Mondorf (Nordrhein-Westfalen)
Mondorf mit derzeit ca. 6.800 Einwohnern ist heute ein Stadtteil von Niederkassel im Rhein-Sieg-Kreis - nur wenige Kilometer nördlich von Bonn gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von ca. 1655, aus: wiki-de.genealogy.net und Kartenskizze 'Rhein-Sieg-Kreis', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Die Spezial-Synagogengemeinde Mondorf, zu der auch die jüdischen Familien aus Mondorf, Rheidt, Sieglar und Bergheim zählten, war eine „Unterabteilung“ der Synagogengemeinde des Siegkreises.
Über Ansiedlungen von Juden in Mondorf vor 1800 liegen kaum Unterlagen vor; als gesichert gilt aber, dass bereits im 18.Jahrhundert hier wenige Juden gelebt haben. Vermutlich anstelle eines älteren, aus Holz gefertigten kleinen Bethauses wurde 1862 ein aus Ziegelsteinen gefertigtes schlichtes Synagogengebäude auf einem Gartengrundstück in der Provinzialstraße errichtet.
Synagoge in Mondorf (Rekonstruktionsskizze)
Das Modell der Synagoge Mondorf entstammt einem Bastelbogen des Herstellers "kallboys" (Abb. aus: bastelbogen.de)
Aus dem Jahr 1837 stammte die Synagogenordnung für die israelitische Religions-Gemeinde zu Mondorf, in der es u.a. hieß:
Zur Aufrechterhaltung der einer öffentlichen Gottesverehrung gebührenden Würde und Achtung, so wie, um vorkommenden Störungen mit Nachdruck zu begegnen und die Übertretenden in die gehörigen Schranken der Ordnung zurückzuweisen und zur Strafe ziehen zu können, wird Nachstehendes verordnet:
Es soll Jedermann in reinlicher und anständiger Kleidung, namentlich nicht mit Jacke oder Kittel in der Synagoge erscheinen. Alle und jede Unterhaltung, insbesondere das Reden, so wie jedes sonstige sonst störende Geräusch während des Gottesdienstes in der Synagoge ist streng untersagt. Eltern oder Vormünder, welche Kinder in die Synagoge einführen, haben dieselben auf ihren Plätzen bei sich zu behalten und sind für deren Aufführung verantwortlich. Kinder unter vier Jahren dürfen während des Gottesdienstes weder in der Synagoge der Männer noch in jede der Frauen mitgebracht werden. ... Der bestellte Vorsänger sowohl als jeder andere Vorbeter ist verbunden auf Verlangen eines jeden Aufgerufenen zur Thora, wenigstens drei Segenssprüche zu recitieren. ...Der Vorsteher ist verpflichtet, diese Synagogen-Ordnung der Gemeinde durch öffentlich Vorlesung und Anheftung derselben im Innern der Synagoge zu publizieren und jedes gegen diese Verordnung vorkommende Vergehen bei dem competenten Polizeigericht unter Beziehung auf die betreffenden Artickel des Strafgesetzbuches zur Anzeige zu bringen.
Bonn den 21ten Juni 1837 Das Israelitische Konsistorium
Zum 50jährigen Bestehen der Mondorfer Synagoge (1910) fanden Feierlichkeiten statt; den Festgottesdienst leitete der Bonner Rabbiner Dr. Elias Kalischer.
Seit den 1880er Jahren bestand eine eigene kleinflächige Begräbnisstätte für die Verstorbenen der Spezial-Synagogengemeinde Mondorf; diese lag in der offenen Feldmark an der Gemarkungsgrenze zu Bergheim. In den Jahrzehnten zuvor hatten die Mondorfer Juden den jüdischen Friedhof in Schwarzrheindorf genutzt.
Juden in Mondorf:
--- 1828 ............................ 25 Juden,
--- 1846 ............................ 68 “ ,
--- 1863 ............................ 79 “ ,
--- 1872 ............................ 124 “ ,
--- 1933 ............................ 58 “ ,
--- 1935 ............................ 46 “ ,
--- 1942 (Aug.) ..................... keine.
Angaben aus: Hans-Ulrich Busch, Die Synagogengemeinde Mondorf
Die jüdischen Familien der Mondorfer Gemeinde waren als Viehhändler und Metzger, aber auch als Kleinhändler tätig.
In den ersten Jahren der NS-Zeit verhielt sich die hiesige „arische“ Bevölkerung noch pro-jüdisch, d.h. geschäftliche Kontakte mit jüdischen Händlern bestanden zunächst weiterhin.
Während der frühen Morgenstunden des 10.Novembers 1938 wurde die Mondorfer Synagoge aufgebrochen und anschließend niedergebrannt; nur die Umfassungsmauern blieben stehen; durch Kriegseinwirkung wurde das Gebäude dann völlig zerstört; danach ging das Grundstück mit dem Gebäuderest an einen Privatmann über, der hier später eine Autowerkstatt unterbrachte. Über weitere Gewalttätigkeiten gegen jüdisches Eigentum in Mondorf und Rheidt ist nichts bekannt. Doch waren vier jüngere jüdische Männer festgenommen und mehrere Wochen in einem Konzentrationslager inhaftiert worden. Im Sommer 1941 wurden die wenigen zurückgebliebenen Juden Mondorfs und Umgebung ins ehem. RAD-Lager Much „umgesiedelt“; von dort wurden sie etwa ein Jahr später deportiert.
