Massenbach (Baden-Württemberg)
Massenbach ist seit 1971 mit derzeit ca. 1.800 Einwohnern ein Ortsteil von Schwaigern im Landkreis Heilbronn - westlich der Kreisstaft gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Heilbronn', aus: ortsdienst.de/baden-wuerttemberg/landkreis-heilbronn).
Bereits ein Privileg vom Kaiser Karl V. von 1556 erlaubte der Ortsherrschaft, den Freiherren von Massenbach, Juden im Dorfe anzusiedeln. So waren vermutlich bereits im 16.Jahrhundert kurzzeitig einzelne jüdische Familien im reichsritterschaftlichen Dorfe Massenbach ansässig. Aber erst aus dem 18.Jahrhundert finden sich schriftliche Belege über dauerhafte Ansiedlungen von Juden am Ort; doch waren es zunächst nur sehr wenige Familien; als das Dorf 1805 an Württemberg fiel, nahm ihre Anzahl spürbar zu.
Ein Betraum - eine Stiftung der vermögenden Familie Behr - bestand in Massenbach seit den 1790er Jahren (oder erst seit 1820 ?). Um 1870 befand sich der Synagogenraum im Obergeschoss eines Scheunengebäudes.
Zur Besorgung religiös-ritueller Aufgaben war seitens der Gemeinde ein Lehrer angestellt, der neben der Unterweisung der Kinder auch als Vorbeter und Schochet tätig war.
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 5. Januar 1903
Ihre Verstorbenen begrub die Massenbacher Judenschaft auf dem jüdischen Friedhof in Waibstadt bzw. in Heinsheim. Da eine Dorfflur die Bezeichnung „Judenkirchhof“ trägt, kann vermutet werden, dass sich in Massenbach anfänglich auch eine jüdische Begräbnisstätte befand.
Das in unmittelbarer Nähe gelegene Dorf Massenbachhausen, in dem bis Anfang des 19.Jahrhunderts eine etwas größere jüdische Gemeinde bestand, war zunächst Sitz der Kultusgemeinde, der neben Bonfeld auch Massenbach als Filialgemeinde zugeordnet war. Als um 1850/1855 eine starke Abwanderung der Juden aus Massenbachhausen einsetzte, wurde der Sitz der israelitischen Religionsgemeinde in den 1860er Jahren nach Massenbach verlegt. Ab dieser Zeit existierten auch ein Schulraum und ein Frauenbad in Massenbach.
Juden in Massenbach:
--- um 1730 ........................ 3 jüdische Familien,
--- um 1750 ........................ 7 “ “ ,
--- 1808 ........................... 12 “ “ ,
--- 1828 ........................... 60 Juden,
--- 1843 ........................... 85 “ ,
--- 1854 ........................... 57 “ ,
--- 1869 ........................... 52 “ ,
--- 1886 ........................... 41 “ ,
--- 1900 ........................... 36 “ ,
--- 1910 ........................... 18 “ ,
--- 1928 ........................... 20 “ ,
--- 1933 ........................... 15 “ ,
--- 1939 ........................... 4 “ .
Angaben aus: W.Angerbauer/H.G.Frank, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, S. 149
Fast alle jüdischen Familien Massenbachs lebten im 19.Jahrhundert in bescheidenen Verhältnissen; ihre Handelsgeschäfte (kleine Dorfläden) waren eher unbedeutend.
Nach der Jahrhundertwende konnte kaum der für einen Gottesdienst erforderliche Minjan zusammengebracht werden; man behalf sich damit, dass man durchreisende Juden über Sabbat in jüdische Häuser einlud. In den 1920er Jahren wurden dann nur noch an Festtagen Gottesdienste in der Synagoge abgehalten – wiederum unter Teilnahme auswärtiger Glaubensgenossen. Trotzdem nahm man eine Renovierung der Synagoge vor, die im Herbst 1930 erneut eingeweiht wurde.
aus: „Gemeindezeitung für die Israelitischen Gemeinden Württembergs" vom 15.10.1930
Synagoge rechts halbverdeckt im Bild (hist. Aufn. 1930)
Zu ersten antisemitischen „Kundgebungen“ kam es in Massenbach im Jahre 1924, als der im Ort wirkende evangelische Pfarrer bei der württembergischen Landtagswahl für den völkisch-nationalen Block kandidierte und seine radikalen Anschauungen verbreitete; doch soll er wenig Rückhalt in der Bevölkerung gehabt haben. Zu Beginn der 1930er Jahre wohnten nicht einmal mehr 20 Juden im Dorf; zwei jüdische Gewerbebetriebe waren damals existent: die Gastwirtschaft u. Metzgerei Sigmund Abraham und das Textilwarengeschäft David Behr (beide Felsenweg).
Die Zahl der Gemeindeangehörigen sank in den Folgejahren noch weiter, sodass sich die Gemeinde schließlich im Frühjahr 1938 völlig auflöste. Zu Beginn des Krieges wurden die wenigen noch am Ort verbliebenen Juden im „Judenhaus“ einquartiert.
Der Betraum überstand die Pogromnacht 1938 unversehrt, wurde aber während des Krieges als Soldatenunterkunft benutzt; in den 1950er Jahren wurde das inzwischen baufällig gewordene Gebäude abgerissen. Drei Massenbacher Juden wurden deportiert und kamen gewaltsam ums Leben.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden neun gebürtige Massenbacher Juden Opfer der „Endlösung“ (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/massenbach_synagoge.htm).
Vor der Georgskirche erinnert ein Gedenkstein an die drei deportierten und ermordeten Massenbacher Juden.
Ebenfalls erinnert ein Denkmal auf dem Friedhof in Schwaigern-Massenbach an die deportierten und zu Tode gekommenen Juden aus Massenbach (Aufn. Peter Schmelzle, 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
[vgl. Massenbachhausen (Baden-Württemberg)]
Weitere Informationen:
Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale - Geschichte - Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1966, S. 125/126
W.Angerbauer/H.G.Frank, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. Geschichte - Schicksale - Dokumente, in: "Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn", Hrg. Landkreis Heilbronn, 1986, S. 146 - 160
Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 249
Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 430/431
Massenbach, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)