Mainzlar (Hessen)
Mainzlar mit derzeit ca. 1.700 Einwohnern ist seit 1974 ein Ortsteil der Stadt Staufenberg im hessischen Kreis Gießen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikiwand.com und Kartenskizze 'Landkreis Gießen', Andreas Trepte 2006, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 2.5).
Wie im benachbarten Daubringen haben sich auch im Dörfchen Mainzlar die ersten jüdischen Familien im letzten Viertel des 18.Jahrhunderts angesiedelt. Vermutlich schlossen sich die wenigen Familien aus Daubringen, Lollar, Mainzlar und Ruttershausen bereits noch vor 1800 zu einer Religionsgemeinde zusammen, um damit den für die Abhaltung eines Gottesdienstes erforderlichen Minjan zusammenbringen zu können. Gottesdienstliches Zentrum war die kleine Synagoge in Lollar.
Stellenangebot für einen Hauslehrer bzw. Lehrer für die Gemeinde, aus: „Allgemeine Zeitung des Judentums" 1860/1861
Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte die jüdische Bevölkerung in Mainzlar mit mehr als 10% der Dorfeinwohnerschaft ihren Höchststand – allerdings war ihre absolute Zahl stets mehr als überschaubar.
Verstorbene Mainzlaer Juden wurden bis um 1840 auf dem am Hang unterhalb der Burganlage Staufenberg befindlichen jüdischen Friedhof beigesetzt; später fanden dann Begräbnisse auf einem an der Gemarkungsgrenze zwischen Lollar und Staufenberg liegenden Areal statt.
Juden in Mainzlar:
--- um 1770 ...................... 3 jüdische Familien,
--- 1828 ......................... 3,7% d. Dorfbevölkerung (19 Pers.),
--- 1861 ......................... 11,4% d. “ ,*
--- 1885 ......................... 6,1% d. “ ,*
--- 1900 ......................... 1,9% d. “ (5 Pers.),
--- 1925 ......................... 1,5% d. “ ,*
--- 1933 ......................... 1,3% d. “ .* * absolute Zahlen lagen dem Verfasser nicht vor
Angaben aus: Volker Hess, Die jüdische Bevölkerung in Daubringen und Mainzlar
Ende der 1840er-Jahre beantragte Seligmann Kann die Erlaubnis zur Errichtung einer Essigsiederei und Likörfabrik; in den 1850er-Jahren betrieben die Kanns zwei Branntweinbrennereien in Mainzlar.
Mit der Verarmung der dortigen ländlichen Bevölkerung und ihrem Übertritt in meist nicht-bäuerliche Erwerbsbereiche ging auch der von Juden betriebene Zwischenhandel stark zurück; dies schmälerte deren Existenzgrundlage, was wiederum zu einer Abwanderung meist jüngerer Juden aus Mainzlar führte.
Wie in anderen Kommunen im nördlichen Kreis Gießen - dies galt vor allem für die Dörfer im Lumda-Tal - fand seit Ende des 19.Jahrhunderts auch in Mainzlar der politische Antisemitismus unter der bäuerlichen Bevölkerung deutlichen Zuspruch. Diese Tatsache war sicherlich auch mitverantwortlich dafür, dass Mainzlaer Juden das Dorf verließen. Um die Jahrhundertwende lebten in Mainzlar nur noch zwei jüdische Familien. Mitte September 1942 endete dann jegliches jüdische Leben in Mainzlar; die hier noch 16 lebenden jüdischen Einwohner wurden - via Gießen bzw. Darmstadt – „in den Osten“ deportiert; keiner soll überlebt haben.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem sollen 22 gebürtige bzw. über einen längeren Zeitraum hinweg in Mainzlar ansässig gewesene jüdische Personen Opfer des Holocaust geworden sein (namentliche Nennung siehe: alemannia-judaica.de/mainzlar_synagoge.htm).