Überlebt haben soll nur ein einziger der nach Riga deportierten Mondorfer Juden: Markus Max Wolff.
Westgiebel der ehem. Synagoge (Aufn. aus: kopernikus-gymnasium.de)
An die Synagogengemeinde Mondorf erinnern heute noch Reste des ehemaligen Synagogengebäudes und der jüdische Friedhof an der Lerchenstraße, dessen Eingangstor ein aus einer Stahlplatte gestalteter siebenarmiger Leuchter verschließt; der Entwurf stammt vom Bildhauer Rudolf Peer. Auf dem Friedhofsgelände sind noch 46 Grabstellen erhalten; der älteste Grabstein datiert von 1891.
Eingangspforte zum jüdischen Friedhof und Blick auf das Areal (Aufn. Beckstet, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
1984 brachte die Stadt Niederkassel eine Gedenktafel am Standort der ehemaligen Synagoge an, die die folgende Inschrift trägt:
Hier stand die Synagoge der Juden aus Mondorf, Rheidt, Bergheim und Sieglar
von nationalsozialistischen Brandstiftern in der Reichskristallnacht 1938 am 9.November in Brand gesteckt.
Fast alle Gemeindemitglieder wurden deportiert und ermordet. Von den Überlebenden kehrte keiner zurück.
Den Ermordeten zur Ehre, uns zur steten Mahnung.
Angebracht 1983 Stadt Niederkassel
Bereits seit 2009 erinnern im Niederkasseler Stadtgebiet sog. „Stolpersteine“ an die Angehörigen jüdischer Familien, die Opfer der NS-Herrschaft geworden waren. Die Mehrzahl der mehr als 30 Steine befindet sich im Stadtteil Mondorf. Die Initiative, am "Stolperstein-Projekt" teilzunehmen, war einer Schülerin des Kopernikus-Gymnasiums geschuldet, die Recherchen zum Schicksal ehemaliger jüdischer Ortsbewohner betrieben hatte.
in der Provinzialstraße u. Oberdorfstraße (Aufn. X. 2023, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
(Abb. Martina Welt) In Niederkassel erinnert seit 2019 auch ein sog. „Stolperstein“ an Karola Adami, die als uneheliches Kind einer Jüdin von klein auf in einer katholischen Pflegefamilie aufwuchs. Von den NS-Behörden als „Jüdin“ eingestuft hat Karola Adami die NS-Zeit überlebt. Als inzwischen 94-jährige war sie an der Verlegung ihres eigenen Gedenkquaders in der Oberstraße anwesend.
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Weitere Informationen:
Bruno Reifenrath, Die Internierung der Juden in Much, Hrg. Geschichts- und Altertumsverein, Heft 15/1982
Heinrich Linn, Juden an Rhein und Sieg, Siegburg 1983
Katl Josef Arnold, Der Judenfriedhof in Mondorf (unveröffentlichtes Manuskript)
Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil I: Regierungsbezirk Köln, J.P.Bachem Verlag, Köln 1997, S. 559 f.
Hans Ulrich Busch, Die Synagogengemeinde Mondorf, in: "Heimatblätter des Rhein-Sieg-Kreises", No. 66/67 (1998/99), S. 157 ff., Hrg. Geschichts- u. Altertumsverein für Siegburg und Rhein-Sieg-Kreis e.V.
Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 376/377
Gewalt beendet keine Geschichte - Projekt von Schülern und Lehrern des Kopernikus-Gymnasiums Niederkassel zur Erinnerung an die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger von Mondorf und Rheidt, in: Niederkasseler Hefte 6/2000, S. 129 - 178
Heinrich Brodeßer, Mondorf im Dritten Reich, Troisdorf 2003
Hans Ulrich Busch, Juden in Mondorf, 2004 (online abrufbar unter: mondorf-rhein.de/images4/busch2.pdf)
Roland Klinger (Hrg.), Der Judenfriedhof, in: Mondorf am Rhein – alte und neue Ansichten, online abrufbar unter: roland-klinger.de/Mondorf/frjude.htm
Ingrid Bäumer (Red.), Neue Stolpersteine – Ein Leben in ständiger Angst, in: „Kölner Stadtanzeiger“ vom 28.8.2009
Martina Welt (Red.), „Nacht des Erinnerns“ in Niederkassel, in: „General-Anzeiger“ vom 7.11.2018
Martina Welt (Red.), Wie eine 94-jährige aus Niederkassel vor den Nazis floh, in: „General-Anzeiger“ vom 18.12.2019
Monika von Rheed (Red.), Stolpersteine gegen das Vergessen wurden vergessen, online abrufbar unter: machpuls.de/niederkassel/gedenken-stolpersteine-gegen-das-vergessen-wurden-vergessen
Auflistung der in Niederkassel und seinen Stadtteilen verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter. wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Niederkassel