Mittelweilersbach (Oberfranken/Bayern)
Die Ortschaft gehört seit 1978 - zusammen mit Unterweilersbach und Reifenberg - zum Kommunalverbund Weilersbach - nur wenige Kilometer östlich der Kreisstadt Forchheim (Kartenskizze 'Landkreis Forchheim', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Der erste Beleg über die Existenz von Juden in Weilersbach stammt aus dem Jahre 1685; danach sollen 30 Juden im Mittelweilersbacher Schloss, dem Sitz eines Adelsgeschlechts (zuletzt die Karg von Bebenburg), untergebracht gewesen sein. Das sog. „Schloss“ - ein vom Verfall bedrohtes Rittergut - war ein relativ bescheidener Fachwerkbau. Gegen entsprechende Abgaben ließ die Grundherrschaft hier jüdische Familien wohnen, zunächst nur in den Nebengebäuden, später auch im eigentlichen Schlossgebäude. Das „Judenquartier“ mit seinen dort lebenden ärmlichen Familien war räumlich von der übrigen Siedlung abgeschlossen und bildete eine Art Ghetto.
Seitdem 1751 das Hochstift Bamberg die Weilersbacher Rittergüter erworben hatte, übte der Bamberger Erzbischof den Judenschutz aus, da er auf die einträglichen Einkünfte nicht verzichten wollte. Da inzwischen die Schlossunterkunft baufällig und eine Instandsetzung zu kostspielig geworden war, wurde das Gebäude abgebrochen; die jüdischen Bewohner kamen auf dem "Judenhof" in acht neu errichteten kleinen Gebäuden unter, die ringförmig um einen zentralen Platz errichtet worden waren. In einem Gebäude befand sich die „Schul“, die vermutlich um 1720 eingerichtet wurde.
Die israelitische Religionsschule befand sich unter dem Dach der Synagoge; sie soll bis in die 1860er Jahre bestanden haben
Mit hohem finanziellen Aufwand wurde 1865 die Synagoge renoviert. Über ihre Neueinweihung berichtete die Zeitschrift "Der Israelit" am 7.Febr. 1866:
Wailersbach, 28. Januar (1866). am 17. v.M. wurde die Synagoge in Wailersbach bei Forchheim eingeweiht. Es hatten sich zu diesem Behufe sehr viele Freunde von Nah und Fern eingefunden, da ein derartiges Fest in unserer Gegend seit langer Zeit nicht mehr begangen worden. Auch der königliche Herr Bezirksamtmann von Suttner, der die weltliche Behörde für diesen Bezirk vertritt, hatte sich schon in der Frühe hierher gegeben und nahm mit sichtlich freudigem Gemüte Anteil an diesem religiösen Akte. Auch der Ortsgeistliche war anwesend, und sehr viele Lehrer jeder Konfession aus der Umgegend hatten sich eingefunden. Nachdem sich der Festzug geordnet hatte, begann die Feierlichkeit vor dem Hause, in welchem seither der Gottesdienst war abgehalten worden. Es wurden hier Gebete verrichtet, worauf sich der Zug in Bewegung setzte. Vor der Synagoge angekommen, wurde dem königlichen Bezirksamtmann der Schüssel überreicht. Bevor der Beamte die Türe des Tempels öffnete, hielt er an die Gemeinde folgende Ansprache: ‘Indem ich hiermit die Pforten dieses Hauses erschieße, so gebe ich die Tora zurück den Hallen, für die sie bestimmt ist. Ihr aber befolget sie zu dem Zwecke, zu dem sie gegeben worden.’ In feierlicher Stimmung zog man in die Synagoge, um dort zum ersten Male heiße Gebete zum Schöpfer empor zu senden. Es wurden mehrere Einweihungslieder vom Chore mit Musikbegleitung vorgetragen, die allgemeines Lob von den Anwesenden erhielten. Sodann folgte die Einweihungsrede, abgehalten vom Herrn Distrikts-Rabbiner Dr. J. Königshöfer, die auf die Anwesenden einen tiefen Eindruck macht und mit großem Beifall aufgenommen wurde. Nachdem nun das Gebet für den Landesvater beendet war, schilderte der königliche Bezirksamtmann mit ergreifenden Worten das Leben der Juden in den frühesten Zeiten, die Erbauung der Stiftshütte unter Moses, die Erbauung des Tempels unter Salomon. Mit wahrhafter Bewunderung erkannte er die Fügung Gottes in den jüdischen Verhältnissen. Mit Absingung des 150 Psalmes wurde die Feier beschlossen. Nach beendetem Diner wurde dem Herrn Distrikts-Rabbiner Seitens der Gemeinde in Anerkennung seines ersprießlichen Wirkens in Wort und That, ein prachtvolles Geschenk in Siler verabreicht. So endete dieses Schöne Fest, das allen Anwesenden noch lange Zeit eine erhebende Erinnerung gewähren wird. Schwanthaler
Da sich die Gemeinde mit der kostenintensiven Restaurierung finanziell übernommen hatte, bat sie Durchführung einer Kollekte bei den israelitischen Gemeinden Bayerns; die Kollekte wurde von den Behörden genehmigt:
aus: "Königlich Bayerischen Kreis-Amtsblatt von Unterfranken und Aschaffenburg" vom 19. Juni 1867
Neben der Synagoge befand sich eine Mikwe, die um 1850 durch eine weitere ergänzt worden war.