In der Daubringer Straße (früher Bahnhofstr.) liegen neun sog. „Stolpersteine“, die an die ermordeten fünf Erwachsenen und Kinder der Familien Rosenthal / Karbe erinnern.
In Staufenberg selbst haben im Laufe der Jahrhunderte nur vereinzelt Juden gelebt. Vier jüdische Familien, die unter dem Schutz der hessischen Landgrafschaft standen, wurden erstmals im 16.Jahrhundert erwähnt. Die Flur „De Jirrekerchhob“ - unmittelbar vor der alten Stadtmauer - weist darauf hin, dass bereits frühzeitig hier ein jüdisches Beerdigungsgelände bestanden haben muss. Der letzte jüdische Bewohner Staufenbergs verstarb in den 1840er Jahren.
27 Namen jüdischer NS-Opfer aus den Stadtteilen Staufenbergs sind auf einer Tafel nahe eines Gedenksteines genannt, der sich auf der Grünfläche vor dem neuen Rathaus der Stadt befindet.
Im Jahre 2011 wurden im Stadtgebiet von Staufenberg die ersten sog. "Stolpersteine" verlegt; erinnert wird nun inzwischen an 22 der insgesamt mindestens 38 Opfer der NS-Zeit (Stand 2022).
„Stolpersteine“ für Angehörige der Familien Wolf (Aufn. Stadtarchiv)
Jüdische Familien sind in Daubringen seit dem 18.Jahrhundert nachweisbar. Wegen der stets geringen Zahl jüdischer Bewohner waren auch vor Ort keine rituellen Einrichtungen vorhanden; die Juden Daubringens gehörten dem Gemeindeverband Lollar an.
Verstorbene wurden bis ca. Mitte des 19.Jahrhunderts auf dem Friedhof unterhalb der Burg Staufenberg begraben.
In Treis a.d. Lumda, einem heutigen Stadtteil Staufenbergs, existierte auch eine jüdische Gemeinde, die Ende des 19.Jahrhunderts mit ca. 100 Angehörigen ihren zahlenmäßigen Zenit erreichte.
[vgl. Treis (Hessen)]
Weitere Informationen:
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang – Neubeginn, Societätsverlag Frankfurt/M. 1971. Bd. 1, S. 498/499 (unter Lollar)
Volker Hess, Geschichte der Juden in den heutigen Ortsteilen Staufenbergs Daubringen, Mainzlar, Staufenberg und Treis, Staufenberg 1990
Volker Hess, Die jüdische Bevölkerung in Daubringen und Mainzlar, in: Daubringen - Mainzlar. Geschichte zweier oberhessischer Dörfer und ihrer Bevölkerung, Staufenberg 1993, S. 233 – 257
Hanno Müller, Juden in den Landämtern Gießen und Hüttenberg 1809 bis 1922, in: "Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen e.V.", 2007, S. 271 - 283
Mainzlar, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Barbara Wagner – Stadtarchiv Staufenberg (Bearb.), Stolpersteine 2012 – Steine gegen das Vergessen, Stadt Staufenberg 2012
Mainzlar, Treiser Straße 10: Stolpersteine für Familie Nathan und Otto Nathan Levy, als PDF-Datei unter: staufenberg.de
Mainzlar, Daubringer Straße 13: Stolpersteine für die Familie Karbe, als PDF-Datei unter: staufenberg.de
Mainzlar, Daubringer Straße 13: Stolpersteine für die Familie Rosenthal, als PDF-Datei unter: staufenberg.de
Barbara Wagner (Hrg.), Juden in Staufenberg – Stolpersteine gegen das Vergessen … Stolpersteine für Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aus Staufenberg und den Ortsteilen Daubringen, Mainzler, Treis an der Lumda. Eine Dokumentation, Hrg. Ernst- Ludwig Chambré-Stiftung in Lich, 2022
Hanno Müller, Juden in Staufenberg – Familien, Hrg. Ernst- Ludwig Chambré-Stiftung in Lich, 2022