juden - ausgestellt in Mainz 1939

Im Jahre 1942 war das Ende der jüdischen Gemeinde in Mainbernheim besiegelt: die letzten vier jüdischen Bewohner wurden nach Würzburg abtransportiert, von hier aus nach Izbica bei Lublin bzw. nach Theresienstadt deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind nachweislich 29 gebürtige bzw. längere Zeit in Mainbernheim lebende jüdische Bewohner Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/mainbernheim_synagoge.htm).

 Vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Würzburg mussten sich 1948 die aktiv am Pogrom in Mainbernheim beteiligten Männer verantworten; die Haupttäter wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

 

Eine Gedenktafel am Gebäude der ehemaligen Synagoge (Untere Brunnengasse) trägt die folgenden Worte:

In Mainbernheim bestand bis 1942 eine jüdische Kultusgemeinde,

deren Synagoge sich im Hause Untere Brunnenstraße befand.

Zur Erinnerung an unsere ehemaligen jüdischen Mitbürger.

 Diese beiden sog. „Stolpersteine“ in der Brunnengasse erinnern an das ermordete Ehepaar Hausmann (Aufn. T. Schleicher, 2009).

Mainbernheim Stolperstein Samfeld, David.jpgMainbernheim Stolperstein Samfeld, Adele.jpgMainbernheim Stolperstein Gernsheimer, Bertha.jpg Stolpersteine 0689.JPGWeitere Steine befinden sich in der Herrnstraße/Ecke Klostergasse und in der Sonnengasse (Aufn. A., 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Auch Mainbernheim beteiligt sich am unterfränkischen Projekt "DenkOrt Deportationen 1941-1944" in Würzburg; der Beitrag der Kommune ist die Skulptur einer Schulmappe.                         

               Aufn. Michael Stolz 2020

 

 

 

Im südöstlich von Mainbernheim gelegenen Dornheim - heute ein Ortsteil der Stadt Iphofen - gab es bis 1939/1940 eine kleine jüdische Kultusgemeinde. Unter der Dorfherrschaft der Grafen von Schwarzenberg ist im 15.Jahrhundert erstmals namentlich ein Jude im Dorf erwähnt. Zwei in Dornheim ansässige Schutzjuden sind zu Beginn des 17.Jahrhunderts genannt.

In den 1860er Jahren erreichte die Zahl der Gemeindeangehörigen mit ca. 60 Personen ihren Höchststand; dies entsprach etwa 14% der Dorfbevölkerung. Eine aus der Mitte des 18.Jahrhunderts stammende Synagoge, eine Mikwe und ein Gemeindehaus gehörten zu den Einrichtungen der Dornheimer Kultusgemeinde. Verstorbene fanden auf dem 1816/1817 angelegten Friedhof in Hüttenheim ihre letzte Ruhe.

Die im letzten Viertel des 19.Jahrhunderts einsetzende Abwanderung führte dazu, dass um 1920/1930 nur noch wenige jüdische Familien im Dorf lebten. Ende November 1941 wurden die drei letzten jüdischen Dorfbewohnerinnen ins Ghetto Riga deportiert.

Eine Tafel am Gebäude der alten Schule erinnert an die ehemalige jüdische Gemeinde. 

[vgl.  Dornheim (Unterfranken/Bayern)]

 

 

 

Unter den sog. „Rindfleisch-Verfolgungen“ von 1298 soll auch die mittelalterliche Judengemeinde in Iphofen stark gelitten haben, genauso unter den Verfolgungen des Jahres 1336. Trotz der massiven Ausschreitungen siedelten sich in den folgenden Jahrzehnten wieder Juden in Iphofen an. Urkundlich nachweisbar ist ein um 1450 bestehendes „Judenquartier“ in der „Judengaßen“. In der Zeit des Dreißigjährigen Krieges lebten im Amt Iphofen fünf Schutzjuden, die meist als Geldverleiher tätig waren. Sie verfügten damals auch über eine Synagoge, was den Unwillen der katholischen Bevölkerung hervorrief. Im Jahre 1686 wurden alle Iphöfer Juden ausgewiesen. - Einziges ‚Zeugnis’ jüdischer Vergangenheit in Iphofen ist heute eine bildliche Darstellung eines Hostienfrevels in der „Wallfahrtskirche zum Heiligen Blut“, der sog. „Blutskirche“ am Lindenplatz. Demnach sollen 1294 zwei Juden eine Hostie geschändet haben; als aus dieser Blut floss, wollte man sich von der Hostie befreien. Bei dem Versuch, die Hostie loszuwerden, soll diese in einem Spinnennetz hängengeblieben sein; daraufhin ergriff ein übernatürliches Licht das Spinnennetz, was den Nachbarn gewahr wurde. Nachdem man der Juden habhaft geworden war, richtete man sie hin. Auf dem Gelände ihrer zerstörten Behausung erbaute man später die Kapelle „Zum Heiligen Blut“.