Ob den Juden von Mittelweilersbach eine eigene Begräbnisstätte zur Verfügung stand, ist wahrscheinlich, doch urkundlich nicht nachzuweisen. Für die Existenz eines Grabgeländes spricht allerdings die Bezeichnung des Flurstücks „Judenanger“ im heutigen Staatswald. Als sicher gilt, dass verstorbene Juden aber vornehmlich auf dem Pretzfelder Judenfriedhof beerdigt wurden.
Juden in Mittelweilersbach:
--- um 1685 .................. ca. 30 Juden,
--- um 1720 .................. ca. 60 “ (in 14 Familien),
--- 1740 ..................... ca. 90 “ ,
--- um 1760 .................. ca. 100 “ ,
--- 1811 ......................... 17 Familien,* * Matrikelzahl
--- 1824 ......................... 16 “ ,
--- 1833 ......................... 19 “ ,
--- 1843 ......................... 20 “ (ca. 90 Pers.),
--- 1863 ......................... 16 “ ,
--- 1874 ..................... ca. 6 “ (ca. 20 Pers.),
--- 1876 ......................... Auflösung der jüdischen Gemeinde.
Angaben aus: Georg Knörlein, Mittlerweilersbach, in: Jüdisches Leben in der Fränkischen Schweiz, S. 601 f.
Ihren Lebensunterhalt verdienten die im "Judenhof" lebenden Familien zumeist im ambulanten Kleinhandel. Erst in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts gelang es einzelnen Familien, aus der Enge des "Judenhofes" auszubrechen und bäuerliche Anwesen zu erwerben, die von nun an ihre Existenz sicherten. Da die sog. Matrikel die jüdische Ortsbevölkerung festschrieben und so die Menschen an den Wohnort banden, änderte sich bis 1850/1860 die Zahl der in Mittelweilersbach lebenden jüdischen Familien kaum. Doch mit der Aufhebung der gesetzlichen Restriktionen begann die Abwanderung in Stadtregionen; die ersten Familien, die das Dorf verließen, waren finanziell gut bestellt, zurückblieben die unbemittelten Juden. Zwischen 1863 und 1873 sollen zwei Drittel der in Mittelweilersbach ansässigen Juden den Ort verlassen haben. Der Schwund an Gemeindeangehörigen führte dazu, dass der Kultusverband aufgelöst und die Synagoge mitsamt den übrigen Gemeindeeinrichtungen veräußert wurde. In einer öffentlichen Versteigerung kamen im Mai 1876 alle beweglichen und unbeweglichen Gegenstände unter den Hammer. Am Ende des gleichen Jahres hatten alle jüdischen Einwohner die Ortschaft verlassen.
Das Synagogengebäude wurde wenig später abgerissen und an gleicher Stelle ein Wohnhaus errichtet.
Die Wohnungen im Mittelweilersbacher Judenhof wurden zumeist von Arbeitern erworben, die in benachbarten Forchheimer Industriebetrieben Lohn und Brot fanden. Nur der ehemalige Schlossplatz, um den sich die kleinen Wohnhäuser gruppierten, wurde nicht veräußert und ist heute noch Eigentum des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Bayern.
Auf dem Schlossplatz befindet sich eine Stele, die mit der abgebildeten Erinnerungstafel versehen ist.
Denkmal am Schlossplatz (Aufn. J. Hahn, 2008)
Weitere Informationen:
Georg Knörlein, Die jüdische Gemeinde Mittelweilersbach (Gemeinde Weilersbach, Lkr. Forchheim), in: "Jüdische Landgemeinden in Franken - Beiträge zu Kultur u. Geschichte einer Minderheit", Hrg. Zweckverband Fränkische-Schweiz-Museum Tücherfeld, 1987, S. 61 ff.
Klaus Guth (Hrg.), Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800 - 1942). Ein historisch-topographisches Handbuch, Bayrische Verlagsanstalt Bamberg, Bamberg 1988, S. 236 - 243
Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 230
Georg Knörlein, Mittelweilersbach , in: "Jüdisches Leben in der Fränkischen Schweiz, Schriftenreihe des Fränkische-Schweiz Vereins", Band 11, Palm & Enke, Erlangen 1997, S. 601 - 624
G. Ph. Wolf/W.Tausendpfund, Obrigkeit und jüdische Untertanen in der Fränkischen Schweiz, in: "Jüdisches Leben in der Fränkischen Schweiz, Schriftenreihe des Fränkische-Schweiz Vereins", Band 11, Palm & Enke, Erlangen 1997, S. 103
Oberweilersbach mit Mittelweilersbach, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Elisabeth Görner (Red.), Auf den Spuren der Weilersbacher Juden, in: „Coburger Tageblatt“ vom 16.10.2017