Anm.: Derartige Beschuldigungen des „Hostienfrevels“ sind aus verschiedenen Orten belegt, so aus Röttingen, Lauda, Möckmühl, Weikersheim und Würzburg; sie dienten als Vorwand für blutige Massaker an zahlreichen jüdischen Gemeinden im weiten Umkreis.

Die Stadt Iphofen beteiligt sich wie andere Kommunen der Region am unterfränkischen Projekt „DenkOrt Deportationen 1941-1944“. Schüler einer 9.Klasse der Karl-Heinz-Spielmann-Schule in Iphofen fertigten aus Sandsteinquadern Koffer-Skulpturen, die zum einen am zentralen Mahnmal in Würzburg und zum anderen in den jeweiligen Ortsteilen (Dornheim und Nezenheim) ihren Platz finden.

Ebenfalls beteiligt sich Iphofen an dem jüngst ins Leben gerufenen „Wissens- und Vermittlungsnetzwerk“, das zum Ziel die Schaffung eines „jüdischen Kultuspfades“ hat, dessen Zentrum der jüdische Friedhof Rödelsee sein soll.

 

In einem weiteren Ortsteil von Iphofen, in Nenzenheim, gab es auch eine jüdische Kultusgemeinde.

[vgl. Nenzenheim (Bayern)]

 

 

 

Weitere Informationen:

Baruch Z.Ophir/F.Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München 1979, S. 169/170 (Dornheim) und S. 351/352 (Mainbernheim)

Gerhard Wilhelm Daniel Mühlinghaus, Der Synagogenbau des 17. u. 18.Jahrhunderts im aschkenasischen Raum, Dissertation, Philosophische Fakultät Marburg/Lahn, 1986, Band 2, S. 250

Israel Schwierz, Steinerne Zeugen jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 51, S. 78/79 und S. 95

Germania Judaica, Band III/2, Tübingen 1995, S. 784/785

Harald Schwillus, Hostienfrevellegende und Judenverfolgung in Iphofen. Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte der Kirche zum hl. Blut im Gräbenviertel, in: Würzburger Diözesangeschichtsblätter Bd. 58 (1996), S. 109 - 140

Albert Liess (Bearb.), Wege in die Vernichtung. Die Deportation der Juden aus Mainfranken 1941 - 1943. Begleitband zur Ausstellung des Staatsarchivs Würzburg u. des Instituts für Zeitgeschichte München-Berlin in Zusammenarbeit mit dem Bezirk Unterfranken, München 2003 (Der Band enthält Abbildungen aus einem Fotoalbum, die von der Gestapo zusammengestellt wurden.)

Kurt Kraus, Mainbernheim – einst und jetzt. Bilder der Vergangenheit und Gegenwart, Mainbernheim 2003

Mainbernheim, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Iphofen, in: alemannia-judaica.de

Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S. 199 

Torsten Schleicher (Red.), Erinnerung an Mainbernheims Juden, in: „Main-Post“ vom 20.3.2009

Torsten Schleicher (Red.), Ermordet mit elf Jahren: Der Mainbernheimer Heinz Hausmann starb 1942 bei Riga, in: „Main-Post“ vom 12.1.2012

Auflistung der in Mainbernheim verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Mainbernheim

shi (Red.), Ein Schulranzen als Symbol für das Verschwinden, in: inFranken.de vom 23.3.2018

Ralf Dieter (Red.), Iphofen: Wo Schüler für ein lebendiges Gedenken schaffen, in: inFranken.de vom 3.5.2021

Hans Schlumberger/Hans-Christof Haas (Bearb.), Mainbernheim, in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine Synagogengedenkband Bayern, Unterfranken, Teilband III/2.2, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2021, S. 1119 - 1136

Eike Lenz (Red.), Jüdischer Friedhof Rödelsee: Iphofen beteiligt sich an Netzwerk, in: "Main-Post" vom 15.9.2021

Gerhard Bauer (Red.), Gedenktag an die Reichspogromnacht: Zwei Koffer als bleibende Erinnerung, in: „Main-Post“ vom 13.11.2021